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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Hinterindien, den Portugiesischen Prinzen Heinrich mit dein Beinamen der See¬
fahrer, neuere Untersuchungen über den Entdecker Amerika's, den lothringischen
Gymnasiallehrer Martin Waltzemüller, welcher zu Anfang des sechzehnten
Jahrhunderts der Erfinder des Namens Amerika wurde, endlich Violen de
Se. Martin, den Rivalen Peschel's in historischer Betrachtung der Erdkunde.
Dem folgen verschiedene Abhandlungen über Alexander v, Humboldt sowie
über Karl Ritter, von denen namentlich die über Ritter's "Wesen und Auf¬
gaben der vergleichenden Erdkunde" von Interesse ist, weil sie die Verschieden¬
heit der Meinungen Peschel's und Ritter's scharf hervortreten läßt. Ein fünfter
Abschnitt verbreitet sich hierauf über die Erdkunde als Unterrichtsgegenstand,
ein sechster hat die Bedeutung der Erdkunde für die Kulturgeschichte zum Ge¬
genstande, und der siebente und letzte besteht aus einer Gruppirung von Artikeln,
die sich mit Darwin, seiner Lehre und seinen Gegnern beschäftigen. Das Ur¬
theil Peschel's über dieselben geht dahin, daß er sagt: Die Sätze der Darwi-
nianer konnten noch nicht bewiesen werden, nnr eine Menge von Indizien
sprechen zu ihren Gunsten, vorläufig bleibt also der Darwinismus eine Hypo¬
these, und so lange er dies ist, werden auch die älteren Vorstellungen von der
Schöpfung nicht nothwendig von ihm umgestoßen. Man irrt sich aber, wenn
man glaubt, daß der Darwinismus im Unterliegen begriffen sei. Alle, die mit
ähnlichen Lehren aufgetreten sind: Lamarck, Goethe, Geoffroy, Se. Hilaire und
in neuerer Zeit Richard Owen behaupten doch im Grunde dasselbe, nämlich,
daß die heutige Thier- und Pflanzenwelt mit der tertiären genealogisch ver¬
knüpft, daß die tertiären Gestalten die Ahnen der modernen Gestalten sind.
Wie die Artenwandelung vor sich gegangen sei, darüber herrschen verschiedene
Ansichten; daß sie aber langsam oder rasch in absteigender Linie von den Vor¬
fahren zum Nachkommen sich vollzogen habe, darin sind die verschiedenen
Schulen einig. Der Reiz der Darwinischen sowie der verwandten Meinungen
liegt darin, daß sie an der Möglichkeit festhalten, der Ursprung der Arten
werde sich noch einmal völlig ergründen lassen, und daß sie, diesen Preis dem
Strebenden bietend, die Forschung selbst vorwärts treiben, während ihre ni¬
hilistischen Gegner die Flinte ins Korn werfen und kleinmüthig die Aufgabe
in das Gebiet des Unerforschlichen verweisen. Wir empfehlen das Buch allen
Freunden der Geographie angelegentlich.


Die deutsche Sage von den Nibelungen in der deutschen Poesie von
Karl Reliorn. Frankfurt a. M. Moritz Diesterweg. 1877.

Das Buch zerfällt in drei Abschnitte, deren erster das Auftreten der Nibe-
lungensage in der deutschen Literatur bespricht, wobei zunächst die Pflege dieser
Sage seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, dann die Nibelungen und


Hinterindien, den Portugiesischen Prinzen Heinrich mit dein Beinamen der See¬
fahrer, neuere Untersuchungen über den Entdecker Amerika's, den lothringischen
Gymnasiallehrer Martin Waltzemüller, welcher zu Anfang des sechzehnten
Jahrhunderts der Erfinder des Namens Amerika wurde, endlich Violen de
Se. Martin, den Rivalen Peschel's in historischer Betrachtung der Erdkunde.
Dem folgen verschiedene Abhandlungen über Alexander v, Humboldt sowie
über Karl Ritter, von denen namentlich die über Ritter's „Wesen und Auf¬
gaben der vergleichenden Erdkunde" von Interesse ist, weil sie die Verschieden¬
heit der Meinungen Peschel's und Ritter's scharf hervortreten läßt. Ein fünfter
Abschnitt verbreitet sich hierauf über die Erdkunde als Unterrichtsgegenstand,
ein sechster hat die Bedeutung der Erdkunde für die Kulturgeschichte zum Ge¬
genstande, und der siebente und letzte besteht aus einer Gruppirung von Artikeln,
die sich mit Darwin, seiner Lehre und seinen Gegnern beschäftigen. Das Ur¬
theil Peschel's über dieselben geht dahin, daß er sagt: Die Sätze der Darwi-
nianer konnten noch nicht bewiesen werden, nnr eine Menge von Indizien
sprechen zu ihren Gunsten, vorläufig bleibt also der Darwinismus eine Hypo¬
these, und so lange er dies ist, werden auch die älteren Vorstellungen von der
Schöpfung nicht nothwendig von ihm umgestoßen. Man irrt sich aber, wenn
man glaubt, daß der Darwinismus im Unterliegen begriffen sei. Alle, die mit
ähnlichen Lehren aufgetreten sind: Lamarck, Goethe, Geoffroy, Se. Hilaire und
in neuerer Zeit Richard Owen behaupten doch im Grunde dasselbe, nämlich,
daß die heutige Thier- und Pflanzenwelt mit der tertiären genealogisch ver¬
knüpft, daß die tertiären Gestalten die Ahnen der modernen Gestalten sind.
Wie die Artenwandelung vor sich gegangen sei, darüber herrschen verschiedene
Ansichten; daß sie aber langsam oder rasch in absteigender Linie von den Vor¬
fahren zum Nachkommen sich vollzogen habe, darin sind die verschiedenen
Schulen einig. Der Reiz der Darwinischen sowie der verwandten Meinungen
liegt darin, daß sie an der Möglichkeit festhalten, der Ursprung der Arten
werde sich noch einmal völlig ergründen lassen, und daß sie, diesen Preis dem
Strebenden bietend, die Forschung selbst vorwärts treiben, während ihre ni¬
hilistischen Gegner die Flinte ins Korn werfen und kleinmüthig die Aufgabe
in das Gebiet des Unerforschlichen verweisen. Wir empfehlen das Buch allen
Freunden der Geographie angelegentlich.


Die deutsche Sage von den Nibelungen in der deutschen Poesie von
Karl Reliorn. Frankfurt a. M. Moritz Diesterweg. 1877.

Das Buch zerfällt in drei Abschnitte, deren erster das Auftreten der Nibe-
lungensage in der deutschen Literatur bespricht, wobei zunächst die Pflege dieser
Sage seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, dann die Nibelungen und


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[0045] Hinterindien, den Portugiesischen Prinzen Heinrich mit dein Beinamen der See¬ fahrer, neuere Untersuchungen über den Entdecker Amerika's, den lothringischen Gymnasiallehrer Martin Waltzemüller, welcher zu Anfang des sechzehnten Jahrhunderts der Erfinder des Namens Amerika wurde, endlich Violen de Se. Martin, den Rivalen Peschel's in historischer Betrachtung der Erdkunde. Dem folgen verschiedene Abhandlungen über Alexander v, Humboldt sowie über Karl Ritter, von denen namentlich die über Ritter's „Wesen und Auf¬ gaben der vergleichenden Erdkunde" von Interesse ist, weil sie die Verschieden¬ heit der Meinungen Peschel's und Ritter's scharf hervortreten läßt. Ein fünfter Abschnitt verbreitet sich hierauf über die Erdkunde als Unterrichtsgegenstand, ein sechster hat die Bedeutung der Erdkunde für die Kulturgeschichte zum Ge¬ genstande, und der siebente und letzte besteht aus einer Gruppirung von Artikeln, die sich mit Darwin, seiner Lehre und seinen Gegnern beschäftigen. Das Ur¬ theil Peschel's über dieselben geht dahin, daß er sagt: Die Sätze der Darwi- nianer konnten noch nicht bewiesen werden, nnr eine Menge von Indizien sprechen zu ihren Gunsten, vorläufig bleibt also der Darwinismus eine Hypo¬ these, und so lange er dies ist, werden auch die älteren Vorstellungen von der Schöpfung nicht nothwendig von ihm umgestoßen. Man irrt sich aber, wenn man glaubt, daß der Darwinismus im Unterliegen begriffen sei. Alle, die mit ähnlichen Lehren aufgetreten sind: Lamarck, Goethe, Geoffroy, Se. Hilaire und in neuerer Zeit Richard Owen behaupten doch im Grunde dasselbe, nämlich, daß die heutige Thier- und Pflanzenwelt mit der tertiären genealogisch ver¬ knüpft, daß die tertiären Gestalten die Ahnen der modernen Gestalten sind. Wie die Artenwandelung vor sich gegangen sei, darüber herrschen verschiedene Ansichten; daß sie aber langsam oder rasch in absteigender Linie von den Vor¬ fahren zum Nachkommen sich vollzogen habe, darin sind die verschiedenen Schulen einig. Der Reiz der Darwinischen sowie der verwandten Meinungen liegt darin, daß sie an der Möglichkeit festhalten, der Ursprung der Arten werde sich noch einmal völlig ergründen lassen, und daß sie, diesen Preis dem Strebenden bietend, die Forschung selbst vorwärts treiben, während ihre ni¬ hilistischen Gegner die Flinte ins Korn werfen und kleinmüthig die Aufgabe in das Gebiet des Unerforschlichen verweisen. Wir empfehlen das Buch allen Freunden der Geographie angelegentlich. Die deutsche Sage von den Nibelungen in der deutschen Poesie von Karl Reliorn. Frankfurt a. M. Moritz Diesterweg. 1877. Das Buch zerfällt in drei Abschnitte, deren erster das Auftreten der Nibe- lungensage in der deutschen Literatur bespricht, wobei zunächst die Pflege dieser Sage seit der Mitte des dreizehnten Jahrhunderts, dann die Nibelungen und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/45>, abgerufen am 28.09.2024.