Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.Die Parsis sind bekanntlich die Nachkommen der alten Perser, die von Die Parsen machen keine Proselyten; sie nehmen auch keinen Fremdling Die Dachmas oder Thürme des Schweigens, ihr Friedhof, sind in einem Die Parsis sind bekanntlich die Nachkommen der alten Perser, die von Die Parsen machen keine Proselyten; sie nehmen auch keinen Fremdling Die Dachmas oder Thürme des Schweigens, ihr Friedhof, sind in einem <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0151" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139972"/> <p xml:id="ID_494"> Die Parsis sind bekanntlich die Nachkommen der alten Perser, die von<lb/> den Mohammedanern ans ihrer Heimath vertrieben, vor 1100 Jahren sich zu¬<lb/> erst in Surat niederließen. Nach dem letzten indischen Census beläuft sich ihre<lb/> Anzahl nur aus 70,000 Seelen, von denen 50,000 in Bombay wohnen; der<lb/> Rest von 20,000 ist über Indien zerstreut, doch leben sie namentlich in Gud-<lb/> scherat und der Präsidentschaft Bombay. Obgleich nur ein Tropfen im Ocean<lb/> der 240 Millionen Jndier, bilden sie doch eine höchst wichtige und einflußreiche<lb/> Klasse der Bevölkerung, die mit den Europäern an Reichthum, Energie und<lb/> Unternehmungsgeist konkurrirt und viel von ihnen angenommen hat. Ihre<lb/> Umgangssprache ist das Zudscherati, doch spricht jeder erwachsene Parsi auch<lb/> fließend englisch und in allen ihren zahlreichen Schulen wird englisch gelehrt.<lb/> Ihre monotheistische Religion gründet sich ans die Lehren Zoroasters und die<lb/> Zendavesta; man kann sie auch pantheistisch nennen, da das Feuer und die<lb/> Elemente als sichtbare Repräsentationen der Gottheit verehrt werden. Ihre<lb/> Sittenlehre ist in den drei Worten: Gute Gedanken, gute Thaten, gute Worte<lb/> enthalten, woran die drei Knoten im weißen Baumwollgürtel des Parsen stets<lb/> erinnern sollen.</p><lb/> <p xml:id="ID_495"> Die Parsen machen keine Proselyten; sie nehmen auch keinen Fremdling<lb/> auf, wenn er auch bereit wäre sich zu ihrem Glauben zu bekehren. Vor allen<lb/> anderen Religionsgenosseuschaften und Völkern unterscheiden sich aber die Parsen<lb/> durch ihre eigenthümlichen Bestattungsgebräuche,</p><lb/> <p xml:id="ID_496"> Die Dachmas oder Thürme des Schweigens, ihr Friedhof, sind in einem<lb/> schönen Garten auf der höchsten Spitze des Malabar-Hill bei Bombay errichtet.<lb/> Man erreicht den Garten auf einer fehr schön unterhaltenen Landstraße, die<lb/> durch eiserne Thore abgesperrt ist, welche sich nur allein den Parsis öffnen<lb/> und die Williams nur durch ganz besondre Protektion des obengenannten<lb/> Oberhauptes der Gemeinde Passiren durfte. Vor ihm war nur der Prinz von<lb/> Wales bei seinem Besuche Indiens diesen Weg gezogen. Der Sekretär der<lb/> Gemeinde geleitete ihn durch den prachtvollen Park nach der höchsten Spitze<lb/> zu einem sagn, Gebethause, von wo aus er die fünf Thürme des Schweigens<lb/> überschauen konnte. Im sagn brennt das heilige Feuer, das eine Art ewiger<lb/> Lampe ist, die niemals verlöschen darf. „Die Aussicht von diesem Orte, schreibt<lb/> Williams, kann kaum in der Welt übertroffen werden. Unter uns lag die<lb/> Stadt Bombay, zum Theil verborgen in Kokospalmenwäldern, davor ihr<lb/> schöner Hafen mit der Bucht; jenseit erhoben sich die Bergketten der Ghats,<lb/> während rings um uns, unmittelbar zu unseren Füßen sich ein wundervoller<lb/> tropischer Park ausbreitete. Kein englischer Park kann schöner mit Gestrüuchern<lb/> Cypressen, Palmen ausgestattet sein, als dieser Park der Parsis, der ein Ideal<lb/> des Schweigens und friedlicher Ruhe ist."</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0151]
Die Parsis sind bekanntlich die Nachkommen der alten Perser, die von
den Mohammedanern ans ihrer Heimath vertrieben, vor 1100 Jahren sich zu¬
erst in Surat niederließen. Nach dem letzten indischen Census beläuft sich ihre
Anzahl nur aus 70,000 Seelen, von denen 50,000 in Bombay wohnen; der
Rest von 20,000 ist über Indien zerstreut, doch leben sie namentlich in Gud-
scherat und der Präsidentschaft Bombay. Obgleich nur ein Tropfen im Ocean
der 240 Millionen Jndier, bilden sie doch eine höchst wichtige und einflußreiche
Klasse der Bevölkerung, die mit den Europäern an Reichthum, Energie und
Unternehmungsgeist konkurrirt und viel von ihnen angenommen hat. Ihre
Umgangssprache ist das Zudscherati, doch spricht jeder erwachsene Parsi auch
fließend englisch und in allen ihren zahlreichen Schulen wird englisch gelehrt.
Ihre monotheistische Religion gründet sich ans die Lehren Zoroasters und die
Zendavesta; man kann sie auch pantheistisch nennen, da das Feuer und die
Elemente als sichtbare Repräsentationen der Gottheit verehrt werden. Ihre
Sittenlehre ist in den drei Worten: Gute Gedanken, gute Thaten, gute Worte
enthalten, woran die drei Knoten im weißen Baumwollgürtel des Parsen stets
erinnern sollen.
Die Parsen machen keine Proselyten; sie nehmen auch keinen Fremdling
auf, wenn er auch bereit wäre sich zu ihrem Glauben zu bekehren. Vor allen
anderen Religionsgenosseuschaften und Völkern unterscheiden sich aber die Parsen
durch ihre eigenthümlichen Bestattungsgebräuche,
Die Dachmas oder Thürme des Schweigens, ihr Friedhof, sind in einem
schönen Garten auf der höchsten Spitze des Malabar-Hill bei Bombay errichtet.
Man erreicht den Garten auf einer fehr schön unterhaltenen Landstraße, die
durch eiserne Thore abgesperrt ist, welche sich nur allein den Parsis öffnen
und die Williams nur durch ganz besondre Protektion des obengenannten
Oberhauptes der Gemeinde Passiren durfte. Vor ihm war nur der Prinz von
Wales bei seinem Besuche Indiens diesen Weg gezogen. Der Sekretär der
Gemeinde geleitete ihn durch den prachtvollen Park nach der höchsten Spitze
zu einem sagn, Gebethause, von wo aus er die fünf Thürme des Schweigens
überschauen konnte. Im sagn brennt das heilige Feuer, das eine Art ewiger
Lampe ist, die niemals verlöschen darf. „Die Aussicht von diesem Orte, schreibt
Williams, kann kaum in der Welt übertroffen werden. Unter uns lag die
Stadt Bombay, zum Theil verborgen in Kokospalmenwäldern, davor ihr
schöner Hafen mit der Bucht; jenseit erhoben sich die Bergketten der Ghats,
während rings um uns, unmittelbar zu unseren Füßen sich ein wundervoller
tropischer Park ausbreitete. Kein englischer Park kann schöner mit Gestrüuchern
Cypressen, Palmen ausgestattet sein, als dieser Park der Parsis, der ein Ideal
des Schweigens und friedlicher Ruhe ist."
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