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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band.

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zu erheben. Auf direktem Wege durch Sachsen zog er, wieder um die Oster-
zeit und zwar im Jahre 1128, nach Merseburg, wo er die Genehmigung des
Kaisers für seine Fahrt ins "gelobte Land", was Pommern für ihn ja war,
einholte; versorgte sich in Halle mit prächtigen Geschenken für die zu Bekeh¬
renden und gelangte über Havelberg -- wo Kaiser Otto I. im Jahre 946 ein
Bisthum gegründet hatte, wie wir schon oben gesagt haben -- längs der
Müritz nach Demmin. Der Bischof hatte nämlich die Absicht, zunächst einen
Versuch zur Bekehrung der Bewohner des nördlichen Peeneufers zu machen,
die besondere Feinde der christlichen Religion waren. Ihr Herzog Wratislav
unterstützte ihn bei seinem Werke nicht wenig, denn er schilderte in einer nach
Uznam berufenen Versammlung deu Edlen und Hauptleuten die Absichten und
Wünsche des Bischofs in einer solchen Weise, daß sämmtliche Versammelte zum
Christenthum übertraten. Selbst in Wolgast vermochte der Bischof die Ein¬
wohner fügsam zu machen, die kurz vorher den vorausgeschickten Geistlichen
in bedrohlicher Weise gegenübergetreten waren, und auch die Gützkower zer¬
trümmerten ihre erst neu erbauten Tempel. Ueberall war es sein wahrhaft
grandioses Auftreten, seine stets gleichbleibende Milde, Güte und Großmuth
und seine fürstliche Freigebigkeit, welche solche überraschenden Erfolge erwirkten,
und welch' großes Ansehen und Vertrauen er sich zu gewinnen wußte, zeigt
der Umstand, daß ein pommerscher Stamm jenseits der Oder sich nicht scheute
den Mann, der sie doch eigentlich ihrer angestammten Rechte und ihrer Religion
beraubte, zum Fürsprecher beim Herzog Boleslav zu machen, welcher jene mit
einem Kriege bedrohte. Otto unternahm die beschwerliche Reise zu ihm und
durfte sich als Friedensstifter bei seiner Rückkehr begrüßen lassen.

Inzwischen hatten sich auch die Stettiner wieder dem Heidenthum zuge
wendet und neben ihrer, dem heiligen Adalbert geweihten Kirche ein Götzenbild
aufgestellt -- da sie doch nicht wagten, das Gotteshaus zu zerstören -- und
suchten es so weder mit "Triglaffen" noch mit dem Christengotte zu verderben.
Otto erschien plötzlich in der Stadt; seine beredten Ermahnungen bezwangen
schnell die an ihren eigenen Göttern irregewordenen Bewohner und rasch war
die Spur des Abfalls wieder verwischt. Wie tief die Leute aber eigentlich
doch im Aberglauben steckten, zeigt sich klar in einer Sache, welche viel zu
diesem schnellen Umschwung der Dinge beitrug. Ein in dänische Gefangenschaft
gerathener vornehmer Bürger Stettins rief nämlich die Hülfe des "heiligen
Otto" an und siehe da! seine Bitte ging wirklich in Erfüllung und er wurde
befreit, was aber -- nebenbei gesagt -- ganz zufällig geschah. Auch in Wollin
bewirkte ein solches äußerliches Zeichen die Rückkehr der Pommern zur christ¬
lichen Religion, indem eine große Feuersbrunst gleich nach Errichtung eines
Triglaf-Tempels den größten Theil der Stadt in Asche legte und die Ein-


zu erheben. Auf direktem Wege durch Sachsen zog er, wieder um die Oster-
zeit und zwar im Jahre 1128, nach Merseburg, wo er die Genehmigung des
Kaisers für seine Fahrt ins „gelobte Land", was Pommern für ihn ja war,
einholte; versorgte sich in Halle mit prächtigen Geschenken für die zu Bekeh¬
renden und gelangte über Havelberg — wo Kaiser Otto I. im Jahre 946 ein
Bisthum gegründet hatte, wie wir schon oben gesagt haben — längs der
Müritz nach Demmin. Der Bischof hatte nämlich die Absicht, zunächst einen
Versuch zur Bekehrung der Bewohner des nördlichen Peeneufers zu machen,
die besondere Feinde der christlichen Religion waren. Ihr Herzog Wratislav
unterstützte ihn bei seinem Werke nicht wenig, denn er schilderte in einer nach
Uznam berufenen Versammlung deu Edlen und Hauptleuten die Absichten und
Wünsche des Bischofs in einer solchen Weise, daß sämmtliche Versammelte zum
Christenthum übertraten. Selbst in Wolgast vermochte der Bischof die Ein¬
wohner fügsam zu machen, die kurz vorher den vorausgeschickten Geistlichen
in bedrohlicher Weise gegenübergetreten waren, und auch die Gützkower zer¬
trümmerten ihre erst neu erbauten Tempel. Ueberall war es sein wahrhaft
grandioses Auftreten, seine stets gleichbleibende Milde, Güte und Großmuth
und seine fürstliche Freigebigkeit, welche solche überraschenden Erfolge erwirkten,
und welch' großes Ansehen und Vertrauen er sich zu gewinnen wußte, zeigt
der Umstand, daß ein pommerscher Stamm jenseits der Oder sich nicht scheute
den Mann, der sie doch eigentlich ihrer angestammten Rechte und ihrer Religion
beraubte, zum Fürsprecher beim Herzog Boleslav zu machen, welcher jene mit
einem Kriege bedrohte. Otto unternahm die beschwerliche Reise zu ihm und
durfte sich als Friedensstifter bei seiner Rückkehr begrüßen lassen.

Inzwischen hatten sich auch die Stettiner wieder dem Heidenthum zuge
wendet und neben ihrer, dem heiligen Adalbert geweihten Kirche ein Götzenbild
aufgestellt — da sie doch nicht wagten, das Gotteshaus zu zerstören — und
suchten es so weder mit „Triglaffen" noch mit dem Christengotte zu verderben.
Otto erschien plötzlich in der Stadt; seine beredten Ermahnungen bezwangen
schnell die an ihren eigenen Göttern irregewordenen Bewohner und rasch war
die Spur des Abfalls wieder verwischt. Wie tief die Leute aber eigentlich
doch im Aberglauben steckten, zeigt sich klar in einer Sache, welche viel zu
diesem schnellen Umschwung der Dinge beitrug. Ein in dänische Gefangenschaft
gerathener vornehmer Bürger Stettins rief nämlich die Hülfe des „heiligen
Otto" an und siehe da! seine Bitte ging wirklich in Erfüllung und er wurde
befreit, was aber — nebenbei gesagt — ganz zufällig geschah. Auch in Wollin
bewirkte ein solches äußerliches Zeichen die Rückkehr der Pommern zur christ¬
lichen Religion, indem eine große Feuersbrunst gleich nach Errichtung eines
Triglaf-Tempels den größten Theil der Stadt in Asche legte und die Ein-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157653/122>, abgerufen am 09.11.2024.