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Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

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gut bewacht und geschützt. Zwar gelang es, bis zum Marktplatz vorzudringen;
aber die Einnahme der höher gelegenen Stadttheile stieß auf den hartnäckigsten
Widerstand. Niedergerissene Häuser und Verrammelungen sperrten die Zu¬
gänge; die spartanische Bürgerschaft that Wunder der Tapferkeit und bewies,
wie Xenophon sagt, daß verzweifelnden Menschen Niemand leicht Stand hält.
Epameinondas aber hatte keine Zeit zu verlieren; er mußte gewärtig sein, daß
die starke bei Mantineia gesammelte Armee entweder in Eilmärschen den
Jsthmos überschreite und Theben bedrohe, oder zum Entsatz heranrücke und
ihn unter ungünstigen Umständen zur Schlacht nöthige. Aus diesen Gründen
stand er von weiteren Angriffen ab und wandte sich gegen Mantineia, den
Sammelplatz des Feindes. Durch Wachtfeuer und einen Streifzug die Spar¬
taner täuschend, führte er auf beschwerlichem Nachtmarsch das Heer nach Tegea
zurück. Hier gönnte er dem ermüdeten Fußvolk kurze Rast; da er jedoch die
Nachricht erhielt, daß Mantineia vom Gegner geräumt sei, weil dieser zum
Entsatze Spartas aufgebrochen sei, sandte er einen Theil der Reiterei gleich
weiter vor nach Mantineia. -- Allein auch hier erfuhren die Thebaner die
Ungunst des Schicksals. Eben näherten sich ihre Reitergeschwader der Stadt,
als von der andern Seite attische Kavallerie in dieselbe einrückte. Durch die
Bitten der um ihre Habe besorgten Bürger bewegt, ging diese Truppe den
Thebäern entgegen und schlug sie, wenn auch mit großem Verluste, zurück.
In diesem Reitergefechte blieb Gryllvs, des Tenophon Sohn.

Bald nach der Niederlage jener Reiter zog Epameinondas mit dem Fu߬
volk heran, und nahm die Geschlagenen auf. Seine Truppen waren durch
die vergeblichen Eilmärsche und Mühseligkeiten keineswegs entmuthigt, sondern
folgten freudig ihrem Führer. Namentlich zeigte sich diese Stimmung bei
denjenigen Arkadern, die auf böotischer Seite fochten. Es ist ein glänzendes
Zeugniß für die Feldherrngröße des Epameinondas, daß sie, durch seine Per¬
sönlichkeit gewonnen, selbst Thebaner sein wollten und das böotische Wappen¬
zeichen, die Herakleskeule, auf ihre Schilder setzten. Das ganze Heer des
Epameinondas bereitete sich auf die bevorstehende Schlacht wie zu einem
Feste vor.

Die Peloponnesier, welche des Feindes Abmarsch von Sparta früh er¬
fahren und wieder Kehrt gemacht hatten, trafen fast gleichzeitig ein und ord¬
neten sich, 20,000 Mann zu Fuß und 2000 Reiter, zur Schlacht. Die Thebäer
waren um die Hälfte stärker als jene und so erwartete man bestimmt ihren
Angriff. Doch Epameinondas täuschte den Feind. Durch eine Linksbewegung
in die Berge von Tegea entfernte er sich von ihm und traf Anstalten als
wolle er ein Lager beziehn. Die Peloponnesier meinten nun, daß für heut
keine Schlacht mehr zu erwarten stünde; sie lösten ihre Ordnung auf und die


Grenzboten I. 1878. 39

gut bewacht und geschützt. Zwar gelang es, bis zum Marktplatz vorzudringen;
aber die Einnahme der höher gelegenen Stadttheile stieß auf den hartnäckigsten
Widerstand. Niedergerissene Häuser und Verrammelungen sperrten die Zu¬
gänge; die spartanische Bürgerschaft that Wunder der Tapferkeit und bewies,
wie Xenophon sagt, daß verzweifelnden Menschen Niemand leicht Stand hält.
Epameinondas aber hatte keine Zeit zu verlieren; er mußte gewärtig sein, daß
die starke bei Mantineia gesammelte Armee entweder in Eilmärschen den
Jsthmos überschreite und Theben bedrohe, oder zum Entsatz heranrücke und
ihn unter ungünstigen Umständen zur Schlacht nöthige. Aus diesen Gründen
stand er von weiteren Angriffen ab und wandte sich gegen Mantineia, den
Sammelplatz des Feindes. Durch Wachtfeuer und einen Streifzug die Spar¬
taner täuschend, führte er auf beschwerlichem Nachtmarsch das Heer nach Tegea
zurück. Hier gönnte er dem ermüdeten Fußvolk kurze Rast; da er jedoch die
Nachricht erhielt, daß Mantineia vom Gegner geräumt sei, weil dieser zum
Entsatze Spartas aufgebrochen sei, sandte er einen Theil der Reiterei gleich
weiter vor nach Mantineia. — Allein auch hier erfuhren die Thebaner die
Ungunst des Schicksals. Eben näherten sich ihre Reitergeschwader der Stadt,
als von der andern Seite attische Kavallerie in dieselbe einrückte. Durch die
Bitten der um ihre Habe besorgten Bürger bewegt, ging diese Truppe den
Thebäern entgegen und schlug sie, wenn auch mit großem Verluste, zurück.
In diesem Reitergefechte blieb Gryllvs, des Tenophon Sohn.

Bald nach der Niederlage jener Reiter zog Epameinondas mit dem Fu߬
volk heran, und nahm die Geschlagenen auf. Seine Truppen waren durch
die vergeblichen Eilmärsche und Mühseligkeiten keineswegs entmuthigt, sondern
folgten freudig ihrem Führer. Namentlich zeigte sich diese Stimmung bei
denjenigen Arkadern, die auf böotischer Seite fochten. Es ist ein glänzendes
Zeugniß für die Feldherrngröße des Epameinondas, daß sie, durch seine Per¬
sönlichkeit gewonnen, selbst Thebaner sein wollten und das böotische Wappen¬
zeichen, die Herakleskeule, auf ihre Schilder setzten. Das ganze Heer des
Epameinondas bereitete sich auf die bevorstehende Schlacht wie zu einem
Feste vor.

Die Peloponnesier, welche des Feindes Abmarsch von Sparta früh er¬
fahren und wieder Kehrt gemacht hatten, trafen fast gleichzeitig ein und ord¬
neten sich, 20,000 Mann zu Fuß und 2000 Reiter, zur Schlacht. Die Thebäer
waren um die Hälfte stärker als jene und so erwartete man bestimmt ihren
Angriff. Doch Epameinondas täuschte den Feind. Durch eine Linksbewegung
in die Berge von Tegea entfernte er sich von ihm und traf Anstalten als
wolle er ein Lager beziehn. Die Peloponnesier meinten nun, daß für heut
keine Schlacht mehr zu erwarten stünde; sie lösten ihre Ordnung auf und die


Grenzboten I. 1878. 39
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[0313] gut bewacht und geschützt. Zwar gelang es, bis zum Marktplatz vorzudringen; aber die Einnahme der höher gelegenen Stadttheile stieß auf den hartnäckigsten Widerstand. Niedergerissene Häuser und Verrammelungen sperrten die Zu¬ gänge; die spartanische Bürgerschaft that Wunder der Tapferkeit und bewies, wie Xenophon sagt, daß verzweifelnden Menschen Niemand leicht Stand hält. Epameinondas aber hatte keine Zeit zu verlieren; er mußte gewärtig sein, daß die starke bei Mantineia gesammelte Armee entweder in Eilmärschen den Jsthmos überschreite und Theben bedrohe, oder zum Entsatz heranrücke und ihn unter ungünstigen Umständen zur Schlacht nöthige. Aus diesen Gründen stand er von weiteren Angriffen ab und wandte sich gegen Mantineia, den Sammelplatz des Feindes. Durch Wachtfeuer und einen Streifzug die Spar¬ taner täuschend, führte er auf beschwerlichem Nachtmarsch das Heer nach Tegea zurück. Hier gönnte er dem ermüdeten Fußvolk kurze Rast; da er jedoch die Nachricht erhielt, daß Mantineia vom Gegner geräumt sei, weil dieser zum Entsatze Spartas aufgebrochen sei, sandte er einen Theil der Reiterei gleich weiter vor nach Mantineia. — Allein auch hier erfuhren die Thebaner die Ungunst des Schicksals. Eben näherten sich ihre Reitergeschwader der Stadt, als von der andern Seite attische Kavallerie in dieselbe einrückte. Durch die Bitten der um ihre Habe besorgten Bürger bewegt, ging diese Truppe den Thebäern entgegen und schlug sie, wenn auch mit großem Verluste, zurück. In diesem Reitergefechte blieb Gryllvs, des Tenophon Sohn. Bald nach der Niederlage jener Reiter zog Epameinondas mit dem Fu߬ volk heran, und nahm die Geschlagenen auf. Seine Truppen waren durch die vergeblichen Eilmärsche und Mühseligkeiten keineswegs entmuthigt, sondern folgten freudig ihrem Führer. Namentlich zeigte sich diese Stimmung bei denjenigen Arkadern, die auf böotischer Seite fochten. Es ist ein glänzendes Zeugniß für die Feldherrngröße des Epameinondas, daß sie, durch seine Per¬ sönlichkeit gewonnen, selbst Thebaner sein wollten und das böotische Wappen¬ zeichen, die Herakleskeule, auf ihre Schilder setzten. Das ganze Heer des Epameinondas bereitete sich auf die bevorstehende Schlacht wie zu einem Feste vor. Die Peloponnesier, welche des Feindes Abmarsch von Sparta früh er¬ fahren und wieder Kehrt gemacht hatten, trafen fast gleichzeitig ein und ord¬ neten sich, 20,000 Mann zu Fuß und 2000 Reiter, zur Schlacht. Die Thebäer waren um die Hälfte stärker als jene und so erwartete man bestimmt ihren Angriff. Doch Epameinondas täuschte den Feind. Durch eine Linksbewegung in die Berge von Tegea entfernte er sich von ihm und traf Anstalten als wolle er ein Lager beziehn. Die Peloponnesier meinten nun, daß für heut keine Schlacht mehr zu erwarten stünde; sie lösten ihre Ordnung auf und die Grenzboten I. 1878. 39

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/313>, abgerufen am 20.10.2024.