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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Schaslers, ein paar Konzert- und Personalnotizen aus den letzten Wochen,
Zu der letzteren Art von Berichterstattung wird sich Naumann, wie es in der
Natur der Sache liegt, mit der Zeit immer mehr gedrängt sehen, denn auch
er kann eben nicht überall dabei gewesen sein und alles gehört haben, auch er
wird sich vielfach auf Benutzung anderweitiger Mittheilungen angewiesen sehen.
Denkbar wäre es allenfalls noch, daß er daneben gelegentlich, ähnlich wie Hans-
lick, ästhetische Prinzipfragen erörterte, undenkbar hoffentlich, daß er in die
unsaubere Arena gewisser musikalischer Zeitschriften herabsteigen und in den
Lärm einer gewissen Klique, die sich Gott sei Dank wohl bald heiser geschrieen
haben wird, mit einstimmen sollte, wozu am Schlüsse seines letzten Berichtes
ein beinahe unbegreiflicher Anfang gemacht ist. Naumann empfiehlt dort eine
kürzlich erschienene Broschüre, welche für die Robert Franz'schen Modernisi-
rungen Bach'scher Kompositionen Propaganda macht, und begleitet diese Em¬
pfehlung mit ein paar geradezu unfaßbarer Ausfällen gegen zwei unsrer ver¬
dientesten Musikhistoriker. Wenn Naumann die erwähnte Broschüre wirklich
gelesen hat und nicht etwa auch hier aus Grund eines tendenziösen Zeitungs¬
berichtes referirt, so weiß er und muß er wissen -- so viel musikwissenschaftliche
Kenntniß haben wir ihm wenigstens bisher zugetraut -- daß die betreffende
Schrift nicht im entferntesten das beweist, was sie beweisen will. Sollte
Naumann vielleicht gelegentlich einmal von den Vertretern der streng philo¬
logischen Richtung in der Musikwissenschaft, weil er allerdings ein bischen
schöngeistig angekränkelt ist, nicht ganz für voll angesehen, dagegen von der
vorerwähnten Klique, die ihn zu den "Philologen" wirft, gelegentlich etwas
gezupft worden sein, so daß er jetzt vor lauter Angst nicht weiß, zu wem er
eigentlich gehört?

Dies beiläufig. Ziehen wir die Summe aus unseren Bemerkungen, so
kann sie uur in folgendem bestehen. Die "Deutsche Revue" ist eine Monats¬
schrift, die dadurch, daß sie in jedem Hefte prinzipiell und systematisch
alle im Prospekt angeführten Fächer berücksichtigt, sich von allen unsern bis¬
herigen Monats- und Wvcheufchriften, welche sich diesen Zwang nicht aufer¬
legen, unterscheidet; eine "Revue" ist sie uicht. Klug und anständig aber
wäre es, wenn sie das einfach eingestände und nicht dadurch, daß sie über
beliebige populärwissenschaftliche Aufsätze, wie sie alle anderen Monats- und
Wochenschriften in jeder ihrer Nummern ebenfalls bringen, die lächerliche
Ueberschrift "Bericht" setzte, fortgesetzt eine unwürdige Komödie spielte. Wir
maßen uus über die sämmtlichen übrigen Rubriken der Zeitschrift -- Politik,
Nationalökonomie, Landwirthschaft u. s. w. -- kein Urtheil an, sicherlich sind
höchst werthvolle und instruktive Aufsätze darunter, denen wir sehr viel Be¬
lehrung verdankt haben; aber soviel sieht jeder Laie: "Berichte" sind auch sie


Grenzboten I. 1878. 12

Schaslers, ein paar Konzert- und Personalnotizen aus den letzten Wochen,
Zu der letzteren Art von Berichterstattung wird sich Naumann, wie es in der
Natur der Sache liegt, mit der Zeit immer mehr gedrängt sehen, denn auch
er kann eben nicht überall dabei gewesen sein und alles gehört haben, auch er
wird sich vielfach auf Benutzung anderweitiger Mittheilungen angewiesen sehen.
Denkbar wäre es allenfalls noch, daß er daneben gelegentlich, ähnlich wie Hans-
lick, ästhetische Prinzipfragen erörterte, undenkbar hoffentlich, daß er in die
unsaubere Arena gewisser musikalischer Zeitschriften herabsteigen und in den
Lärm einer gewissen Klique, die sich Gott sei Dank wohl bald heiser geschrieen
haben wird, mit einstimmen sollte, wozu am Schlüsse seines letzten Berichtes
ein beinahe unbegreiflicher Anfang gemacht ist. Naumann empfiehlt dort eine
kürzlich erschienene Broschüre, welche für die Robert Franz'schen Modernisi-
rungen Bach'scher Kompositionen Propaganda macht, und begleitet diese Em¬
pfehlung mit ein paar geradezu unfaßbarer Ausfällen gegen zwei unsrer ver¬
dientesten Musikhistoriker. Wenn Naumann die erwähnte Broschüre wirklich
gelesen hat und nicht etwa auch hier aus Grund eines tendenziösen Zeitungs¬
berichtes referirt, so weiß er und muß er wissen — so viel musikwissenschaftliche
Kenntniß haben wir ihm wenigstens bisher zugetraut — daß die betreffende
Schrift nicht im entferntesten das beweist, was sie beweisen will. Sollte
Naumann vielleicht gelegentlich einmal von den Vertretern der streng philo¬
logischen Richtung in der Musikwissenschaft, weil er allerdings ein bischen
schöngeistig angekränkelt ist, nicht ganz für voll angesehen, dagegen von der
vorerwähnten Klique, die ihn zu den „Philologen" wirft, gelegentlich etwas
gezupft worden sein, so daß er jetzt vor lauter Angst nicht weiß, zu wem er
eigentlich gehört?

Dies beiläufig. Ziehen wir die Summe aus unseren Bemerkungen, so
kann sie uur in folgendem bestehen. Die „Deutsche Revue" ist eine Monats¬
schrift, die dadurch, daß sie in jedem Hefte prinzipiell und systematisch
alle im Prospekt angeführten Fächer berücksichtigt, sich von allen unsern bis¬
herigen Monats- und Wvcheufchriften, welche sich diesen Zwang nicht aufer¬
legen, unterscheidet; eine „Revue" ist sie uicht. Klug und anständig aber
wäre es, wenn sie das einfach eingestände und nicht dadurch, daß sie über
beliebige populärwissenschaftliche Aufsätze, wie sie alle anderen Monats- und
Wochenschriften in jeder ihrer Nummern ebenfalls bringen, die lächerliche
Ueberschrift „Bericht" setzte, fortgesetzt eine unwürdige Komödie spielte. Wir
maßen uus über die sämmtlichen übrigen Rubriken der Zeitschrift — Politik,
Nationalökonomie, Landwirthschaft u. s. w. — kein Urtheil an, sicherlich sind
höchst werthvolle und instruktive Aufsätze darunter, denen wir sehr viel Be¬
lehrung verdankt haben; aber soviel sieht jeder Laie: „Berichte" sind auch sie


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/97>, abgerufen am 20.10.2024.