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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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ligt. Er wurde in Marsala Kapitain, in Calatafini Obrij'tUeutenant, in Pa¬
lermo Oberst. In irgend einem Treffen soll er Garibaldi das Leben gerettet
haben. Zu dichterischer Arbeit ist Nievo kaum mehr gekommen. Das einzige
poetische Produkt, das er dem Feldzug von 1859 dankte, war ein Bändchen
Gedichte, "^.irwri (ZW'idMini" (Mailand 1859). Dem Frieden von Villa-
frcmcci widmete er die Broschüre "VenWia s 1a lidsrta ä'Italia" die ebenso
maßvoll in ihrem politischen Takt als patriotisch begeistert geschrieben sein soll.
Auch diese Schriften Nievo's sind so gut wie verschollen.

Rastlos, als habe er eine Ahnung von dem kurzen Ziel seines Lebens ge¬
habt, widmete er sich dagegen seiner patriotischen Pflichterfüllung. Mit der Ein¬
nahme von Capra waren die Freiwilligen Garibaldi's verabschiedet worden;
wenige Monate Ruhe und Erholung genoß da Nievo in Mailand. Aber noch
vor Schluß des Jahres 1860 eilte er wieder nach Sizilien, um die Rechen¬
schaftsberichte der Garibaldischen Verwaltung, deren Vice-Intendant Nievo
gewesen, zu ordnen und abzuschließen. Er arbeitete rastlos, mit Aufopferung
seiner Gesundheit an diesem Abschluß. Und sowie die Arbeit gethan war,
schiffte er sich, trotz aller Warnungen seiner Freunde am 4. März 1861 mit
dem gebrechlichen alten Dampfer Ercole in Messina ein, um seiner Mutter
und einer in der Heimath seiner harrenden heimlichen Verlobten in die Arme
zu eilen und -- ertrank Angesichts der Bucht von Neapel.


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lautet die Ueberschrift einer rührenden Todtenklage, die Bernardo Zendrini
dem frühgestorbenen Genossen darbrachte. Einen Augenblick durchzitterte der
Schmerz über den Verlust des vielversprechenden jungen Mannes das ganze
frühlingsfrohe Italien. Dann aber beanspruchte der Lebende sein Recht.

Heute ist Jppolito Nievo sast vergessen in seiner Heimath. Einige aka¬
demische Gedächtnißreden, sechs Seiten biographische Notizen vor Lemvnniers
Ausgabe seines nachgelassenen Romans "Bekenntnisse eines Achtzigjährigen"
und eine kurze Notiz von Angelo de Gubernatis in der Deutschen Rundschau
vom September 1877, daß man den zuletzt genannten Roman Nievo's "immer
mit Rührung lesen werde" -- das ist Alles, was Italien bisher für einen
Dichter gethan hat, der fein Leben für sein Vaterland eingesetzt und mit den
achtundzwanzig Jahren, die ihm als Lebensziel beschieden waren, eine Vollen¬
dung des literarischen Schaffens erreicht hatte, die keinem der Nachfolgenden
beschieden war, die Nievo an die Seite Manzoni's und Giusti's und theil¬
weise sogar über diese stellt.

Paul Heyse verfolgt die Schöpfungen Nievo's, soweit diese erhalten
sind, in der Vorrede zum ersten Bande der vorliegenden Sammlung italie¬
nischer Novellisten eingehender, um dieses Urtheil zu begründen. Wir können


ligt. Er wurde in Marsala Kapitain, in Calatafini Obrij'tUeutenant, in Pa¬
lermo Oberst. In irgend einem Treffen soll er Garibaldi das Leben gerettet
haben. Zu dichterischer Arbeit ist Nievo kaum mehr gekommen. Das einzige
poetische Produkt, das er dem Feldzug von 1859 dankte, war ein Bändchen
Gedichte, „^.irwri (ZW'idMini" (Mailand 1859). Dem Frieden von Villa-
frcmcci widmete er die Broschüre „VenWia s 1a lidsrta ä'Italia" die ebenso
maßvoll in ihrem politischen Takt als patriotisch begeistert geschrieben sein soll.
Auch diese Schriften Nievo's sind so gut wie verschollen.

Rastlos, als habe er eine Ahnung von dem kurzen Ziel seines Lebens ge¬
habt, widmete er sich dagegen seiner patriotischen Pflichterfüllung. Mit der Ein¬
nahme von Capra waren die Freiwilligen Garibaldi's verabschiedet worden;
wenige Monate Ruhe und Erholung genoß da Nievo in Mailand. Aber noch
vor Schluß des Jahres 1860 eilte er wieder nach Sizilien, um die Rechen¬
schaftsberichte der Garibaldischen Verwaltung, deren Vice-Intendant Nievo
gewesen, zu ordnen und abzuschließen. Er arbeitete rastlos, mit Aufopferung
seiner Gesundheit an diesem Abschluß. Und sowie die Arbeit gethan war,
schiffte er sich, trotz aller Warnungen seiner Freunde am 4. März 1861 mit
dem gebrechlichen alten Dampfer Ercole in Messina ein, um seiner Mutter
und einer in der Heimath seiner harrenden heimlichen Verlobten in die Arme
zu eilen und — ertrank Angesichts der Bucht von Neapel.


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lautet die Ueberschrift einer rührenden Todtenklage, die Bernardo Zendrini
dem frühgestorbenen Genossen darbrachte. Einen Augenblick durchzitterte der
Schmerz über den Verlust des vielversprechenden jungen Mannes das ganze
frühlingsfrohe Italien. Dann aber beanspruchte der Lebende sein Recht.

Heute ist Jppolito Nievo sast vergessen in seiner Heimath. Einige aka¬
demische Gedächtnißreden, sechs Seiten biographische Notizen vor Lemvnniers
Ausgabe seines nachgelassenen Romans „Bekenntnisse eines Achtzigjährigen"
und eine kurze Notiz von Angelo de Gubernatis in der Deutschen Rundschau
vom September 1877, daß man den zuletzt genannten Roman Nievo's „immer
mit Rührung lesen werde" — das ist Alles, was Italien bisher für einen
Dichter gethan hat, der fein Leben für sein Vaterland eingesetzt und mit den
achtundzwanzig Jahren, die ihm als Lebensziel beschieden waren, eine Vollen¬
dung des literarischen Schaffens erreicht hatte, die keinem der Nachfolgenden
beschieden war, die Nievo an die Seite Manzoni's und Giusti's und theil¬
weise sogar über diese stellt.

Paul Heyse verfolgt die Schöpfungen Nievo's, soweit diese erhalten
sind, in der Vorrede zum ersten Bande der vorliegenden Sammlung italie¬
nischer Novellisten eingehender, um dieses Urtheil zu begründen. Wir können


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/439>, abgerufen am 27.09.2024.