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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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und insbesondere auch Kriegserklärung und Friedensschluß durch den Zuruf
der Gemeinde entschieden.

Die Vorschriften, welche Lykurgos über Lebensweise und Manneszucht
der Kriegergemeinde gab, erinnern in vielen Punkten an die Einrichtungen
der Dorischen Kriegerkaste Kretas. Auch ihm kam es darauf an, daß die
Wehrkraft, deren Besitz der Staat mit seinem besten Boden erkauft hatte,
diesem ungeschwächt erhalten bleibe. Darum wurden alle die Sitten, mit denen
die Dorier so machtvoll und unwiderstehlich in die weichere Achäerwelt herein¬
getreten waren, in voller Strenge hergestellt und mit der ganzen Schärfe des
Gesetzes gehütet. Diese Strenge schien um so nöthiger, als die Ueppigkeit der
Thallandschaft zu behaglichem Leben aufforderte. Der Staat wahrte sich das
Recht, die Spartiatenkinder gleich nach der Geburt körperlich prüfen und die
untüchtigen aussetze" zu lassen, damit sie kein Ackerlos erbten.^ Auf der andern
Seite machte er aber auch die Ergänzung mit frischem Blute möglich, indem
er Kinder, welche nicht aus reiner Dorierehe stammten, falls sie nur die ganze
Schule der von Lykurgos vorgeschriebenen militärischen Erziehung durchge¬
macht hatten, in erledigte Ackerlose und damit in die herrschende Doriergemeinde
eintreten ließ. Also Mannszucht und Ausbildung machten den Spartiaten, nicht
allein das Blut der Ahnen.

Uebrigens schärfte Lykurgos die kretischen Einrichtungen noch. Kreta ließ
die jungen Dorier bis zur Jugendreise im Vaterhause; Sparta nahm schon
den siebenjährigen Knaben in öffentliche Zucht und stellte ihn in seine Ab¬
theilung ein, wo er genau wie alle andern schablonemäßig geübt und abge¬
härtet wurde. Um das Widernatürliche, das in solcher Erziehung lag, auf¬
recht erhalten zu können, bedürfte es einer Absperrung des ganzen Staates,
die denn anch mit großer Schärfe durchgeführt wurde. Wachtposten standen
an den Pässen und hüteten das schon so versteckte Eurotasthal; niemand kam
ohne Meldung hinaus oder herein; das Reisen wurde unmöglich gemacht,
das Auswandern eines Spartiaten der Desertion gleich geachtet und mit
dem Tode bestraft. Endlich ward die dem Jünglinge gewährte Bildung so
eigenthümlich beschränkt, daß er sich nur in der Heimath Wohlbefinden konnte,
da er im übrigen Hellas sich stets unbeholfen und beengt sah.*)

Die Stadt Sparta war aus dem Lager hervorgegangen, welches die
Dorier den achäischen Amykläern gegenüber errichtet hatten. Ein langes Kriegs¬
leben hatte hier gewöhnt/ in gewissen.Abtheilungen zu lagern, zu kochen und
zu speisen. Lykurgos machte die ZeltWwssenschaft auch für den Frieden zu



*) Callus a> a. O.

und insbesondere auch Kriegserklärung und Friedensschluß durch den Zuruf
der Gemeinde entschieden.

Die Vorschriften, welche Lykurgos über Lebensweise und Manneszucht
der Kriegergemeinde gab, erinnern in vielen Punkten an die Einrichtungen
der Dorischen Kriegerkaste Kretas. Auch ihm kam es darauf an, daß die
Wehrkraft, deren Besitz der Staat mit seinem besten Boden erkauft hatte,
diesem ungeschwächt erhalten bleibe. Darum wurden alle die Sitten, mit denen
die Dorier so machtvoll und unwiderstehlich in die weichere Achäerwelt herein¬
getreten waren, in voller Strenge hergestellt und mit der ganzen Schärfe des
Gesetzes gehütet. Diese Strenge schien um so nöthiger, als die Ueppigkeit der
Thallandschaft zu behaglichem Leben aufforderte. Der Staat wahrte sich das
Recht, die Spartiatenkinder gleich nach der Geburt körperlich prüfen und die
untüchtigen aussetze» zu lassen, damit sie kein Ackerlos erbten.^ Auf der andern
Seite machte er aber auch die Ergänzung mit frischem Blute möglich, indem
er Kinder, welche nicht aus reiner Dorierehe stammten, falls sie nur die ganze
Schule der von Lykurgos vorgeschriebenen militärischen Erziehung durchge¬
macht hatten, in erledigte Ackerlose und damit in die herrschende Doriergemeinde
eintreten ließ. Also Mannszucht und Ausbildung machten den Spartiaten, nicht
allein das Blut der Ahnen.

Uebrigens schärfte Lykurgos die kretischen Einrichtungen noch. Kreta ließ
die jungen Dorier bis zur Jugendreise im Vaterhause; Sparta nahm schon
den siebenjährigen Knaben in öffentliche Zucht und stellte ihn in seine Ab¬
theilung ein, wo er genau wie alle andern schablonemäßig geübt und abge¬
härtet wurde. Um das Widernatürliche, das in solcher Erziehung lag, auf¬
recht erhalten zu können, bedürfte es einer Absperrung des ganzen Staates,
die denn anch mit großer Schärfe durchgeführt wurde. Wachtposten standen
an den Pässen und hüteten das schon so versteckte Eurotasthal; niemand kam
ohne Meldung hinaus oder herein; das Reisen wurde unmöglich gemacht,
das Auswandern eines Spartiaten der Desertion gleich geachtet und mit
dem Tode bestraft. Endlich ward die dem Jünglinge gewährte Bildung so
eigenthümlich beschränkt, daß er sich nur in der Heimath Wohlbefinden konnte,
da er im übrigen Hellas sich stets unbeholfen und beengt sah.*)

Die Stadt Sparta war aus dem Lager hervorgegangen, welches die
Dorier den achäischen Amykläern gegenüber errichtet hatten. Ein langes Kriegs¬
leben hatte hier gewöhnt/ in gewissen.Abtheilungen zu lagern, zu kochen und
zu speisen. Lykurgos machte die ZeltWwssenschaft auch für den Frieden zu



*) Callus a> a. O.
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[0051] und insbesondere auch Kriegserklärung und Friedensschluß durch den Zuruf der Gemeinde entschieden. Die Vorschriften, welche Lykurgos über Lebensweise und Manneszucht der Kriegergemeinde gab, erinnern in vielen Punkten an die Einrichtungen der Dorischen Kriegerkaste Kretas. Auch ihm kam es darauf an, daß die Wehrkraft, deren Besitz der Staat mit seinem besten Boden erkauft hatte, diesem ungeschwächt erhalten bleibe. Darum wurden alle die Sitten, mit denen die Dorier so machtvoll und unwiderstehlich in die weichere Achäerwelt herein¬ getreten waren, in voller Strenge hergestellt und mit der ganzen Schärfe des Gesetzes gehütet. Diese Strenge schien um so nöthiger, als die Ueppigkeit der Thallandschaft zu behaglichem Leben aufforderte. Der Staat wahrte sich das Recht, die Spartiatenkinder gleich nach der Geburt körperlich prüfen und die untüchtigen aussetze» zu lassen, damit sie kein Ackerlos erbten.^ Auf der andern Seite machte er aber auch die Ergänzung mit frischem Blute möglich, indem er Kinder, welche nicht aus reiner Dorierehe stammten, falls sie nur die ganze Schule der von Lykurgos vorgeschriebenen militärischen Erziehung durchge¬ macht hatten, in erledigte Ackerlose und damit in die herrschende Doriergemeinde eintreten ließ. Also Mannszucht und Ausbildung machten den Spartiaten, nicht allein das Blut der Ahnen. Uebrigens schärfte Lykurgos die kretischen Einrichtungen noch. Kreta ließ die jungen Dorier bis zur Jugendreise im Vaterhause; Sparta nahm schon den siebenjährigen Knaben in öffentliche Zucht und stellte ihn in seine Ab¬ theilung ein, wo er genau wie alle andern schablonemäßig geübt und abge¬ härtet wurde. Um das Widernatürliche, das in solcher Erziehung lag, auf¬ recht erhalten zu können, bedürfte es einer Absperrung des ganzen Staates, die denn anch mit großer Schärfe durchgeführt wurde. Wachtposten standen an den Pässen und hüteten das schon so versteckte Eurotasthal; niemand kam ohne Meldung hinaus oder herein; das Reisen wurde unmöglich gemacht, das Auswandern eines Spartiaten der Desertion gleich geachtet und mit dem Tode bestraft. Endlich ward die dem Jünglinge gewährte Bildung so eigenthümlich beschränkt, daß er sich nur in der Heimath Wohlbefinden konnte, da er im übrigen Hellas sich stets unbeholfen und beengt sah.*) Die Stadt Sparta war aus dem Lager hervorgegangen, welches die Dorier den achäischen Amykläern gegenüber errichtet hatten. Ein langes Kriegs¬ leben hatte hier gewöhnt/ in gewissen.Abtheilungen zu lagern, zu kochen und zu speisen. Lykurgos machte die ZeltWwssenschaft auch für den Frieden zu *) Callus a> a. O.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/51>, abgerufen am 27.09.2024.