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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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Todes die männliche Haltung verloren; wie Kleist selbst die Prinzessin Natalie
sagen läßt:


"Verstört und schüchtern, heimlich, ganz unwürdig,
Ein unerfreulich jammernswürd'ger Anblick! .
Zu solchem Elend, glaubt' ich, sänke Keiner,
Den die Geschicht' als ihren Helden preist/'

Der Dichter hat hier also mit voller Ueberlegung gehandelt. Er läßt
eben in diesem Augenblick in dem Prinzen nur das rein Menschliche, "die süße
Gewohnheit des Daseins" sprechen; er will nicht den Helden, sondern nur den
Menschen darstellen. In diesem Sinne aufgefaßt, hat die Szene nichts Ver¬
letzendes. Sind uns doch auch die Helden Homers, die vor dem Thor des
Hades zurückschaudern, die menschlich empfinden, die vor Schmerz weinen, nicht
unsympathisch und sympathischer als die ehernen Helden unserer nordischen
Mythologie, welche in das eigene Fleisch die blutigen Runen ritzen. Auch ist
es ja nur ein Moment der Todesfurcht. Der Prinz gewinnt, als der Kurfürst
ihn selbst zum Richter seiner That auffordert, alsbald die Fassung wieder; er
weist die Gnade zurück; er will sterben. Gerade dieser Gegensatz, diese
Ueberwindung der Menschennatur durch den Heroismus der Gesinnung ist
aber von großer dramatischer Wirkung.

Und so ist es denn als ein durchaus glücklicher Griff zu bezeichnen,
der das wenig bekannte Stück des viel verkannten Dichters in so vollendet
schöner Weise auf die Bühne brachte; ein Sühnopfer zugleich für die Manen
des unglücklichen Dichters. "Der Prinz von Homburg" war es, auf welchen
Kleist die größte Hoffnung setzte, die letzte. Sie schlug fehl. Das Stück mißfiel,
kam gar nicht auf die Bühne und wahrscheinlich auch nicht in die Hände der
Königin Luise, für welche es zumeist bestimmt war. Von diesem Schlag er¬
holte sich der Genius des Dichters nicht wieder. Es war nur noch ein trau¬
riges, geknicktes Menschenleben, welchem Kleist im November 1811 am Wan-
see durch eine Kugel ein Ende machte. Merkwürdiges Schicksal! Jetzt wird
dies Stück von einem kunstsinnigen und kunstverständigen deutschen Fürsten
auf die Bühne gebracht und zwar am Ehrentage einer erlauchten Tochter aus
dem Hause Hohenzollern, deren großen Ahnherrn es verherrlicht! Hadsut su-z.
l B--es. ata lidslli!




Grenzboten II. 1873.!i>

Todes die männliche Haltung verloren; wie Kleist selbst die Prinzessin Natalie
sagen läßt:


„Verstört und schüchtern, heimlich, ganz unwürdig,
Ein unerfreulich jammernswürd'ger Anblick! .
Zu solchem Elend, glaubt' ich, sänke Keiner,
Den die Geschicht' als ihren Helden preist/'

Der Dichter hat hier also mit voller Ueberlegung gehandelt. Er läßt
eben in diesem Augenblick in dem Prinzen nur das rein Menschliche, „die süße
Gewohnheit des Daseins" sprechen; er will nicht den Helden, sondern nur den
Menschen darstellen. In diesem Sinne aufgefaßt, hat die Szene nichts Ver¬
letzendes. Sind uns doch auch die Helden Homers, die vor dem Thor des
Hades zurückschaudern, die menschlich empfinden, die vor Schmerz weinen, nicht
unsympathisch und sympathischer als die ehernen Helden unserer nordischen
Mythologie, welche in das eigene Fleisch die blutigen Runen ritzen. Auch ist
es ja nur ein Moment der Todesfurcht. Der Prinz gewinnt, als der Kurfürst
ihn selbst zum Richter seiner That auffordert, alsbald die Fassung wieder; er
weist die Gnade zurück; er will sterben. Gerade dieser Gegensatz, diese
Ueberwindung der Menschennatur durch den Heroismus der Gesinnung ist
aber von großer dramatischer Wirkung.

Und so ist es denn als ein durchaus glücklicher Griff zu bezeichnen,
der das wenig bekannte Stück des viel verkannten Dichters in so vollendet
schöner Weise auf die Bühne brachte; ein Sühnopfer zugleich für die Manen
des unglücklichen Dichters. „Der Prinz von Homburg" war es, auf welchen
Kleist die größte Hoffnung setzte, die letzte. Sie schlug fehl. Das Stück mißfiel,
kam gar nicht auf die Bühne und wahrscheinlich auch nicht in die Hände der
Königin Luise, für welche es zumeist bestimmt war. Von diesem Schlag er¬
holte sich der Genius des Dichters nicht wieder. Es war nur noch ein trau¬
riges, geknicktes Menschenleben, welchem Kleist im November 1811 am Wan-
see durch eine Kugel ein Ende machte. Merkwürdiges Schicksal! Jetzt wird
dies Stück von einem kunstsinnigen und kunstverständigen deutschen Fürsten
auf die Bühne gebracht und zwar am Ehrentage einer erlauchten Tochter aus
dem Hause Hohenzollern, deren großen Ahnherrn es verherrlicht! Hadsut su-z.
l B—es. ata lidslli!




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[0149] Todes die männliche Haltung verloren; wie Kleist selbst die Prinzessin Natalie sagen läßt: „Verstört und schüchtern, heimlich, ganz unwürdig, Ein unerfreulich jammernswürd'ger Anblick! . Zu solchem Elend, glaubt' ich, sänke Keiner, Den die Geschicht' als ihren Helden preist/' Der Dichter hat hier also mit voller Ueberlegung gehandelt. Er läßt eben in diesem Augenblick in dem Prinzen nur das rein Menschliche, „die süße Gewohnheit des Daseins" sprechen; er will nicht den Helden, sondern nur den Menschen darstellen. In diesem Sinne aufgefaßt, hat die Szene nichts Ver¬ letzendes. Sind uns doch auch die Helden Homers, die vor dem Thor des Hades zurückschaudern, die menschlich empfinden, die vor Schmerz weinen, nicht unsympathisch und sympathischer als die ehernen Helden unserer nordischen Mythologie, welche in das eigene Fleisch die blutigen Runen ritzen. Auch ist es ja nur ein Moment der Todesfurcht. Der Prinz gewinnt, als der Kurfürst ihn selbst zum Richter seiner That auffordert, alsbald die Fassung wieder; er weist die Gnade zurück; er will sterben. Gerade dieser Gegensatz, diese Ueberwindung der Menschennatur durch den Heroismus der Gesinnung ist aber von großer dramatischer Wirkung. Und so ist es denn als ein durchaus glücklicher Griff zu bezeichnen, der das wenig bekannte Stück des viel verkannten Dichters in so vollendet schöner Weise auf die Bühne brachte; ein Sühnopfer zugleich für die Manen des unglücklichen Dichters. „Der Prinz von Homburg" war es, auf welchen Kleist die größte Hoffnung setzte, die letzte. Sie schlug fehl. Das Stück mißfiel, kam gar nicht auf die Bühne und wahrscheinlich auch nicht in die Hände der Königin Luise, für welche es zumeist bestimmt war. Von diesem Schlag er¬ holte sich der Genius des Dichters nicht wieder. Es war nur noch ein trau¬ riges, geknicktes Menschenleben, welchem Kleist im November 1811 am Wan- see durch eine Kugel ein Ende machte. Merkwürdiges Schicksal! Jetzt wird dies Stück von einem kunstsinnigen und kunstverständigen deutschen Fürsten auf die Bühne gebracht und zwar am Ehrentage einer erlauchten Tochter aus dem Hause Hohenzollern, deren großen Ahnherrn es verherrlicht! Hadsut su-z. l B—es. ata lidslli! Grenzboten II. 1873.!i>

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/149>, abgerufen am 29.12.2024.