Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.ehende Staatsbehörde gewesen, er bildete die den König in allen wichtigen Kaum war nämlich das Gesetz über das Staatsministerium erlassen, so ehende Staatsbehörde gewesen, er bildete die den König in allen wichtigen Kaum war nämlich das Gesetz über das Staatsministerium erlassen, so <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0040" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139333"/> <p xml:id="ID_125" prev="#ID_124"> ehende Staatsbehörde gewesen, er bildete die den König in allen wichtigen<lb/> Angelegenheiten, namentlich in allen Fragen der Gesetzgebung berathende Be¬<lb/> hörde, ohne deren „Anhörung" kein Gesetz und keine Verordnung erlassen werden<lb/> konnte, er vermittelte serner den Verkehr zwischen der Krone und den Ständen,<lb/> er bildete die oberste Verwaltungsjustizbehörde und hatte als solcher über die<lb/> Beschwerden gegen die Verfügungen der einzelnen Ministerien zu entscheiden:<lb/> namentlich aber sollte er, für den Fall, daß der König einer anderen Kirche<lb/> als der evangelischen zugethan sein sollte, das ganze Kirchenregiment an dessen<lb/> Stelle ausüben. Dieser Geheimerath war gewiß vom Standpunkte der konsti¬<lb/> tutionellen Doktrin eine Anomalie; selbst unverantwortlich — als Berather<lb/> der Krone durch die UnVerantwortlichkeit der letzteren gedeckt, als oberster Ver¬<lb/> waltungsgerichtshof mit richterlichen Funktionen bekleidet — paralisirte er<lb/> thatsächlich jede Ministerverantwortlichkeit. Wie leicht konnte sich eine dem<lb/> Ministerium feindliche Partei in demselben festsetzen, die Gesetzesvorlagen der<lb/> Minister abändern, welche dann letztere dennoch als Vorlagen der Regierung<lb/> vor den Ständen vertreten sollten! Handelte es sich vollends — seit der Er¬<lb/> richtung des Reichs — darum, die württembergischen Werteter im Bundesrath<lb/> zu instruireu, welche Verlegenheiten könnte eine solche Behörde dem leitenden<lb/> Minister sowohl sachlich als durch Verschleppung der Beschlußfassung bereiten?<lb/> Genug, Herr v. Mittnacht entschloß sich, die Argumente der liberalen Doktrin,<lb/> welche längst die Abschaffung des Geheimenraths verlangte, sich anzueignen,<lb/> um damit die letzten Schranken seiner Macht niederzureißen. Das erwähnte<lb/> Gesetz über die Bildung des Staatsministeriums sollte zunächst der Geheimen-<lb/> rath seine Funktionen als Berather der Krone, sowie seinen Geschäftskreis in<lb/> allen ständischen und in allen Angelegenheiten, welche die Beziehungen zum<lb/> deutschen Reich betreffen, abnehmen und Beides dem Staatsministerium über¬<lb/> tragen. Ein weiteres Gesetz über die Einführung des Verwaltungsgerichtshofs,<lb/> welches noch vor Erlassung der Reichsjustitzgesetze mit einer für den außen<lb/> Stehenden kaum verständlichen Hast beschleunigt wurde, sollte dann den Ge-<lb/> heimenrath auch feiner Funktionen als oberster Verwaltungsjustizbehörde ent¬<lb/> kleiden. Damit war dieselbe dann völlig aufgeleimt, ein inhaltsloser Name<lb/> mit einigen altwürttembergischen Reminiscenzen. Es gelang denn auch zunächst<lb/> ohne Anstand, das erstere Gesetz durchzuringen, da mit sachlichen Gründen-<lb/> kaum dagegen zu operiren war, und gerade die liberalen Elemente durch frühere<lb/> Erklärungen engagirt waren. Um so mehr machten sich in der Zwischenzeit<lb/> bis zur Berathung des zweiten Gesetzes persönliche Erwüguugen geltend.</p><lb/> <p xml:id="ID_126" next="#ID_127"> Kaum war nämlich das Gesetz über das Staatsministerium erlassen, so<lb/> kam es den betheiligten Kreisen erst recht zum Bewußtsein, daß die übrigen<lb/> Minister jetzt auch formell zu dem neuen Oberminister in ein Abhüngigkeits-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0040]
ehende Staatsbehörde gewesen, er bildete die den König in allen wichtigen
Angelegenheiten, namentlich in allen Fragen der Gesetzgebung berathende Be¬
hörde, ohne deren „Anhörung" kein Gesetz und keine Verordnung erlassen werden
konnte, er vermittelte serner den Verkehr zwischen der Krone und den Ständen,
er bildete die oberste Verwaltungsjustizbehörde und hatte als solcher über die
Beschwerden gegen die Verfügungen der einzelnen Ministerien zu entscheiden:
namentlich aber sollte er, für den Fall, daß der König einer anderen Kirche
als der evangelischen zugethan sein sollte, das ganze Kirchenregiment an dessen
Stelle ausüben. Dieser Geheimerath war gewiß vom Standpunkte der konsti¬
tutionellen Doktrin eine Anomalie; selbst unverantwortlich — als Berather
der Krone durch die UnVerantwortlichkeit der letzteren gedeckt, als oberster Ver¬
waltungsgerichtshof mit richterlichen Funktionen bekleidet — paralisirte er
thatsächlich jede Ministerverantwortlichkeit. Wie leicht konnte sich eine dem
Ministerium feindliche Partei in demselben festsetzen, die Gesetzesvorlagen der
Minister abändern, welche dann letztere dennoch als Vorlagen der Regierung
vor den Ständen vertreten sollten! Handelte es sich vollends — seit der Er¬
richtung des Reichs — darum, die württembergischen Werteter im Bundesrath
zu instruireu, welche Verlegenheiten könnte eine solche Behörde dem leitenden
Minister sowohl sachlich als durch Verschleppung der Beschlußfassung bereiten?
Genug, Herr v. Mittnacht entschloß sich, die Argumente der liberalen Doktrin,
welche längst die Abschaffung des Geheimenraths verlangte, sich anzueignen,
um damit die letzten Schranken seiner Macht niederzureißen. Das erwähnte
Gesetz über die Bildung des Staatsministeriums sollte zunächst der Geheimen-
rath seine Funktionen als Berather der Krone, sowie seinen Geschäftskreis in
allen ständischen und in allen Angelegenheiten, welche die Beziehungen zum
deutschen Reich betreffen, abnehmen und Beides dem Staatsministerium über¬
tragen. Ein weiteres Gesetz über die Einführung des Verwaltungsgerichtshofs,
welches noch vor Erlassung der Reichsjustitzgesetze mit einer für den außen
Stehenden kaum verständlichen Hast beschleunigt wurde, sollte dann den Ge-
heimenrath auch feiner Funktionen als oberster Verwaltungsjustizbehörde ent¬
kleiden. Damit war dieselbe dann völlig aufgeleimt, ein inhaltsloser Name
mit einigen altwürttembergischen Reminiscenzen. Es gelang denn auch zunächst
ohne Anstand, das erstere Gesetz durchzuringen, da mit sachlichen Gründen-
kaum dagegen zu operiren war, und gerade die liberalen Elemente durch frühere
Erklärungen engagirt waren. Um so mehr machten sich in der Zwischenzeit
bis zur Berathung des zweiten Gesetzes persönliche Erwüguugen geltend.
Kaum war nämlich das Gesetz über das Staatsministerium erlassen, so
kam es den betheiligten Kreisen erst recht zum Bewußtsein, daß die übrigen
Minister jetzt auch formell zu dem neuen Oberminister in ein Abhüngigkeits-
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