Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.Lukrezia Borgia. Von Arnold Gaedeke. Das Buch von Gregorovius über Lukrezia Borgia -- nunmehr in zweiter Lukrezia erscheint in dieser Beleuchtung mit Recht als eine überaus un¬ Gewöhnliche Schwachheit ist bei ihm der ganze Lebenswandel Lukrezias, Eine jüngst in Italien erschienene Arbeit veranlaßt mich, heute noch ein¬ Die Geschichtsschreibung hat Lukrezia Borgia nicht zu jener Furie und Grenzboten I. 187S. <-1
Lukrezia Borgia. Von Arnold Gaedeke. Das Buch von Gregorovius über Lukrezia Borgia — nunmehr in zweiter Lukrezia erscheint in dieser Beleuchtung mit Recht als eine überaus un¬ Gewöhnliche Schwachheit ist bei ihm der ganze Lebenswandel Lukrezias, Eine jüngst in Italien erschienene Arbeit veranlaßt mich, heute noch ein¬ Die Geschichtsschreibung hat Lukrezia Borgia nicht zu jener Furie und Grenzboten I. 187S. <-1
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0489" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139782"/> </div> <div n="1"> <head> Lukrezia Borgia.<lb/><note type="byline"> Von Arnold Gaedeke.</note></head><lb/> <p xml:id="ID_1548"> Das Buch von Gregorovius über Lukrezia Borgia — nunmehr in zweiter<lb/> fast unveränderter Auflage vorliegend — ist uur sehr vereinzelten Wider¬<lb/> sprüche begegnet. Die historische Kritik hat sich indessen in Deutschland wenig mit<lb/> demselben beschäftigt, weit mehr die Feuilletonisten der verschiedenen Zeitungen.<lb/> Ich verkenne nicht, daß einzelne Partieen aus Lukrezia's Leben durch Grego¬<lb/> rovius zu größerer Klarheit gelangt sind. Dabei ist die Diktion seines Werkes<lb/> vorzüglich, oft hinreißend schön. Seine Belege sind indessen durchaus nicht<lb/> immer überzeugender Art.</p><lb/> <p xml:id="ID_1549"> Lukrezia erscheint in dieser Beleuchtung mit Recht als eine überaus un¬<lb/> bedeutende Persönlichkeit. Für vollkommen verfehlt jedoch halte ich den Versuch<lb/> des Verfassers, seine Heldin mit einem moralischeren Gewände zu umkleiden.<lb/> Gregorovius ist der Ansicht, daß die blonde Papsttochter nur ein etwas zu<lb/> geduldiges Kind ihrer Zeit gewesen sei, nicht besser und nicht schlimmer, dem<lb/> man höchstens seine Erziehung und seine Umgebung vorwerfen und daher ein<lb/> gewisses Mitleid nicht versagen könne.</p><lb/> <p xml:id="ID_1550"> Gewöhnliche Schwachheit ist bei ihm der ganze Lebenswandel Lukrezias,<lb/> während sie dem unbefangenen Beobachter, wenn auch nicht als „Furie", doch<lb/> als eine der erbärmlichsten und sittlich zerlumptesten Persönlichkeiten, die je gelebt<lb/> haben, erscheinen muß. Dabei gewinnt sie gar nicht, denn früher besaß sie wie ihr<lb/> Bruder Cesare, doch wenigstens einen Zug großartiger Schrecklichkeit. Dieser<lb/> schwindet jetzt allerdings vollständig und muß ihr — wie das auch von<lb/> Gregorovius geschehen ist — unbarmherzig genommen werden.</p><lb/> <p xml:id="ID_1551"> Eine jüngst in Italien erschienene Arbeit veranlaßt mich, heute noch ein¬<lb/> mal in dieser Frage das Wort zu ergreifen.</p><lb/> <p xml:id="ID_1552"> Die Geschichtsschreibung hat Lukrezia Borgia nicht zu jener Furie und</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 187S. <-1</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0489]
Lukrezia Borgia.
Von Arnold Gaedeke.
Das Buch von Gregorovius über Lukrezia Borgia — nunmehr in zweiter
fast unveränderter Auflage vorliegend — ist uur sehr vereinzelten Wider¬
sprüche begegnet. Die historische Kritik hat sich indessen in Deutschland wenig mit
demselben beschäftigt, weit mehr die Feuilletonisten der verschiedenen Zeitungen.
Ich verkenne nicht, daß einzelne Partieen aus Lukrezia's Leben durch Grego¬
rovius zu größerer Klarheit gelangt sind. Dabei ist die Diktion seines Werkes
vorzüglich, oft hinreißend schön. Seine Belege sind indessen durchaus nicht
immer überzeugender Art.
Lukrezia erscheint in dieser Beleuchtung mit Recht als eine überaus un¬
bedeutende Persönlichkeit. Für vollkommen verfehlt jedoch halte ich den Versuch
des Verfassers, seine Heldin mit einem moralischeren Gewände zu umkleiden.
Gregorovius ist der Ansicht, daß die blonde Papsttochter nur ein etwas zu
geduldiges Kind ihrer Zeit gewesen sei, nicht besser und nicht schlimmer, dem
man höchstens seine Erziehung und seine Umgebung vorwerfen und daher ein
gewisses Mitleid nicht versagen könne.
Gewöhnliche Schwachheit ist bei ihm der ganze Lebenswandel Lukrezias,
während sie dem unbefangenen Beobachter, wenn auch nicht als „Furie", doch
als eine der erbärmlichsten und sittlich zerlumptesten Persönlichkeiten, die je gelebt
haben, erscheinen muß. Dabei gewinnt sie gar nicht, denn früher besaß sie wie ihr
Bruder Cesare, doch wenigstens einen Zug großartiger Schrecklichkeit. Dieser
schwindet jetzt allerdings vollständig und muß ihr — wie das auch von
Gregorovius geschehen ist — unbarmherzig genommen werden.
Eine jüngst in Italien erschienene Arbeit veranlaßt mich, heute noch ein¬
mal in dieser Frage das Wort zu ergreifen.
Die Geschichtsschreibung hat Lukrezia Borgia nicht zu jener Furie und
Grenzboten I. 187S. <-1
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |