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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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erklärt, und wird sich auch schwerlich gegen mich erklären können, weil unser
Stand sehr verschieden ist. Aber ohne sie kann ich durchaus nicht glücklich
sein. Ich beschwöre Sie bei dem Schatten Milton's: machen Sie mich glück¬
lich, mein Bodmer! wenn es Ihnen möglich ist."

"Klopstock", schreibt Bodmer 11. Sept. 1748 an Gleim, "ist ver¬
urtheilt, ein inMioPilinr ckomsstien in zu sein; alles Glück, dem er entgegen
sehen darf, besteht in einem Predigerdienst auf dem Lande. In England wäre
sein Glück gemacht: entweder hätte ihn ein reiches Frauenzimmer ans bloßer
Hochachtung für seine Poesie geehelicht, oder der Messias hätte ihm etliche
tausend Pfund Sterling zugeworfen ... Ich habe von ihm eine Ode auf ein
Frauenzimmer gesehen, welche der Messias selbst ohne Uebelstand Hütte schreiben
können, wenn er verliebt gewesen wäre. Klopstocks Poesie hat keine Vorgänger
gehabt, es wären denn Milton, die Propheten und Pindar . . . Doch fürchte
ich, daß der Messias in der Krippe liegen bleibe, wenn sein Poet nicht in
glücklichere Umstände gesetzt wird."

"Die Schmerzen der Liebe", schreibt Klopstock 8. Okt. 1748 an seine
Freunde Cramer und Schlegel, "sind jetzt zu einer Höhe gestiegen, daß es
mir vorkommt, als wenn ich sie ruhiger ertrage, weil sie durch ihre Größe
meiner würdig geworden sind. Wie freudig und heilig ist eine Seele, die
leidet und groß bleibt.. Das ist etwas recht Verwundersames und Ehrwürdiges,
eine Seele, die die Schmerzen einer so zärtlichen Liebe liebt. O mein Gott,
was hat sie da für Gedanken! -- Ich habe noch keine Hoffnung, dnrch diese
Liebe glücklich zu sein. Aber in manchen Stunden, wenn ich recht süß träume,
bezeugt mir mein Herz, daß ich geliebt werde- Meine göttliche Daphne ver¬
steht die kleinsten Wendungen meines Herzens, anch da, wenn sie kaum zu
Stimmen werden. Mich däucht, da ich einmal an ihrer Hand weinte, habe
ich sie zittern sehn . . . Ich fühle einen unwiderstehlichen Hang meines Her¬
zens, dies göttliche Mädchen ewig zu lieben, wenn sie mich auch nicht wieder
liebt. Und entweder ein unaussprechliches Glück, oder eine immerwährende
Wehmuth wird mein ganzes Leben beschäftigen.

Auch darin suchte ihm Bodmer zu Hülfe zu kommen. 5. Okt. schickte
er ihm den folgenden Brief, um ihn Fanny zu übergeben. "Ich kenne Sie
nicht weiter, als daß ich weiß, daß der Poet des Messias Sie zur Vertrauten
und Richterin seines Werkes gemacht hat. Das ist genug, mir einen untrüg¬
lichen Begriff von Ihren Tugenden zu machen. Die geringste Sache kann
mir nicht gleichgültig sein, welche den Messias angeht; wie sollte mir gleich¬
gültig sein, was für eine Person der Dichter zu seiner irdischen Muse bei
dem Werk der Erlösung gewählthat. Ein ehrfurchtsvoller Schauer
überfällt mich, wenn ich gedenke, was für eine herrliche Rolle das Schicksal,


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erklärt, und wird sich auch schwerlich gegen mich erklären können, weil unser
Stand sehr verschieden ist. Aber ohne sie kann ich durchaus nicht glücklich
sein. Ich beschwöre Sie bei dem Schatten Milton's: machen Sie mich glück¬
lich, mein Bodmer! wenn es Ihnen möglich ist."

„Klopstock", schreibt Bodmer 11. Sept. 1748 an Gleim, „ist ver¬
urtheilt, ein inMioPilinr ckomsstien in zu sein; alles Glück, dem er entgegen
sehen darf, besteht in einem Predigerdienst auf dem Lande. In England wäre
sein Glück gemacht: entweder hätte ihn ein reiches Frauenzimmer ans bloßer
Hochachtung für seine Poesie geehelicht, oder der Messias hätte ihm etliche
tausend Pfund Sterling zugeworfen ... Ich habe von ihm eine Ode auf ein
Frauenzimmer gesehen, welche der Messias selbst ohne Uebelstand Hütte schreiben
können, wenn er verliebt gewesen wäre. Klopstocks Poesie hat keine Vorgänger
gehabt, es wären denn Milton, die Propheten und Pindar . . . Doch fürchte
ich, daß der Messias in der Krippe liegen bleibe, wenn sein Poet nicht in
glücklichere Umstände gesetzt wird."

„Die Schmerzen der Liebe", schreibt Klopstock 8. Okt. 1748 an seine
Freunde Cramer und Schlegel, „sind jetzt zu einer Höhe gestiegen, daß es
mir vorkommt, als wenn ich sie ruhiger ertrage, weil sie durch ihre Größe
meiner würdig geworden sind. Wie freudig und heilig ist eine Seele, die
leidet und groß bleibt.. Das ist etwas recht Verwundersames und Ehrwürdiges,
eine Seele, die die Schmerzen einer so zärtlichen Liebe liebt. O mein Gott,
was hat sie da für Gedanken! — Ich habe noch keine Hoffnung, dnrch diese
Liebe glücklich zu sein. Aber in manchen Stunden, wenn ich recht süß träume,
bezeugt mir mein Herz, daß ich geliebt werde- Meine göttliche Daphne ver¬
steht die kleinsten Wendungen meines Herzens, anch da, wenn sie kaum zu
Stimmen werden. Mich däucht, da ich einmal an ihrer Hand weinte, habe
ich sie zittern sehn . . . Ich fühle einen unwiderstehlichen Hang meines Her¬
zens, dies göttliche Mädchen ewig zu lieben, wenn sie mich auch nicht wieder
liebt. Und entweder ein unaussprechliches Glück, oder eine immerwährende
Wehmuth wird mein ganzes Leben beschäftigen.

Auch darin suchte ihm Bodmer zu Hülfe zu kommen. 5. Okt. schickte
er ihm den folgenden Brief, um ihn Fanny zu übergeben. „Ich kenne Sie
nicht weiter, als daß ich weiß, daß der Poet des Messias Sie zur Vertrauten
und Richterin seines Werkes gemacht hat. Das ist genug, mir einen untrüg¬
lichen Begriff von Ihren Tugenden zu machen. Die geringste Sache kann
mir nicht gleichgültig sein, welche den Messias angeht; wie sollte mir gleich¬
gültig sein, was für eine Person der Dichter zu seiner irdischen Muse bei
dem Werk der Erlösung gewählthat. Ein ehrfurchtsvoller Schauer
überfällt mich, wenn ich gedenke, was für eine herrliche Rolle das Schicksal,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/385>, abgerufen am 18.01.2025.