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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Das Geheimnis der spartanischen Fechtart ist der feste Zusammenhalt.
Mit Recht sagte Damaratos dem Xerxes: Einzeln möge der Spartiat dem
einzelnen Gegner erliegen; aber zu Hanf seien die Spartiaten die besten der
Sterblichen. Indem sie frei seien, seien sie es doch nicht ganz. Ihr Herrscher
sei das Gesetz und dies gebiete ihnen, nicht der Uebermacht zu weichen, sondern
in Reih und Glied verharrend, zu siegen oder zu sterben.

Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Phalanx ist Block oder Walze;
und in solcher Form erscheint die Schlachtordnung der Dorier in der That. Die
Tiefe der Phalanx war sehr verschieden. Wo man wenig zahlreiche aber vor¬
zügliche Truppen hatte, wie sie eine gute spartanische Mora darbot, da be¬
dürfte es nur weniger Glieder. Es wird berichtet, daß die Spartiaten sogar
einstmals Einen Schild hoch, also in Einem Gliede, die Arkader besiegt
hätten/') Man darf annehmen, daß die spartanischen Hvpliten anfaugs meist
4 bis 6 Mann tief standen; später ist die Aufstellung der Spartinten 8 Mann
hoch; diese allein machten jedoch die Phalanx nicht aus; sie gleichen vielmehr
der Säulenhalle, welche zwar das edelste Bauglied des Tempels bildet und
das ganze Gebälk desselben stützt und trägt, hinter der sich aber doch noch
eine Wand erhebt. Hinter den Spartiaten standen die Heiloten. Deren hatte
schon jeder Periök einen mit sich; von den Spartanern aber weiß man, daß
ein jeder mehre Schildknappen, bei Platäa z. B. deren sieben, bei sich hatte.
Diese reagirten sich nun hinter den Herren, und so bekam die Phalaux immer¬
hin eine sehr bedeutende Tiefe, sodaß sie nicht als Linie, sondern als geschlossenes
Rechteck erschien. -- Die ersten Glieder der Heilotcn schleuderten über und
dnrch die Reihen der Hopliteu Wurfspieße und Handsteine, und da nach dem
Einbruch in den Feind die Geschlossenheit der Speerkämpfer naturgemäß auf¬
hörte, ja wegen der Art wie der Spieß gehandhabt wurde, aufhören mußte,
so drangen nun die Heiloten in die Zwijchenrciume; und während die Hvpliten,
sobald die Spieße zerbrochen zum Schwerte greifend, rastlos vorwärts
stürmten und hinter sich ein von Verwundeten wimmelndes Erntefeld ließen,
folgten die Heiloten Schritt vor Schritt, brachten ihre gefallenen oder ver¬
wundeten Herren in Sicherheit und schlugen die liege" gebliebene:: Feinde mit
Keulen und Knitteln vollends todt. -- Von dieser mannigfachen Thätigkeit
stammen die verschiedenen militärischen Bezeichnungen für die Heiloten: Ghm-
neten, d. h. Ungerüstete, wegen des Mangels an Schutzwaffen, Erykteres,
Retter, und Korynepholen, Keulenträger.

Bezeichnend ist es, daß die Leichtbewaffneten durchaus kein selbständiges
Gefecht haben; sie unterstützen lediglich den Hoplitenkampf; sie sind ein die-



*) Tradition bei Polyacn 2, 1.

Das Geheimnis der spartanischen Fechtart ist der feste Zusammenhalt.
Mit Recht sagte Damaratos dem Xerxes: Einzeln möge der Spartiat dem
einzelnen Gegner erliegen; aber zu Hanf seien die Spartiaten die besten der
Sterblichen. Indem sie frei seien, seien sie es doch nicht ganz. Ihr Herrscher
sei das Gesetz und dies gebiete ihnen, nicht der Uebermacht zu weichen, sondern
in Reih und Glied verharrend, zu siegen oder zu sterben.

Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Phalanx ist Block oder Walze;
und in solcher Form erscheint die Schlachtordnung der Dorier in der That. Die
Tiefe der Phalanx war sehr verschieden. Wo man wenig zahlreiche aber vor¬
zügliche Truppen hatte, wie sie eine gute spartanische Mora darbot, da be¬
dürfte es nur weniger Glieder. Es wird berichtet, daß die Spartiaten sogar
einstmals Einen Schild hoch, also in Einem Gliede, die Arkader besiegt
hätten/') Man darf annehmen, daß die spartanischen Hvpliten anfaugs meist
4 bis 6 Mann tief standen; später ist die Aufstellung der Spartinten 8 Mann
hoch; diese allein machten jedoch die Phalanx nicht aus; sie gleichen vielmehr
der Säulenhalle, welche zwar das edelste Bauglied des Tempels bildet und
das ganze Gebälk desselben stützt und trägt, hinter der sich aber doch noch
eine Wand erhebt. Hinter den Spartiaten standen die Heiloten. Deren hatte
schon jeder Periök einen mit sich; von den Spartanern aber weiß man, daß
ein jeder mehre Schildknappen, bei Platäa z. B. deren sieben, bei sich hatte.
Diese reagirten sich nun hinter den Herren, und so bekam die Phalaux immer¬
hin eine sehr bedeutende Tiefe, sodaß sie nicht als Linie, sondern als geschlossenes
Rechteck erschien. — Die ersten Glieder der Heilotcn schleuderten über und
dnrch die Reihen der Hopliteu Wurfspieße und Handsteine, und da nach dem
Einbruch in den Feind die Geschlossenheit der Speerkämpfer naturgemäß auf¬
hörte, ja wegen der Art wie der Spieß gehandhabt wurde, aufhören mußte,
so drangen nun die Heiloten in die Zwijchenrciume; und während die Hvpliten,
sobald die Spieße zerbrochen zum Schwerte greifend, rastlos vorwärts
stürmten und hinter sich ein von Verwundeten wimmelndes Erntefeld ließen,
folgten die Heiloten Schritt vor Schritt, brachten ihre gefallenen oder ver¬
wundeten Herren in Sicherheit und schlugen die liege» gebliebene:: Feinde mit
Keulen und Knitteln vollends todt. — Von dieser mannigfachen Thätigkeit
stammen die verschiedenen militärischen Bezeichnungen für die Heiloten: Ghm-
neten, d. h. Ungerüstete, wegen des Mangels an Schutzwaffen, Erykteres,
Retter, und Korynepholen, Keulenträger.

Bezeichnend ist es, daß die Leichtbewaffneten durchaus kein selbständiges
Gefecht haben; sie unterstützen lediglich den Hoplitenkampf; sie sind ein die-



*) Tradition bei Polyacn 2, 1.
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[0061] Das Geheimnis der spartanischen Fechtart ist der feste Zusammenhalt. Mit Recht sagte Damaratos dem Xerxes: Einzeln möge der Spartiat dem einzelnen Gegner erliegen; aber zu Hanf seien die Spartiaten die besten der Sterblichen. Indem sie frei seien, seien sie es doch nicht ganz. Ihr Herrscher sei das Gesetz und dies gebiete ihnen, nicht der Uebermacht zu weichen, sondern in Reih und Glied verharrend, zu siegen oder zu sterben. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Phalanx ist Block oder Walze; und in solcher Form erscheint die Schlachtordnung der Dorier in der That. Die Tiefe der Phalanx war sehr verschieden. Wo man wenig zahlreiche aber vor¬ zügliche Truppen hatte, wie sie eine gute spartanische Mora darbot, da be¬ dürfte es nur weniger Glieder. Es wird berichtet, daß die Spartiaten sogar einstmals Einen Schild hoch, also in Einem Gliede, die Arkader besiegt hätten/') Man darf annehmen, daß die spartanischen Hvpliten anfaugs meist 4 bis 6 Mann tief standen; später ist die Aufstellung der Spartinten 8 Mann hoch; diese allein machten jedoch die Phalanx nicht aus; sie gleichen vielmehr der Säulenhalle, welche zwar das edelste Bauglied des Tempels bildet und das ganze Gebälk desselben stützt und trägt, hinter der sich aber doch noch eine Wand erhebt. Hinter den Spartiaten standen die Heiloten. Deren hatte schon jeder Periök einen mit sich; von den Spartanern aber weiß man, daß ein jeder mehre Schildknappen, bei Platäa z. B. deren sieben, bei sich hatte. Diese reagirten sich nun hinter den Herren, und so bekam die Phalaux immer¬ hin eine sehr bedeutende Tiefe, sodaß sie nicht als Linie, sondern als geschlossenes Rechteck erschien. — Die ersten Glieder der Heilotcn schleuderten über und dnrch die Reihen der Hopliteu Wurfspieße und Handsteine, und da nach dem Einbruch in den Feind die Geschlossenheit der Speerkämpfer naturgemäß auf¬ hörte, ja wegen der Art wie der Spieß gehandhabt wurde, aufhören mußte, so drangen nun die Heiloten in die Zwijchenrciume; und während die Hvpliten, sobald die Spieße zerbrochen zum Schwerte greifend, rastlos vorwärts stürmten und hinter sich ein von Verwundeten wimmelndes Erntefeld ließen, folgten die Heiloten Schritt vor Schritt, brachten ihre gefallenen oder ver¬ wundeten Herren in Sicherheit und schlugen die liege» gebliebene:: Feinde mit Keulen und Knitteln vollends todt. — Von dieser mannigfachen Thätigkeit stammen die verschiedenen militärischen Bezeichnungen für die Heiloten: Ghm- neten, d. h. Ungerüstete, wegen des Mangels an Schutzwaffen, Erykteres, Retter, und Korynepholen, Keulenträger. Bezeichnend ist es, daß die Leichtbewaffneten durchaus kein selbständiges Gefecht haben; sie unterstützen lediglich den Hoplitenkampf; sie sind ein die- *) Tradition bei Polyacn 2, 1.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/61>, abgerufen am 18.01.2025.