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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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Trotz seiner geistlichen Stellung war er ganz dem zügellosen Leben des Zeit¬
alters hingegegeben*). Mit Recht nennt Gregorovius "seine unbezähmbare
und unerschöpfliche Sinnlichkeit den Dämon seines Lebens, den er nie losge¬
worden ist."

Eine der vielen Römerinnen, deren Gunst Rodrigo Borgia besaßen, war
Vanozza "Movanna) Catanei, aus geringer und unbekannter Familie. Man
weiß sehr wenig von ihr, wenig mehr, als daß sie von großer Schönheit und
sinnlichsten Reiz, und daß sie die Mutter seiner über alles von ihm geliebten
Kinder gewesen ist. Von ihnen sind Cesare 1476, Lukrezia am 18. April 1480
geboren, Jofrö 1481; Juan der älteste wahrscheinlich schon 1474. Bei der
Geburt Lukrezias waren ihre Eltern 49 und 38 Jahre alt.

Lukrezia wuchs auf als ein Kind ihrer Zeit, und ihre Zeit wie ihre Um¬
gebung können ihr in der That zu einiger Entschuldigung angerechnet werden.
Denn selten hatte es eine ruchlosere und schrecklichere Zeit gegeben. In allen
Theilen der Stadt und der Romagna tobte der wildeste Kampf der Geschlechter,
täglich wurde gemordet und mit blutiger Leidenschaft gekriegt. Das Papst¬
thum hatte seinen letzten Schein von Heiligkeit verloren und war zu einer
Höhle des Lasters und der Frevel herabgesunken. Die Religion war ganz
materiell geworden, zuchtloseste Sinnlichkeit beherrschte alle, namentlich auch
die geistlichen Kreise.**)

Rodrigo Borgias Reichthum war königlich, sein Aufwand dem entsprechend;
trotzdem ließ er anfangs seine Kinder einfach, durchaus nicht glänzend, in dem
bescheidenen Hause ihrer Mutter erziehen. Er hielt es aus Politik doch für
besser, so lange er Kardinal war, seine Kinder nicht zu sehr hervortreten zu
lassen. Später kam Lukrezia, um sorgfältiger erzogen zu werden in das Haus
Adrianas Orsini, einer Verwandten des Kardinals, zugleich aber auch einer
Vertrauten seiner Pläne, Sünden und Lüste.***) Hier in einem Palaste der
Orsini ist Lukrezia Borgia aufgwachsen und erzogen worden. In kirchlicher
Frömmigkeit und sonst so sorgfältig als die Sitte der Zeit es erforderte, wenn
auch nur für die Außenwelt berechnet, wird dies geschehen sein. Moralisch
weniger, denn die Nonnenklöster, in denen Lukrezia unterrichtet wurde, standen





vgllo as vitiz? eostmni osesnissimi, non sinesritg., non verxoxng., non vsrits,, non isäs, non
rsli^lors, g,vgrii?ig> inLg>lig,oiIs, ambitions iinmocisrgtg. vrnüslitg pin vns hö.r1zg.rg. sa g>r(ien-
tissiins, onxiüitg, ni, esg.Itg.rs in guglungne nono i Lxluoli i <ing.1i era.no molli."
*) "Seine Erwerbung des Papstthums sagt Guicciardini in seiner storis, üorsnting,," habe
ihn immer weiter getrieben; alle Laster des Körpers und des Geistes seien in ihm vereinigt
gewesen, keine schlechte Handlung irgendwie denkbar ungeschehen geblieben.
**) Gregorovius I, S. 14.
Gregorovius, I. S. 23.

Trotz seiner geistlichen Stellung war er ganz dem zügellosen Leben des Zeit¬
alters hingegegeben*). Mit Recht nennt Gregorovius „seine unbezähmbare
und unerschöpfliche Sinnlichkeit den Dämon seines Lebens, den er nie losge¬
worden ist."

Eine der vielen Römerinnen, deren Gunst Rodrigo Borgia besaßen, war
Vanozza «Movanna) Catanei, aus geringer und unbekannter Familie. Man
weiß sehr wenig von ihr, wenig mehr, als daß sie von großer Schönheit und
sinnlichsten Reiz, und daß sie die Mutter seiner über alles von ihm geliebten
Kinder gewesen ist. Von ihnen sind Cesare 1476, Lukrezia am 18. April 1480
geboren, Jofrö 1481; Juan der älteste wahrscheinlich schon 1474. Bei der
Geburt Lukrezias waren ihre Eltern 49 und 38 Jahre alt.

Lukrezia wuchs auf als ein Kind ihrer Zeit, und ihre Zeit wie ihre Um¬
gebung können ihr in der That zu einiger Entschuldigung angerechnet werden.
Denn selten hatte es eine ruchlosere und schrecklichere Zeit gegeben. In allen
Theilen der Stadt und der Romagna tobte der wildeste Kampf der Geschlechter,
täglich wurde gemordet und mit blutiger Leidenschaft gekriegt. Das Papst¬
thum hatte seinen letzten Schein von Heiligkeit verloren und war zu einer
Höhle des Lasters und der Frevel herabgesunken. Die Religion war ganz
materiell geworden, zuchtloseste Sinnlichkeit beherrschte alle, namentlich auch
die geistlichen Kreise.**)

Rodrigo Borgias Reichthum war königlich, sein Aufwand dem entsprechend;
trotzdem ließ er anfangs seine Kinder einfach, durchaus nicht glänzend, in dem
bescheidenen Hause ihrer Mutter erziehen. Er hielt es aus Politik doch für
besser, so lange er Kardinal war, seine Kinder nicht zu sehr hervortreten zu
lassen. Später kam Lukrezia, um sorgfältiger erzogen zu werden in das Haus
Adrianas Orsini, einer Verwandten des Kardinals, zugleich aber auch einer
Vertrauten seiner Pläne, Sünden und Lüste.***) Hier in einem Palaste der
Orsini ist Lukrezia Borgia aufgwachsen und erzogen worden. In kirchlicher
Frömmigkeit und sonst so sorgfältig als die Sitte der Zeit es erforderte, wenn
auch nur für die Außenwelt berechnet, wird dies geschehen sein. Moralisch
weniger, denn die Nonnenklöster, in denen Lukrezia unterrichtet wurde, standen





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*) „Seine Erwerbung des Papstthums sagt Guicciardini in seiner storis, üorsnting,," habe
ihn immer weiter getrieben; alle Laster des Körpers und des Geistes seien in ihm vereinigt
gewesen, keine schlechte Handlung irgendwie denkbar ungeschehen geblieben.
**) Gregorovius I, S. 14.
Gregorovius, I. S. 23.
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[0492] Trotz seiner geistlichen Stellung war er ganz dem zügellosen Leben des Zeit¬ alters hingegegeben*). Mit Recht nennt Gregorovius „seine unbezähmbare und unerschöpfliche Sinnlichkeit den Dämon seines Lebens, den er nie losge¬ worden ist." Eine der vielen Römerinnen, deren Gunst Rodrigo Borgia besaßen, war Vanozza «Movanna) Catanei, aus geringer und unbekannter Familie. Man weiß sehr wenig von ihr, wenig mehr, als daß sie von großer Schönheit und sinnlichsten Reiz, und daß sie die Mutter seiner über alles von ihm geliebten Kinder gewesen ist. Von ihnen sind Cesare 1476, Lukrezia am 18. April 1480 geboren, Jofrö 1481; Juan der älteste wahrscheinlich schon 1474. Bei der Geburt Lukrezias waren ihre Eltern 49 und 38 Jahre alt. Lukrezia wuchs auf als ein Kind ihrer Zeit, und ihre Zeit wie ihre Um¬ gebung können ihr in der That zu einiger Entschuldigung angerechnet werden. Denn selten hatte es eine ruchlosere und schrecklichere Zeit gegeben. In allen Theilen der Stadt und der Romagna tobte der wildeste Kampf der Geschlechter, täglich wurde gemordet und mit blutiger Leidenschaft gekriegt. Das Papst¬ thum hatte seinen letzten Schein von Heiligkeit verloren und war zu einer Höhle des Lasters und der Frevel herabgesunken. Die Religion war ganz materiell geworden, zuchtloseste Sinnlichkeit beherrschte alle, namentlich auch die geistlichen Kreise.**) Rodrigo Borgias Reichthum war königlich, sein Aufwand dem entsprechend; trotzdem ließ er anfangs seine Kinder einfach, durchaus nicht glänzend, in dem bescheidenen Hause ihrer Mutter erziehen. Er hielt es aus Politik doch für besser, so lange er Kardinal war, seine Kinder nicht zu sehr hervortreten zu lassen. Später kam Lukrezia, um sorgfältiger erzogen zu werden in das Haus Adrianas Orsini, einer Verwandten des Kardinals, zugleich aber auch einer Vertrauten seiner Pläne, Sünden und Lüste.***) Hier in einem Palaste der Orsini ist Lukrezia Borgia aufgwachsen und erzogen worden. In kirchlicher Frömmigkeit und sonst so sorgfältig als die Sitte der Zeit es erforderte, wenn auch nur für die Außenwelt berechnet, wird dies geschehen sein. Moralisch weniger, denn die Nonnenklöster, in denen Lukrezia unterrichtet wurde, standen vgllo as vitiz? eostmni osesnissimi, non sinesritg., non verxoxng., non vsrits,, non isäs, non rsli^lors, g,vgrii?ig> inLg>lig,oiIs, ambitions iinmocisrgtg. vrnüslitg pin vns hö.r1zg.rg. sa g>r(ien- tissiins, onxiüitg, ni, esg.Itg.rs in guglungne nono i Lxluoli i <ing.1i era.no molli." *) „Seine Erwerbung des Papstthums sagt Guicciardini in seiner storis, üorsnting,," habe ihn immer weiter getrieben; alle Laster des Körpers und des Geistes seien in ihm vereinigt gewesen, keine schlechte Handlung irgendwie denkbar ungeschehen geblieben. **) Gregorovius I, S. 14. Gregorovius, I. S. 23.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/492>, abgerufen am 20.10.2024.