Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.Worte so im Munde zu verdrehen, daß der englische Staatsmann ein vernich¬ Ein so monströses, je nach dem Standpunkte der Leser blasphemisches oder Hinter dieser ersten Schlachtreihe marschirte aber noch eine zweite. Ver¬ Um einen so harten Vorwurf nicht unbegründet zu lassen, sei mir der Hinweis
gestattet, daß ich den urkundlichen Nachweis im Feuilleton der "Weserzeitung" vom 23. Dec. v. I, erbracht habe. Worte so im Munde zu verdrehen, daß der englische Staatsmann ein vernich¬ Ein so monströses, je nach dem Standpunkte der Leser blasphemisches oder Hinter dieser ersten Schlachtreihe marschirte aber noch eine zweite. Ver¬ Um einen so harten Vorwurf nicht unbegründet zu lassen, sei mir der Hinweis
gestattet, daß ich den urkundlichen Nachweis im Feuilleton der „Weserzeitung" vom 23. Dec. v. I, erbracht habe. <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0188" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139481"/> <p xml:id="ID_529" prev="#ID_528"> Worte so im Munde zu verdrehen, daß der englische Staatsmann ein vernich¬<lb/> tendes Urtheil über die heutige Wirtschaftsordnung gefällt zu haben scheint,<lb/> während er thatsächlich das gerade Gegentheil gesagt hat, wie Herr Todt wissen<lb/> mußte und thatsächlich gewußt hat/")</p><lb/> <p xml:id="ID_530"> Ein so monströses, je nach dem Standpunkte der Leser blasphemisches oder<lb/> skurriles Buch wurde der Köcher, aus welchem die reaktiouür-ultramontanen<lb/> Blätter seit Monaten eine Fülle übelduftender Geschosse gegen den Liberalismus<lb/> entsandten. Diese literarischen Erfolge begeisterten selbstverständlich den Pastor<lb/> Todt und so trat er Mitte Dezember vorigen Jahres mit einem langathmigen<lb/> Aufrufe zur Gründung eines „Zentralvereins für Sozialreform" hervor, welcher<lb/> den Atheismus und Republikanismus der Sozialdemokratie bekämpfen resp,<lb/> „vernichten", aber selbstverständlich über ihre sozialen Theorien nur „orientiren"<lb/> soll, die ja nach Herrn Todt „evangelische, göttliche Wahrheiten" enthalten.<lb/> Bei diesem kühnen Ritte mitten in das Treiben des politischen Markes trugen<lb/> dem märkischen Landpfarrer vier Knappen Schwert und Lanze. Erstens der<lb/> Rittergutsbesitzer Dr. Calberla aus dem Königreiche Sachsen, der eine recht<lb/> treffende Abhandlung über die Werththeorie von Marx veröffentlicht hat und<lb/> im Uebrigen auf den Kongressen der „Steuer- und Wirthschaftsreformer",<lb/> vulgo Agrarier von der Firma Niendorf und Perrot eine gewisse Rolle zu<lb/> spielen Pflegt. Zweitens Freiherr v. Roöll, welcher die „deutsche volks-<lb/> wirthschaftliche Korrespondenz" in schutzzöllnerischem Sinne redigirt. Drit¬<lb/> tens der pietistische Hofprediger Stöcker und viertens der Fabrikant Crüger in<lb/> Brandenburg a. d. Havel, der ein Schwager Stöcker's und Pietist, Schutzzöllner<lb/> und Reaktionär in einer Person ist. Diese vier Herren unter Leitung des<lb/> Pfarrers Todt gründeten den „Zentralverein für Sozialreform", konstituirten sich<lb/> aus eigener Machtvollkommenheit als sein Vorstand und bekundeten insofern<lb/> einen sehr praktischen Blick, als sie in ihren zahlreichen Ausrufen und Zirkularen<lb/> nach Mvnteeuculi's Rath Geld, Geld und wiederum Geld für eine energische<lb/> Kriegführung verlangten.</p><lb/> <p xml:id="ID_531" next="#ID_532"> Hinter dieser ersten Schlachtreihe marschirte aber noch eine zweite. Ver¬<lb/> einsorgan sollte eine Wochenschrift „der Staatssozialist" werden, die vom<lb/> 1. Januar dieses Jahres ab in der That erschienen ist und bisher in drei<lb/> Nummern vorliegt. Als Mitarbeiter dieses Blattes fungiren die großdeutschen<lb/> Partikularsten Petermann und Schäffle, letzterer auch Mitarbeiter der sozinl-<lb/> demokratischen „Neuen Gesellschaft" und — die Kathedersozialisten des linken<lb/> Flügels, Sander, v. Scheel und Adolf Wagner. Man kann darnach ohne</p><lb/> <note xml:id="FID_81" place="foot"> Um einen so harten Vorwurf nicht unbegründet zu lassen, sei mir der Hinweis<lb/> gestattet, daß ich den urkundlichen Nachweis im Feuilleton der „Weserzeitung" vom 23. Dec.<lb/> v. I, erbracht habe.</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0188]
Worte so im Munde zu verdrehen, daß der englische Staatsmann ein vernich¬
tendes Urtheil über die heutige Wirtschaftsordnung gefällt zu haben scheint,
während er thatsächlich das gerade Gegentheil gesagt hat, wie Herr Todt wissen
mußte und thatsächlich gewußt hat/")
Ein so monströses, je nach dem Standpunkte der Leser blasphemisches oder
skurriles Buch wurde der Köcher, aus welchem die reaktiouür-ultramontanen
Blätter seit Monaten eine Fülle übelduftender Geschosse gegen den Liberalismus
entsandten. Diese literarischen Erfolge begeisterten selbstverständlich den Pastor
Todt und so trat er Mitte Dezember vorigen Jahres mit einem langathmigen
Aufrufe zur Gründung eines „Zentralvereins für Sozialreform" hervor, welcher
den Atheismus und Republikanismus der Sozialdemokratie bekämpfen resp,
„vernichten", aber selbstverständlich über ihre sozialen Theorien nur „orientiren"
soll, die ja nach Herrn Todt „evangelische, göttliche Wahrheiten" enthalten.
Bei diesem kühnen Ritte mitten in das Treiben des politischen Markes trugen
dem märkischen Landpfarrer vier Knappen Schwert und Lanze. Erstens der
Rittergutsbesitzer Dr. Calberla aus dem Königreiche Sachsen, der eine recht
treffende Abhandlung über die Werththeorie von Marx veröffentlicht hat und
im Uebrigen auf den Kongressen der „Steuer- und Wirthschaftsreformer",
vulgo Agrarier von der Firma Niendorf und Perrot eine gewisse Rolle zu
spielen Pflegt. Zweitens Freiherr v. Roöll, welcher die „deutsche volks-
wirthschaftliche Korrespondenz" in schutzzöllnerischem Sinne redigirt. Drit¬
tens der pietistische Hofprediger Stöcker und viertens der Fabrikant Crüger in
Brandenburg a. d. Havel, der ein Schwager Stöcker's und Pietist, Schutzzöllner
und Reaktionär in einer Person ist. Diese vier Herren unter Leitung des
Pfarrers Todt gründeten den „Zentralverein für Sozialreform", konstituirten sich
aus eigener Machtvollkommenheit als sein Vorstand und bekundeten insofern
einen sehr praktischen Blick, als sie in ihren zahlreichen Ausrufen und Zirkularen
nach Mvnteeuculi's Rath Geld, Geld und wiederum Geld für eine energische
Kriegführung verlangten.
Hinter dieser ersten Schlachtreihe marschirte aber noch eine zweite. Ver¬
einsorgan sollte eine Wochenschrift „der Staatssozialist" werden, die vom
1. Januar dieses Jahres ab in der That erschienen ist und bisher in drei
Nummern vorliegt. Als Mitarbeiter dieses Blattes fungiren die großdeutschen
Partikularsten Petermann und Schäffle, letzterer auch Mitarbeiter der sozinl-
demokratischen „Neuen Gesellschaft" und — die Kathedersozialisten des linken
Flügels, Sander, v. Scheel und Adolf Wagner. Man kann darnach ohne
Um einen so harten Vorwurf nicht unbegründet zu lassen, sei mir der Hinweis
gestattet, daß ich den urkundlichen Nachweis im Feuilleton der „Weserzeitung" vom 23. Dec.
v. I, erbracht habe.
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