Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.Die Mpjwaljlen der Vergangenheit. Von Dr. R. Schoener in Rom. II. Bonghi theilt die Geschichte der Konklave in den sechs letzten Jahrhun¬ Mit Sixtus IV. 1471 beginnt die zweite Periode. Dieselbe ist charak- Alexander VI., der Kardinal Borgia, der lasterhafte Vater der noch laster¬ Grenzboten 1. 1878. 49
Die Mpjwaljlen der Vergangenheit. Von Dr. R. Schoener in Rom. II. Bonghi theilt die Geschichte der Konklave in den sechs letzten Jahrhun¬ Mit Sixtus IV. 1471 beginnt die zweite Periode. Dieselbe ist charak- Alexander VI., der Kardinal Borgia, der lasterhafte Vater der noch laster¬ Grenzboten 1. 1878. 49
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0393" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139686"/> </div> <div n="1"> <head> Die Mpjwaljlen der Vergangenheit.<lb/> Von Dr. R. Schoener in Rom.<lb/> II.</head><lb/> <p xml:id="ID_1194"> Bonghi theilt die Geschichte der Konklave in den sechs letzten Jahrhun¬<lb/> derten nach den im Kardinalskollegium vorherrschenden auf den Geist der Zeit<lb/> gegründeten Einflüssen in sechs Perioden ein. Die erste reicht von Gregor X.<lb/> bis auf Paul II., d. h. von 1271—1471 und ist gekennzeichnet, wie wir ge¬<lb/> sehen haben, theils durch deu Kampf der doppelten Kardinalskollegien gegen¬<lb/> einander und durch unmittelbaren Einfluß eines nicht nichtitalienischen Souve¬<lb/> räns, theils durch die Bestrebungen zur Erlangung einer sicheren Wahlform<lb/> und zur Befreiung der Wahl und des Gewählten von jedem weltlichen Einfluß.</p><lb/> <p xml:id="ID_1195"> Mit Sixtus IV. 1471 beginnt die zweite Periode. Dieselbe ist charak-<lb/> terisirt durch das Vorwalten politischer Tendenzen sowohl in den Inhabern<lb/> des Heiligen Stuhles als in den Wahlen, welche insofern auch von partikularen<lb/> und Familien-Interessen durchkreuzt werden, als die Päpste ihre Anverwand¬<lb/> ten auf die Fürstenthrone Italiens zu bringen, oder neue für sie zu schaffen<lb/> suchen, ein Vorgehen, welches den wirksameren päpstlichen Einfluß auf die<lb/> europäische Politik anbahnte, der bis auf Sixtus dauerte. Neben den alten<lb/> römischen Familien der Orsini, Colonna, Gaetani glänzen die neueren der<lb/> Cibo, Rovere, Borgia, Medici, die alle ihre Vertreter im Kardinalskollegium<lb/> haben. Dort arbeitet und wirkt Jeder auf eigene Faust für seine Familien¬<lb/> interessen, und die Kirchenoberhäupter, welche aus den acht Konklaven dieser<lb/> Periode hervorgegangen sind, haben zumeist mehr an ihr Geschlecht als an<lb/> die Kirche gedacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_1196" next="#ID_1197"> Alexander VI., der Kardinal Borgia, der lasterhafte Vater der noch laster¬<lb/> hafteren Sprößlinge Caesar und Lucrezia, hatte den Stuhl Petri durch einen<lb/> schmachvollen Geldhandel erkauft (1492). — Julius II. nahm daraus Veran^<lb/> lassung 1506 eine Bulle zu erlassen, welche in den heftigsten und verdammend-<lb/> sten Ausdrücken eine ähnliche Ernennung für ungiltig erklärte. Ein durch Si¬<lb/> monie befleckter Papst solle, auch wenn er einstimmig gewählt sei, nie aner¬<lb/> kannt, als ein Ketzerfürst betrachtet und als aller Ehren und Würdigung be¬<lb/> raubt angesehen werden. Weder die Krönung und Anbetung noch die Unter¬<lb/> werfung der Kardinäle und die Dauer der Regierung solle ihn legitimiren.<lb/> Bischöfe, Klerus und Volk sollten ihm den Gehorsam versagen. — Es war<lb/> wieder eine gut gemeinte und rin allem möglichen Ernst erlassene Verordnung.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten 1. 1878. 49</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0393]
Die Mpjwaljlen der Vergangenheit.
Von Dr. R. Schoener in Rom.
II.
Bonghi theilt die Geschichte der Konklave in den sechs letzten Jahrhun¬
derten nach den im Kardinalskollegium vorherrschenden auf den Geist der Zeit
gegründeten Einflüssen in sechs Perioden ein. Die erste reicht von Gregor X.
bis auf Paul II., d. h. von 1271—1471 und ist gekennzeichnet, wie wir ge¬
sehen haben, theils durch deu Kampf der doppelten Kardinalskollegien gegen¬
einander und durch unmittelbaren Einfluß eines nicht nichtitalienischen Souve¬
räns, theils durch die Bestrebungen zur Erlangung einer sicheren Wahlform
und zur Befreiung der Wahl und des Gewählten von jedem weltlichen Einfluß.
Mit Sixtus IV. 1471 beginnt die zweite Periode. Dieselbe ist charak-
terisirt durch das Vorwalten politischer Tendenzen sowohl in den Inhabern
des Heiligen Stuhles als in den Wahlen, welche insofern auch von partikularen
und Familien-Interessen durchkreuzt werden, als die Päpste ihre Anverwand¬
ten auf die Fürstenthrone Italiens zu bringen, oder neue für sie zu schaffen
suchen, ein Vorgehen, welches den wirksameren päpstlichen Einfluß auf die
europäische Politik anbahnte, der bis auf Sixtus dauerte. Neben den alten
römischen Familien der Orsini, Colonna, Gaetani glänzen die neueren der
Cibo, Rovere, Borgia, Medici, die alle ihre Vertreter im Kardinalskollegium
haben. Dort arbeitet und wirkt Jeder auf eigene Faust für seine Familien¬
interessen, und die Kirchenoberhäupter, welche aus den acht Konklaven dieser
Periode hervorgegangen sind, haben zumeist mehr an ihr Geschlecht als an
die Kirche gedacht.
Alexander VI., der Kardinal Borgia, der lasterhafte Vater der noch laster¬
hafteren Sprößlinge Caesar und Lucrezia, hatte den Stuhl Petri durch einen
schmachvollen Geldhandel erkauft (1492). — Julius II. nahm daraus Veran^
lassung 1506 eine Bulle zu erlassen, welche in den heftigsten und verdammend-
sten Ausdrücken eine ähnliche Ernennung für ungiltig erklärte. Ein durch Si¬
monie befleckter Papst solle, auch wenn er einstimmig gewählt sei, nie aner¬
kannt, als ein Ketzerfürst betrachtet und als aller Ehren und Würdigung be¬
raubt angesehen werden. Weder die Krönung und Anbetung noch die Unter¬
werfung der Kardinäle und die Dauer der Regierung solle ihn legitimiren.
Bischöfe, Klerus und Volk sollten ihm den Gehorsam versagen. — Es war
wieder eine gut gemeinte und rin allem möglichen Ernst erlassene Verordnung.
Grenzboten 1. 1878. 49
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |