Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.fasser nicht in hohem Maße eigen zu sein; einen sehr befremdlichen Eindruck macht Wir wollen der Niese'schen Schrift keineswegs allen Werth absprechen, Die Ausstattung ist eine glänzende und gereicht Verlag und Druckerei 2. Die kirchliche und theologische Richtung der Gegenwart, welche durch Grenzboten I. 187S. 43
fasser nicht in hohem Maße eigen zu sein; einen sehr befremdlichen Eindruck macht Wir wollen der Niese'schen Schrift keineswegs allen Werth absprechen, Die Ausstattung ist eine glänzende und gereicht Verlag und Druckerei 2. Die kirchliche und theologische Richtung der Gegenwart, welche durch Grenzboten I. 187S. 43
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0345" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139638"/> <p xml:id="ID_993" prev="#ID_992"> fasser nicht in hohem Maße eigen zu sein; einen sehr befremdlichen Eindruck macht<lb/> die Berechnung der Jahre des Aufenthals des Apostels in Ephesus. Es wird<lb/> uns aus der alexandrinischen Chronik berichtet, daß Johannes neun Jahre in<lb/> Ephesus geblieben sei, dann fünfzehn Jahre in der Verbannung auf Palaos<lb/> zugebracht und, nach Ephesus zurückgekehrt, daselbst noch sechs und zwanzig<lb/> Jahre gelebt habe, und dann fährt der Verfasser fort: „Darnach würde er,<lb/> den Aufenthalt auf Palaos mit eingeschlossen, volle fünfzig Jahre seines Lebens<lb/> in Ephesus verweilt und gewirkt haben." (S. 55). Eine etwas naive Auf¬<lb/> fassung! — Unerwähnt können wir anch nicht eine Flüchtigkeit lassen, die dein<lb/> Verfasser nicht hätte widerfahren dürfen. S. 77 steht „Diocletian" statt<lb/> „Domitian."</p><lb/> <p xml:id="ID_994"> Wir wollen der Niese'schen Schrift keineswegs allen Werth absprechen,<lb/> aber daß ihr die Bemerkung vorangestellt ist: „Uebersetzungsrecht vorbehalten"<lb/> erregt Erwartungen, hinter denen sie weit zurückbleibt.</p><lb/> <p xml:id="ID_995"> Die Ausstattung ist eine glänzende und gereicht Verlag und Druckerei<lb/> zur Ehre.</p><lb/> <p xml:id="ID_996" next="#ID_997"> 2. Die kirchliche und theologische Richtung der Gegenwart, welche durch<lb/> die Bestrebungen des Protestantenvereins charakterisirt wird, ist keineswegs<lb/> eine in sich einige, wenn es sich um die Frage handelt, welches die religiöse<lb/> Position sei, die sie einnehme. Geschlossen im Kampf gegen die konservativen<lb/> Fraktionen innerhalb der evangelischen Kirche, geht sie auseinander, auch in<lb/> fundamentalen Lehrstücken, sobald sie den Inhalt des christlichen Glaubens<lb/> bestimmen soll. Abgesehen von geringeren Unterschieden, können wir drei<lb/> wesentlich entgegengesetzte Gruppen in dieser Partei wahrnehmen; eine speku¬<lb/> lative, die pantheistische Elemente in sich aufgenommen hat; eine andre, welche<lb/> theils an Schleiermacher, theils an Kant anknüpft; eine dritte endlich, welche<lb/> den früheren Rationalismus, wie er am Ende des vorigen und im Beginn des<lb/> gegenwärtigen Jahrhunderts in Deutschland herrschte, wiederherzustellen sucht,<lb/> selbstverständlich unter einigen Modifikationen. Zu dieser dritten Gruppe gehört<lb/> der Verfasser unseres Buches. Und wer den von ihm gewählten Standpunkt<lb/> theilt, wird in seiner Arbeit Befriedigung finden können. Das Buch ist sehr<lb/> glatt geschrieben, geschmackvoll gewählte Zitate aus Dichtern, Theologen und<lb/> Philosophen, Naturforschern und Geschichtschreibern sind in die Darstellung<lb/> verflochten, und Wärme der Empfindung durchdringt sie und theilt sich un¬<lb/> willkürlich dem Leser mit. Wenn das Werk den Referenten schließlich doch<lb/> nicht befriedigt hat, so liegt das eben an der theologischen Stellung des Ver¬<lb/> fassers. Der alte Rationalismus hat die Macht verlieren müssen, über die<lb/> er einst verfügte, weil er den tieferen Bedürfnissen des christlichen Bewußtseins<lb/> nicht zu genügen vermochte. Er hat in der neuen Gewandung keine neuen</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 187S. 43</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0345]
fasser nicht in hohem Maße eigen zu sein; einen sehr befremdlichen Eindruck macht
die Berechnung der Jahre des Aufenthals des Apostels in Ephesus. Es wird
uns aus der alexandrinischen Chronik berichtet, daß Johannes neun Jahre in
Ephesus geblieben sei, dann fünfzehn Jahre in der Verbannung auf Palaos
zugebracht und, nach Ephesus zurückgekehrt, daselbst noch sechs und zwanzig
Jahre gelebt habe, und dann fährt der Verfasser fort: „Darnach würde er,
den Aufenthalt auf Palaos mit eingeschlossen, volle fünfzig Jahre seines Lebens
in Ephesus verweilt und gewirkt haben." (S. 55). Eine etwas naive Auf¬
fassung! — Unerwähnt können wir anch nicht eine Flüchtigkeit lassen, die dein
Verfasser nicht hätte widerfahren dürfen. S. 77 steht „Diocletian" statt
„Domitian."
Wir wollen der Niese'schen Schrift keineswegs allen Werth absprechen,
aber daß ihr die Bemerkung vorangestellt ist: „Uebersetzungsrecht vorbehalten"
erregt Erwartungen, hinter denen sie weit zurückbleibt.
Die Ausstattung ist eine glänzende und gereicht Verlag und Druckerei
zur Ehre.
2. Die kirchliche und theologische Richtung der Gegenwart, welche durch
die Bestrebungen des Protestantenvereins charakterisirt wird, ist keineswegs
eine in sich einige, wenn es sich um die Frage handelt, welches die religiöse
Position sei, die sie einnehme. Geschlossen im Kampf gegen die konservativen
Fraktionen innerhalb der evangelischen Kirche, geht sie auseinander, auch in
fundamentalen Lehrstücken, sobald sie den Inhalt des christlichen Glaubens
bestimmen soll. Abgesehen von geringeren Unterschieden, können wir drei
wesentlich entgegengesetzte Gruppen in dieser Partei wahrnehmen; eine speku¬
lative, die pantheistische Elemente in sich aufgenommen hat; eine andre, welche
theils an Schleiermacher, theils an Kant anknüpft; eine dritte endlich, welche
den früheren Rationalismus, wie er am Ende des vorigen und im Beginn des
gegenwärtigen Jahrhunderts in Deutschland herrschte, wiederherzustellen sucht,
selbstverständlich unter einigen Modifikationen. Zu dieser dritten Gruppe gehört
der Verfasser unseres Buches. Und wer den von ihm gewählten Standpunkt
theilt, wird in seiner Arbeit Befriedigung finden können. Das Buch ist sehr
glatt geschrieben, geschmackvoll gewählte Zitate aus Dichtern, Theologen und
Philosophen, Naturforschern und Geschichtschreibern sind in die Darstellung
verflochten, und Wärme der Empfindung durchdringt sie und theilt sich un¬
willkürlich dem Leser mit. Wenn das Werk den Referenten schließlich doch
nicht befriedigt hat, so liegt das eben an der theologischen Stellung des Ver¬
fassers. Der alte Rationalismus hat die Macht verlieren müssen, über die
er einst verfügte, weil er den tieferen Bedürfnissen des christlichen Bewußtseins
nicht zu genügen vermochte. Er hat in der neuen Gewandung keine neuen
Grenzboten I. 187S. 43
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |