Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.Am Tage zuvor hatte nämlich der Erbprinz Bernhard mit seiner an¬ Diese Wahl erfolgte jedenfalls zunächst mit Rücksicht darauf, daß das Dazu kommt, daß das Kleist'sche Schauspiel durchweg von jenem eigen¬ "Dich aber frag' ich selbst: darf ich den Spruch, Prinzessin: "Für wen? Für Dich?" Kurfürst: "Für mich, nein! -- Was? Für mich! Muß man hier nicht unwillkürlich an den Ausspruch Friedrichs des Am Tage zuvor hatte nämlich der Erbprinz Bernhard mit seiner an¬ Diese Wahl erfolgte jedenfalls zunächst mit Rücksicht darauf, daß das Dazu kommt, daß das Kleist'sche Schauspiel durchweg von jenem eigen¬ „Dich aber frag' ich selbst: darf ich den Spruch, Prinzessin: „Für wen? Für Dich?" Kurfürst: „Für mich, nein! — Was? Für mich! Muß man hier nicht unwillkürlich an den Ausspruch Friedrichs des <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0147" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139968"/> <p xml:id="ID_480"> Am Tage zuvor hatte nämlich der Erbprinz Bernhard mit seiner an¬<lb/> muthigen Gemahlin unter dem Jubel der Bevölkerung seinen Einzug in die<lb/> Vaterstadt gehalten, welche jüngst aus der Asche eines furchtbaren Brandes so<lb/> schön erstanden ist. Der Tochter des Siegers von Wörth, der zuerst ver¬<lb/> mählten Enkelin des ersten deutsche» Kaisers aus dem Hanse Hohenzollern,<lb/> galt es, durch die Festvorstellung des Meininger Hoftheaters die schönste Fest¬<lb/> gabe darzubringen; und eben darum ist wohl selten ein Stück mit gleichem<lb/> Fleiße einstudirt, mit gleicher Sorgfalt in Szene gesetzt und in ebenderselben<lb/> glänzenden Weise ausgestattet worden, wie Kleists „Prinz von Homburg",<lb/> welcher von dem Herzog Georg zum Gegenstand dieser Vorstellung ausgewühlt<lb/> worden war.</p><lb/> <p xml:id="ID_481"> Diese Wahl erfolgte jedenfalls zunächst mit Rücksicht darauf, daß das<lb/> Schauspiel, welches Kleist selbst als ein „vaterländisches" bezeichnete, ein Stück<lb/> brandenburgisch-preußischer Geschichte, den Sieg des großen Kurfürsten bei<lb/> Fehrbellin, zum Hintergrund oder vielmehr zum Gegenstand hat; Friedrich der<lb/> Große berichtet nämlich, daß der große Kurfürst nach der Schlacht erklärt<lb/> habe, „man könne nach der Strenge der Gesetze den Prinzen von Homburg vor<lb/> ein Kriegsgericht stellen." Dieser Gedanke liegt dem Kleist'schen Schauspiel,<lb/> welches jetzt durch die Meiniuger gewissermaßen neu auf die Bühne gebracht<lb/> wird, zu Grunde: Der Prinz von Homburg hat der Ordre zuwider zu früh¬<lb/> zeitig angegriffen; er wird, obgleich ihm die Palme des Tages gebührt, vor ein<lb/> Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurtheilt. Erst nachdem der junge Held,<lb/> seinen Fehltritt einsehend, sich bereit erklärt hat, seine Schuld mit dem Tode<lb/> Zu sühnen, wird ihm Verzeihung, und seiner Tapferkeit der schönste Lohn<lb/> M Theil.</p><lb/> <p xml:id="ID_482"> Dazu kommt, daß das Kleist'sche Schauspiel durchweg von jenem eigen¬<lb/> artigen „preußischen Sinn" beseelt ist, von jener Achtung für Gesetz und Recht,<lb/> Von jener Hingebung für das Staatswesen, welche den preußischen Staat so<lb/> groß gemacht hat. Man erinnere sich z. B. der Stelle, wo der Kurfürst zur<lb/> Prinzessin von Oranien sagt:</p><lb/> <p xml:id="ID_483"> „Dich aber frag' ich selbst: darf ich den Spruch,<lb/> Den das Gericht gefällt, wohl unterdrücken?<lb/> Was würde doch davon die Folge sein?"</p><lb/> <note type="speaker"> Prinzessin: </note><lb/> <p xml:id="ID_484"> „Für wen? Für Dich?"</p><lb/> <note type="speaker"> Kurfürst:</note><lb/> <p xml:id="ID_485"> „Für mich, nein! — Was? Für mich!<lb/> Kennst Du nichts Höhres, Jungfrau, als nur mich!<lb/> Ist Dir ein Heiligthum ganz unbekannt,<lb/> Das in dem Lager Vaterland sich nennt?"</p><lb/> <p xml:id="ID_486"> Muß man hier nicht unwillkürlich an den Ausspruch Friedrichs des<lb/> Großen denken, daß er sich, den König, nur als den ersten Diener des Staates<lb/> betrachte?</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0147]
Am Tage zuvor hatte nämlich der Erbprinz Bernhard mit seiner an¬
muthigen Gemahlin unter dem Jubel der Bevölkerung seinen Einzug in die
Vaterstadt gehalten, welche jüngst aus der Asche eines furchtbaren Brandes so
schön erstanden ist. Der Tochter des Siegers von Wörth, der zuerst ver¬
mählten Enkelin des ersten deutsche» Kaisers aus dem Hanse Hohenzollern,
galt es, durch die Festvorstellung des Meininger Hoftheaters die schönste Fest¬
gabe darzubringen; und eben darum ist wohl selten ein Stück mit gleichem
Fleiße einstudirt, mit gleicher Sorgfalt in Szene gesetzt und in ebenderselben
glänzenden Weise ausgestattet worden, wie Kleists „Prinz von Homburg",
welcher von dem Herzog Georg zum Gegenstand dieser Vorstellung ausgewühlt
worden war.
Diese Wahl erfolgte jedenfalls zunächst mit Rücksicht darauf, daß das
Schauspiel, welches Kleist selbst als ein „vaterländisches" bezeichnete, ein Stück
brandenburgisch-preußischer Geschichte, den Sieg des großen Kurfürsten bei
Fehrbellin, zum Hintergrund oder vielmehr zum Gegenstand hat; Friedrich der
Große berichtet nämlich, daß der große Kurfürst nach der Schlacht erklärt
habe, „man könne nach der Strenge der Gesetze den Prinzen von Homburg vor
ein Kriegsgericht stellen." Dieser Gedanke liegt dem Kleist'schen Schauspiel,
welches jetzt durch die Meiniuger gewissermaßen neu auf die Bühne gebracht
wird, zu Grunde: Der Prinz von Homburg hat der Ordre zuwider zu früh¬
zeitig angegriffen; er wird, obgleich ihm die Palme des Tages gebührt, vor ein
Kriegsgericht gestellt und zum Tode verurtheilt. Erst nachdem der junge Held,
seinen Fehltritt einsehend, sich bereit erklärt hat, seine Schuld mit dem Tode
Zu sühnen, wird ihm Verzeihung, und seiner Tapferkeit der schönste Lohn
M Theil.
Dazu kommt, daß das Kleist'sche Schauspiel durchweg von jenem eigen¬
artigen „preußischen Sinn" beseelt ist, von jener Achtung für Gesetz und Recht,
Von jener Hingebung für das Staatswesen, welche den preußischen Staat so
groß gemacht hat. Man erinnere sich z. B. der Stelle, wo der Kurfürst zur
Prinzessin von Oranien sagt:
„Dich aber frag' ich selbst: darf ich den Spruch,
Den das Gericht gefällt, wohl unterdrücken?
Was würde doch davon die Folge sein?"
Prinzessin:
„Für wen? Für Dich?"
Kurfürst:
„Für mich, nein! — Was? Für mich!
Kennst Du nichts Höhres, Jungfrau, als nur mich!
Ist Dir ein Heiligthum ganz unbekannt,
Das in dem Lager Vaterland sich nennt?"
Muß man hier nicht unwillkürlich an den Ausspruch Friedrichs des
Großen denken, daß er sich, den König, nur als den ersten Diener des Staates
betrachte?
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |