Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

zum dreißigsten Gedenktage der Schlacht bei Prag alleil Offizieren und Mann¬
schaften des Regiments Jtzenblitz, die jenen Siegestag nnter seiner Führung
mit durchgemacht hatten, ein glänzendes Fest. Es mag hierbei auch erwähnt
werden, daß der Jahrestag der Freiberger Schlacht, die Heinrich mit Recht
als sein Meisterstück ansah, alljährlich von ihm gefeiert wurde.

Am 3. August 1802 ging Prinz Heinrich zu seinen Vätern heim. Seine
Grabstätte deckt eine Steintafel mit einem von ihm selbst verfaßten Epitaph.
Eine noch schönere Denkschrift hat ihm aber sein jüngster Bruder Ferdinand
hinterlassen, indem er den 18. August 1802 an die Wittwe des mehrerwähnten
Grafen Henckel von Donnersmarck schrieb: "Sie sind zu oft Zeuge von der
zärtlichen Freundschaft zwischen mir und meinem Bruder gewesen, um nicht
den Schmerz mitzuempfinden, der mich bei dem Gedanken erfüllt, von ihm
für dies Leben getrennt zu sein. Ich liebte ihn mehr, als Sie sich vorstellen
können. Ihn zu sehen und jene Empfindungen erneuern zu können, machte
mein ganzes Glück aus. Alles dies ist für mich dahin und es bleibt mir nur
die Erinnerung an eine glückliche Vergangenheit. Ihr verstorbener Herr Ge¬
mahl, lange Zeit Adjutant meines Bruders, wird Ihnen von ihm erzählt ha¬
ben. Als Gefährte seiner Heldenlaufbahn konnte er selbst beobachten, mit
welcher Sorgfalt er darüber wachte, daß das Unglück des Krieges möglichst
wenig auf den Ländern lastete, die dessen traurige Opfer waren. Kein Prinz
hat seinem Lande größere Dienste erwiesen, als mein Bruder. Während des
siebenjährigen Krieges erhielt er durch seine Geschicklichkeit den preußischen
Staat; auch seine diplomatischen Verhandlungen trugen dazu bei, die Monarchie
zu vergrößern und sie mit denjenigen Staaten ins Gleichgewicht zu bringen,
die Preußens Untergang im Auge hatten."

Auch wir möchten dem Andenken des Prinzen Heinrich volle Gerechtigkeit
widerfahren lassen. Er war groß als Feldherr, nach vielen Seiten hin aus¬
gezeichnet als Mensch und mit seltenen Eigenschaften des Geistes und Herzens
ausgestattet. Sein Auge, fein Heller Blick wurde jedoch getrübt durch das
strahlende Licht des größeren Bruders, das anstatt Stolz nur Bitterkeit in
sein Herz hinein trug. Friedrich, der sich zwar selbst als erster Diener des
Staates kennzeichnet, jedoch dem Geiste seiner Zeit entsprechend als Autokrat
herrschen mußte und zum Segen seines Landes herrschte, kannte, sobald es sich
um die Staatsraison handelte, keine Rücksichten und wurde dadurch dem Ein¬
zelnen zuweilen recht unbequem. Dem jüngeren Bruder, nicht ohne alle Eitel¬
keit, fehlte es an derjenigen unterordnenden Resignation, die sich mit dem
kategorischen Imperativ abfindet. So dürfen wir denn wohl dieses Charakter¬
bild abschließen mit einer Stelle ans dem Epitaph, das Prinz Heinrich für
seine Grabstätte selbst geschrieben: "Wanderer gedenke daran, daß Vollkommen¬
W. v. H. heit auf der Erde niemals zu finden ist."


zum dreißigsten Gedenktage der Schlacht bei Prag alleil Offizieren und Mann¬
schaften des Regiments Jtzenblitz, die jenen Siegestag nnter seiner Führung
mit durchgemacht hatten, ein glänzendes Fest. Es mag hierbei auch erwähnt
werden, daß der Jahrestag der Freiberger Schlacht, die Heinrich mit Recht
als sein Meisterstück ansah, alljährlich von ihm gefeiert wurde.

Am 3. August 1802 ging Prinz Heinrich zu seinen Vätern heim. Seine
Grabstätte deckt eine Steintafel mit einem von ihm selbst verfaßten Epitaph.
Eine noch schönere Denkschrift hat ihm aber sein jüngster Bruder Ferdinand
hinterlassen, indem er den 18. August 1802 an die Wittwe des mehrerwähnten
Grafen Henckel von Donnersmarck schrieb: „Sie sind zu oft Zeuge von der
zärtlichen Freundschaft zwischen mir und meinem Bruder gewesen, um nicht
den Schmerz mitzuempfinden, der mich bei dem Gedanken erfüllt, von ihm
für dies Leben getrennt zu sein. Ich liebte ihn mehr, als Sie sich vorstellen
können. Ihn zu sehen und jene Empfindungen erneuern zu können, machte
mein ganzes Glück aus. Alles dies ist für mich dahin und es bleibt mir nur
die Erinnerung an eine glückliche Vergangenheit. Ihr verstorbener Herr Ge¬
mahl, lange Zeit Adjutant meines Bruders, wird Ihnen von ihm erzählt ha¬
ben. Als Gefährte seiner Heldenlaufbahn konnte er selbst beobachten, mit
welcher Sorgfalt er darüber wachte, daß das Unglück des Krieges möglichst
wenig auf den Ländern lastete, die dessen traurige Opfer waren. Kein Prinz
hat seinem Lande größere Dienste erwiesen, als mein Bruder. Während des
siebenjährigen Krieges erhielt er durch seine Geschicklichkeit den preußischen
Staat; auch seine diplomatischen Verhandlungen trugen dazu bei, die Monarchie
zu vergrößern und sie mit denjenigen Staaten ins Gleichgewicht zu bringen,
die Preußens Untergang im Auge hatten."

Auch wir möchten dem Andenken des Prinzen Heinrich volle Gerechtigkeit
widerfahren lassen. Er war groß als Feldherr, nach vielen Seiten hin aus¬
gezeichnet als Mensch und mit seltenen Eigenschaften des Geistes und Herzens
ausgestattet. Sein Auge, fein Heller Blick wurde jedoch getrübt durch das
strahlende Licht des größeren Bruders, das anstatt Stolz nur Bitterkeit in
sein Herz hinein trug. Friedrich, der sich zwar selbst als erster Diener des
Staates kennzeichnet, jedoch dem Geiste seiner Zeit entsprechend als Autokrat
herrschen mußte und zum Segen seines Landes herrschte, kannte, sobald es sich
um die Staatsraison handelte, keine Rücksichten und wurde dadurch dem Ein¬
zelnen zuweilen recht unbequem. Dem jüngeren Bruder, nicht ohne alle Eitel¬
keit, fehlte es an derjenigen unterordnenden Resignation, die sich mit dem
kategorischen Imperativ abfindet. So dürfen wir denn wohl dieses Charakter¬
bild abschließen mit einer Stelle ans dem Epitaph, das Prinz Heinrich für
seine Grabstätte selbst geschrieben: „Wanderer gedenke daran, daß Vollkommen¬
W. v. H. heit auf der Erde niemals zu finden ist."


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0180" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/139473"/>
          <p xml:id="ID_513" prev="#ID_512"> zum dreißigsten Gedenktage der Schlacht bei Prag alleil Offizieren und Mann¬<lb/>
schaften des Regiments Jtzenblitz, die jenen Siegestag nnter seiner Führung<lb/>
mit durchgemacht hatten, ein glänzendes Fest. Es mag hierbei auch erwähnt<lb/>
werden, daß der Jahrestag der Freiberger Schlacht, die Heinrich mit Recht<lb/>
als sein Meisterstück ansah, alljährlich von ihm gefeiert wurde.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_514"> Am 3. August 1802 ging Prinz Heinrich zu seinen Vätern heim. Seine<lb/>
Grabstätte deckt eine Steintafel mit einem von ihm selbst verfaßten Epitaph.<lb/>
Eine noch schönere Denkschrift hat ihm aber sein jüngster Bruder Ferdinand<lb/>
hinterlassen, indem er den 18. August 1802 an die Wittwe des mehrerwähnten<lb/>
Grafen Henckel von Donnersmarck schrieb: &#x201E;Sie sind zu oft Zeuge von der<lb/>
zärtlichen Freundschaft zwischen mir und meinem Bruder gewesen, um nicht<lb/>
den Schmerz mitzuempfinden, der mich bei dem Gedanken erfüllt, von ihm<lb/>
für dies Leben getrennt zu sein. Ich liebte ihn mehr, als Sie sich vorstellen<lb/>
können. Ihn zu sehen und jene Empfindungen erneuern zu können, machte<lb/>
mein ganzes Glück aus. Alles dies ist für mich dahin und es bleibt mir nur<lb/>
die Erinnerung an eine glückliche Vergangenheit. Ihr verstorbener Herr Ge¬<lb/>
mahl, lange Zeit Adjutant meines Bruders, wird Ihnen von ihm erzählt ha¬<lb/>
ben. Als Gefährte seiner Heldenlaufbahn konnte er selbst beobachten, mit<lb/>
welcher Sorgfalt er darüber wachte, daß das Unglück des Krieges möglichst<lb/>
wenig auf den Ländern lastete, die dessen traurige Opfer waren. Kein Prinz<lb/>
hat seinem Lande größere Dienste erwiesen, als mein Bruder. Während des<lb/>
siebenjährigen Krieges erhielt er durch seine Geschicklichkeit den preußischen<lb/>
Staat; auch seine diplomatischen Verhandlungen trugen dazu bei, die Monarchie<lb/>
zu vergrößern und sie mit denjenigen Staaten ins Gleichgewicht zu bringen,<lb/>
die Preußens Untergang im Auge hatten."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_515"> Auch wir möchten dem Andenken des Prinzen Heinrich volle Gerechtigkeit<lb/>
widerfahren lassen. Er war groß als Feldherr, nach vielen Seiten hin aus¬<lb/>
gezeichnet als Mensch und mit seltenen Eigenschaften des Geistes und Herzens<lb/>
ausgestattet. Sein Auge, fein Heller Blick wurde jedoch getrübt durch das<lb/>
strahlende Licht des größeren Bruders, das anstatt Stolz nur Bitterkeit in<lb/>
sein Herz hinein trug. Friedrich, der sich zwar selbst als erster Diener des<lb/>
Staates kennzeichnet, jedoch dem Geiste seiner Zeit entsprechend als Autokrat<lb/>
herrschen mußte und zum Segen seines Landes herrschte, kannte, sobald es sich<lb/>
um die Staatsraison handelte, keine Rücksichten und wurde dadurch dem Ein¬<lb/>
zelnen zuweilen recht unbequem. Dem jüngeren Bruder, nicht ohne alle Eitel¬<lb/>
keit, fehlte es an derjenigen unterordnenden Resignation, die sich mit dem<lb/>
kategorischen Imperativ abfindet. So dürfen wir denn wohl dieses Charakter¬<lb/>
bild abschließen mit einer Stelle ans dem Epitaph, das Prinz Heinrich für<lb/>
seine Grabstätte selbst geschrieben: &#x201E;Wanderer gedenke daran, daß Vollkommen¬<lb/><note type="byline"> W. v. H.</note> heit auf der Erde niemals zu finden ist." </p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0180] zum dreißigsten Gedenktage der Schlacht bei Prag alleil Offizieren und Mann¬ schaften des Regiments Jtzenblitz, die jenen Siegestag nnter seiner Führung mit durchgemacht hatten, ein glänzendes Fest. Es mag hierbei auch erwähnt werden, daß der Jahrestag der Freiberger Schlacht, die Heinrich mit Recht als sein Meisterstück ansah, alljährlich von ihm gefeiert wurde. Am 3. August 1802 ging Prinz Heinrich zu seinen Vätern heim. Seine Grabstätte deckt eine Steintafel mit einem von ihm selbst verfaßten Epitaph. Eine noch schönere Denkschrift hat ihm aber sein jüngster Bruder Ferdinand hinterlassen, indem er den 18. August 1802 an die Wittwe des mehrerwähnten Grafen Henckel von Donnersmarck schrieb: „Sie sind zu oft Zeuge von der zärtlichen Freundschaft zwischen mir und meinem Bruder gewesen, um nicht den Schmerz mitzuempfinden, der mich bei dem Gedanken erfüllt, von ihm für dies Leben getrennt zu sein. Ich liebte ihn mehr, als Sie sich vorstellen können. Ihn zu sehen und jene Empfindungen erneuern zu können, machte mein ganzes Glück aus. Alles dies ist für mich dahin und es bleibt mir nur die Erinnerung an eine glückliche Vergangenheit. Ihr verstorbener Herr Ge¬ mahl, lange Zeit Adjutant meines Bruders, wird Ihnen von ihm erzählt ha¬ ben. Als Gefährte seiner Heldenlaufbahn konnte er selbst beobachten, mit welcher Sorgfalt er darüber wachte, daß das Unglück des Krieges möglichst wenig auf den Ländern lastete, die dessen traurige Opfer waren. Kein Prinz hat seinem Lande größere Dienste erwiesen, als mein Bruder. Während des siebenjährigen Krieges erhielt er durch seine Geschicklichkeit den preußischen Staat; auch seine diplomatischen Verhandlungen trugen dazu bei, die Monarchie zu vergrößern und sie mit denjenigen Staaten ins Gleichgewicht zu bringen, die Preußens Untergang im Auge hatten." Auch wir möchten dem Andenken des Prinzen Heinrich volle Gerechtigkeit widerfahren lassen. Er war groß als Feldherr, nach vielen Seiten hin aus¬ gezeichnet als Mensch und mit seltenen Eigenschaften des Geistes und Herzens ausgestattet. Sein Auge, fein Heller Blick wurde jedoch getrübt durch das strahlende Licht des größeren Bruders, das anstatt Stolz nur Bitterkeit in sein Herz hinein trug. Friedrich, der sich zwar selbst als erster Diener des Staates kennzeichnet, jedoch dem Geiste seiner Zeit entsprechend als Autokrat herrschen mußte und zum Segen seines Landes herrschte, kannte, sobald es sich um die Staatsraison handelte, keine Rücksichten und wurde dadurch dem Ein¬ zelnen zuweilen recht unbequem. Dem jüngeren Bruder, nicht ohne alle Eitel¬ keit, fehlte es an derjenigen unterordnenden Resignation, die sich mit dem kategorischen Imperativ abfindet. So dürfen wir denn wohl dieses Charakter¬ bild abschließen mit einer Stelle ans dem Epitaph, das Prinz Heinrich für seine Grabstätte selbst geschrieben: „Wanderer gedenke daran, daß Vollkommen¬ W. v. H. heit auf der Erde niemals zu finden ist."

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/180
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 37, 1878, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341827_157649/180>, abgerufen am 19.10.2024.