Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.oben erblickte ich in der Ferne gegen Süden eine Hochebene, die noch bedeutend Es war auch heute meine Absicht, im Freien die Nacht zuzubringen. Ich oben erblickte ich in der Ferne gegen Süden eine Hochebene, die noch bedeutend Es war auch heute meine Absicht, im Freien die Nacht zuzubringen. Ich <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0275" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139568"/> <p xml:id="ID_771" prev="#ID_770"> oben erblickte ich in der Ferne gegen Süden eine Hochebene, die noch bedeutend<lb/> höher lag als die, welche ich heut durchzogen. Auf dieser dritten Stufe des<lb/> Südabhangs des Olympgebirges, bemerkte ich einen See (jetzt Nezero, im<lb/> Alterthum Asknris genannt), von nicht geringer Ausdehnung, mit vielen kleinen<lb/> Felseninseln. Später erfuhr ich, daß er sehr fischreich sei, und von den An¬<lb/> wohnenden mit Kähnen befahren werde. Man sagte mir auch von einer Art<lb/> Krebsen, die darin häufig vorkomme, und die ich nach der Beschreibung für<lb/> unsere Flußkrebse halten mußte, obgleich ich solche nirgend sonst in Griechen¬<lb/> land oder Kleinasien gesehen habe.</p><lb/> <p xml:id="ID_772" next="#ID_773"> Es war auch heute meine Absicht, im Freien die Nacht zuzubringen. Ich<lb/> hatte mir hierzu den Platz unter dem himmelhohen Dach der Silberpappeln<lb/> ausersehen, von denen die eine ein wahrhaft kolossaler Baum war, 42 Fuß<lb/> im Umfang, dabei kerngesund und von entsprechender Höhe und Ausdehnung<lb/> der Zweige. Doch anch diesmal wurde meine Absicht vereitelt. Schon hatte<lb/> ich Feuer anzünden lassen — denn hier aus der Höhe von etwa 4000 Fuß<lb/> ließ sich auf eine ziemlich kalte Nacht rechnen — und es mir häuslich bequem<lb/> gemacht, da trat einer der von der Feldarbeit zurückkehrenden Landleute zu<lb/> mir heran, und bat so dringend und liebenswürdig, bei ihm einzukehren, und<lb/> wußte so wohl alle meine Einwände zu beseitigen, daß ich mich doch entschloß,<lb/> seine Einladung anzunehmen. Wir zogen also nach dem nicht weit entfernten<lb/> Dorfe Karia hinauf, das in einem schönen Thale unter den südlichen Gipfeln<lb/> des Olymp liegt. Ich fand ein gut gebautes Haus, und sah, daß ich bei<lb/> einem wohlhabenden und angesehenen Manne des Dorfes eingekehrt war, das<lb/> durchaus nicht jenen Charakter der Fäulniß und des Zerfalls an sich trug,<lb/> wie Tsaritzcmi, sondern mit seinen in bester Ordnung befindlichen hübschen<lb/> Häusern und Gärten von einem gewissen Wohlstande zeugte. Auf einer luf¬<lb/> tigen, reinlichen, auch hier mit einem Dach überbauten Terasse, einer Vorhalle<lb/> des Hauses, wurden dicke braune wollene Decken — ein Produkt dieser<lb/> Gegend — als Teppiche ausgebreitet, und hier ruhte ich nun behaglich von<lb/> den Mühen des Tages aus. Es schien hier eine andere Ettiquette zu herrschen<lb/> als in Tsaritzani; ich wurde sofort mit den Damen des Hauses bekannt gemacht<lb/> und diese speisten mit uns, und nahmen an unserer Unterhaltung Theil. Der<lb/> Sohn meines neuen Gastfreundes war mit einer zarten, hübschen Fran<lb/> verheirathet, die etwa vierzehn Jahr zählen mochte. Ihr warf Dimitri,<lb/> so hieß mein Wirih, sehr ernsthaft vor, daß sie bei meiner Bewillkommnung<lb/> mir nicht die Hand geküßt, und drang mit großer Entschiedenheit auf die<lb/> Ausübung dieser Zeremonie. Ich hatte Mühe sie abzulehnen, mich darauf<lb/> berufend, daß es bei uns nicht üblich sei, sich vom schönen Geschlecht die Hände<lb/> küssen zu lassen, worüber man sich höchlich verwunderte. Bei den Vorberei-</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0275]
oben erblickte ich in der Ferne gegen Süden eine Hochebene, die noch bedeutend
höher lag als die, welche ich heut durchzogen. Auf dieser dritten Stufe des
Südabhangs des Olympgebirges, bemerkte ich einen See (jetzt Nezero, im
Alterthum Asknris genannt), von nicht geringer Ausdehnung, mit vielen kleinen
Felseninseln. Später erfuhr ich, daß er sehr fischreich sei, und von den An¬
wohnenden mit Kähnen befahren werde. Man sagte mir auch von einer Art
Krebsen, die darin häufig vorkomme, und die ich nach der Beschreibung für
unsere Flußkrebse halten mußte, obgleich ich solche nirgend sonst in Griechen¬
land oder Kleinasien gesehen habe.
Es war auch heute meine Absicht, im Freien die Nacht zuzubringen. Ich
hatte mir hierzu den Platz unter dem himmelhohen Dach der Silberpappeln
ausersehen, von denen die eine ein wahrhaft kolossaler Baum war, 42 Fuß
im Umfang, dabei kerngesund und von entsprechender Höhe und Ausdehnung
der Zweige. Doch anch diesmal wurde meine Absicht vereitelt. Schon hatte
ich Feuer anzünden lassen — denn hier aus der Höhe von etwa 4000 Fuß
ließ sich auf eine ziemlich kalte Nacht rechnen — und es mir häuslich bequem
gemacht, da trat einer der von der Feldarbeit zurückkehrenden Landleute zu
mir heran, und bat so dringend und liebenswürdig, bei ihm einzukehren, und
wußte so wohl alle meine Einwände zu beseitigen, daß ich mich doch entschloß,
seine Einladung anzunehmen. Wir zogen also nach dem nicht weit entfernten
Dorfe Karia hinauf, das in einem schönen Thale unter den südlichen Gipfeln
des Olymp liegt. Ich fand ein gut gebautes Haus, und sah, daß ich bei
einem wohlhabenden und angesehenen Manne des Dorfes eingekehrt war, das
durchaus nicht jenen Charakter der Fäulniß und des Zerfalls an sich trug,
wie Tsaritzcmi, sondern mit seinen in bester Ordnung befindlichen hübschen
Häusern und Gärten von einem gewissen Wohlstande zeugte. Auf einer luf¬
tigen, reinlichen, auch hier mit einem Dach überbauten Terasse, einer Vorhalle
des Hauses, wurden dicke braune wollene Decken — ein Produkt dieser
Gegend — als Teppiche ausgebreitet, und hier ruhte ich nun behaglich von
den Mühen des Tages aus. Es schien hier eine andere Ettiquette zu herrschen
als in Tsaritzani; ich wurde sofort mit den Damen des Hauses bekannt gemacht
und diese speisten mit uns, und nahmen an unserer Unterhaltung Theil. Der
Sohn meines neuen Gastfreundes war mit einer zarten, hübschen Fran
verheirathet, die etwa vierzehn Jahr zählen mochte. Ihr warf Dimitri,
so hieß mein Wirih, sehr ernsthaft vor, daß sie bei meiner Bewillkommnung
mir nicht die Hand geküßt, und drang mit großer Entschiedenheit auf die
Ausübung dieser Zeremonie. Ich hatte Mühe sie abzulehnen, mich darauf
berufend, daß es bei uns nicht üblich sei, sich vom schönen Geschlecht die Hände
küssen zu lassen, worüber man sich höchlich verwunderte. Bei den Vorberei-
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