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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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würde sein ein Ursache des stäten Einzuges des Türken, des unchristlichen Irrthums,
Zwietracht, Aufruhr und Empörung des gemeinen Volks." Auf dem Titelblatte
derselben stehen folgende Verse gedruckt:


Was Luther hat vorgenommen mit seinem Schreiben,
Und N. Pfeifer gehandelt mit seinem Predigen
Und Thomas Münzer mit seinen Bauern angefangen,
Das hat Hans Hergott dnrch sein'n Traum wollen vollbringen.
Solche Früchte kommen aus der lutherischen Schrift,
Noch will man nicht erkennen seine schädliche Gift.

Mit ähnlichen Worten gedenkt er Hergott's in der Schrift selber, und
etwas verändert kehren die Verse auf der 1536 ebenfalls in Leipzig erschienenen
zweiten Auflage wieder. So aber hätte Sylvius nimmermehr über Hergott
schreiben, so hätte er ihn nicht ueben Luther, Münzer und Pfeifer stellen
können, wenn Hergott nur der Drucker und Verbreiter der Schrift gewesen
wäre, wenn die Untersuchung nicht unzweifelhaft ergeben hätte, daß er auch
der Verfasser war.

Der unumstößlichste Beweis aber liegt schließlich doch wohl eben in Her¬
gott's Bestrafung. So scharfe Aufsicht auch Herzog Georg über die Presse in
seinem Lande führte, so oft er auch das Wormser Mandat aufs neue ein¬
schärfte, so oft er die Buchläden visitiren, die Vorräthe konfisziren, die Buch-
händler ins Loch stecken ließ, so eifrig er die Winkeldruckereien und den Hausir¬
handel verfolgte, nimmermehr würde er den bloßen Drucker und Verkäufer
einer aufrührerischen Broschüre zum Tode verurtheilt haben. Hergott ist nicht
der Zensnrstrenge der Reformationszeit zum Opfer gefallen -- der Fall würde,
wie gesagt, einzig in seiner Art dastehen -- sondern er büßte als Nachzügler
der sozialistischen Bewegung, die im Bauernkriege niedergeschlagen worden war
und deren Wiederausbruch die Fürsten mit vereinten Kräften und mit aller
Macht zu verhüten suchten. Es ist gewiß kein Zufall, daß am Sonntag Cantate
1527, also am Tage vor Hergott's Hinrichtung Kurfürst Johann -- Johann
Friedrich nennt Kirchhofs wohl nur in Folge eines Versehens, denn dieser kam
ja erst 1532 zur Regierung --, Herzog Heinrich von Sachsen, Landgraf Phi¬
lipp von Hessen, Graf Gebhard von Mannsfeld, die Grafen von Hoya, An¬
halt und Solms in Leipzig anwesend waren.

Uebrigens scheint dem Unglücklichen wenigstens ein ehrliches Begräbniß ge¬
währt worden zu sein. Unter den Wocheuausgaben in der Woche nach Cantnte
1527 wird in den Leipziger Stadtkassenrechnungen auch der Posten mit auf¬
geführt: "Vom Hergott zu begraben, dem Todtengräber 6 Groschen".

Auf jede,: Fall wird in Zukunft der Name Johannes Hergott nicht zu
übergehen sein, wo die sozialistischen und agrarpolitischen Strömungen der
Reformationszeit zur Sprache kommen.


würde sein ein Ursache des stäten Einzuges des Türken, des unchristlichen Irrthums,
Zwietracht, Aufruhr und Empörung des gemeinen Volks." Auf dem Titelblatte
derselben stehen folgende Verse gedruckt:


Was Luther hat vorgenommen mit seinem Schreiben,
Und N. Pfeifer gehandelt mit seinem Predigen
Und Thomas Münzer mit seinen Bauern angefangen,
Das hat Hans Hergott dnrch sein'n Traum wollen vollbringen.
Solche Früchte kommen aus der lutherischen Schrift,
Noch will man nicht erkennen seine schädliche Gift.

Mit ähnlichen Worten gedenkt er Hergott's in der Schrift selber, und
etwas verändert kehren die Verse auf der 1536 ebenfalls in Leipzig erschienenen
zweiten Auflage wieder. So aber hätte Sylvius nimmermehr über Hergott
schreiben, so hätte er ihn nicht ueben Luther, Münzer und Pfeifer stellen
können, wenn Hergott nur der Drucker und Verbreiter der Schrift gewesen
wäre, wenn die Untersuchung nicht unzweifelhaft ergeben hätte, daß er auch
der Verfasser war.

Der unumstößlichste Beweis aber liegt schließlich doch wohl eben in Her¬
gott's Bestrafung. So scharfe Aufsicht auch Herzog Georg über die Presse in
seinem Lande führte, so oft er auch das Wormser Mandat aufs neue ein¬
schärfte, so oft er die Buchläden visitiren, die Vorräthe konfisziren, die Buch-
händler ins Loch stecken ließ, so eifrig er die Winkeldruckereien und den Hausir¬
handel verfolgte, nimmermehr würde er den bloßen Drucker und Verkäufer
einer aufrührerischen Broschüre zum Tode verurtheilt haben. Hergott ist nicht
der Zensnrstrenge der Reformationszeit zum Opfer gefallen — der Fall würde,
wie gesagt, einzig in seiner Art dastehen — sondern er büßte als Nachzügler
der sozialistischen Bewegung, die im Bauernkriege niedergeschlagen worden war
und deren Wiederausbruch die Fürsten mit vereinten Kräften und mit aller
Macht zu verhüten suchten. Es ist gewiß kein Zufall, daß am Sonntag Cantate
1527, also am Tage vor Hergott's Hinrichtung Kurfürst Johann — Johann
Friedrich nennt Kirchhofs wohl nur in Folge eines Versehens, denn dieser kam
ja erst 1532 zur Regierung —, Herzog Heinrich von Sachsen, Landgraf Phi¬
lipp von Hessen, Graf Gebhard von Mannsfeld, die Grafen von Hoya, An¬
halt und Solms in Leipzig anwesend waren.

Uebrigens scheint dem Unglücklichen wenigstens ein ehrliches Begräbniß ge¬
währt worden zu sein. Unter den Wocheuausgaben in der Woche nach Cantnte
1527 wird in den Leipziger Stadtkassenrechnungen auch der Posten mit auf¬
geführt: „Vom Hergott zu begraben, dem Todtengräber 6 Groschen".

Auf jede,: Fall wird in Zukunft der Name Johannes Hergott nicht zu
übergehen sein, wo die sozialistischen und agrarpolitischen Strömungen der
Reformationszeit zur Sprache kommen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/485>, abgerufen am 20.10.2024.