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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Am 29. August d. I. ist zu Leipzig, wo er gelebt und gewirkt, nach
langem Leiden der Verlagsbnchhäudler Herr Friedrich Wilhelm Grunow
sanft entschlafen.

Die Grenzboten sind länger als ein Menschenalter in seinem Verlage er¬
schienen. Eine deutsche politisch - literarische Wochenschrift von dem Charakter
und Umfang der Grenzboten war zu der Zeit, als Grunow ihren Verlag
übernahm, ein Unicum, und sie sind auch lauge die einzige deutsche Zeitschrift
ihrer Art gewesen. Es gehörte kühner Sinn dazu, einsichtiges Verständniß für
die Bedürfnisse der Nation, um ein solches Unternehmen zu wagen, es durch
alle Schwierigkeiten fortzuführen, welche die politischen, namentlich die Pre߬
gesetzverhältnisse jener Tage dem Blatte bereiteten. Wenn gleichwohl die
Grenzboten sich allezeit tapfer behauptet haben und in der Lage waren und
blieben, jeder unabhängigen Meinungsäußerung eine Stätte zu gewähren
und, stets uur ihrer Ueberzeugung folgend, die besten Strebungen der Nation
zu fordern, so gebührt dem Verleger des Blattes, Friedrich Wilhelm Grunow
das Lob, daß er Alles aufbot und kein Opfer scheute, um die Grenzboten frei
und unabhängig zu halten. An Allem, was die Grenzboten in deu Jahren
ihres Bestehens Gutes geboten und gewirkt haben, hatte daher Friedrich
Wilhelm Grnnow vollen Antheil. Auch als längst sein Verlag und sein
Commissionsgeschäft zu ihrem jetzigen, die Arbeitskraft eiues einzelnen Man¬
nes weit übersteigenden Umfange herangewachsen waren, als er die Werke
Alfred Meißner's, die Schriften Reicheren's, Julian Schmidt's u. A. herausgegeben
und die vorzüglichsten Mitarbeiter der Grenzboten zur Herausgabe größerer
Werke in seinem Verlag ermuntert oder veranlaßt hatte, waren die Grenzboten
ihm immer das wichtigste und liebste Unternehmen seines Verlags.

Sein bescheidenes und zurückhaltendes Wesen, welches sich in der Hauptsache
auf Geschäft und Familie concentrirte, hielt ihn ab, sich an die Öffentlichkeit
zu drängen. Sein Name ist daher unter den deutscheu Buchhändler" weniger
bekannt und genannt worden, als der Name manches Anderen, der seinem Volke
und Stande vielleicht weniger geleistet, als er. Diejenigen aber, die ihn kannten,
wissen voll zu würdigen, was sie an ihm verloren haben.


Die Redaktion der Grenzboten.


Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blum in Leipzig.
Verlag vo" F. L. Herbig in Leipzig. -- Druck vo" Hiithcl Hcnnwnu in Leipzig.


Am 29. August d. I. ist zu Leipzig, wo er gelebt und gewirkt, nach
langem Leiden der Verlagsbnchhäudler Herr Friedrich Wilhelm Grunow
sanft entschlafen.

Die Grenzboten sind länger als ein Menschenalter in seinem Verlage er¬
schienen. Eine deutsche politisch - literarische Wochenschrift von dem Charakter
und Umfang der Grenzboten war zu der Zeit, als Grunow ihren Verlag
übernahm, ein Unicum, und sie sind auch lauge die einzige deutsche Zeitschrift
ihrer Art gewesen. Es gehörte kühner Sinn dazu, einsichtiges Verständniß für
die Bedürfnisse der Nation, um ein solches Unternehmen zu wagen, es durch
alle Schwierigkeiten fortzuführen, welche die politischen, namentlich die Pre߬
gesetzverhältnisse jener Tage dem Blatte bereiteten. Wenn gleichwohl die
Grenzboten sich allezeit tapfer behauptet haben und in der Lage waren und
blieben, jeder unabhängigen Meinungsäußerung eine Stätte zu gewähren
und, stets uur ihrer Ueberzeugung folgend, die besten Strebungen der Nation
zu fordern, so gebührt dem Verleger des Blattes, Friedrich Wilhelm Grunow
das Lob, daß er Alles aufbot und kein Opfer scheute, um die Grenzboten frei
und unabhängig zu halten. An Allem, was die Grenzboten in deu Jahren
ihres Bestehens Gutes geboten und gewirkt haben, hatte daher Friedrich
Wilhelm Grnnow vollen Antheil. Auch als längst sein Verlag und sein
Commissionsgeschäft zu ihrem jetzigen, die Arbeitskraft eiues einzelnen Man¬
nes weit übersteigenden Umfange herangewachsen waren, als er die Werke
Alfred Meißner's, die Schriften Reicheren's, Julian Schmidt's u. A. herausgegeben
und die vorzüglichsten Mitarbeiter der Grenzboten zur Herausgabe größerer
Werke in seinem Verlag ermuntert oder veranlaßt hatte, waren die Grenzboten
ihm immer das wichtigste und liebste Unternehmen seines Verlags.

Sein bescheidenes und zurückhaltendes Wesen, welches sich in der Hauptsache
auf Geschäft und Familie concentrirte, hielt ihn ab, sich an die Öffentlichkeit
zu drängen. Sein Name ist daher unter den deutscheu Buchhändler» weniger
bekannt und genannt worden, als der Name manches Anderen, der seinem Volke
und Stande vielleicht weniger geleistet, als er. Diejenigen aber, die ihn kannten,
wissen voll zu würdigen, was sie an ihm verloren haben.


Die Redaktion der Grenzboten.


Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blum in Leipzig.
Verlag vo» F. L. Herbig in Leipzig. — Druck vo» Hiithcl Hcnnwnu in Leipzig.
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[0448] Am 29. August d. I. ist zu Leipzig, wo er gelebt und gewirkt, nach langem Leiden der Verlagsbnchhäudler Herr Friedrich Wilhelm Grunow sanft entschlafen. Die Grenzboten sind länger als ein Menschenalter in seinem Verlage er¬ schienen. Eine deutsche politisch - literarische Wochenschrift von dem Charakter und Umfang der Grenzboten war zu der Zeit, als Grunow ihren Verlag übernahm, ein Unicum, und sie sind auch lauge die einzige deutsche Zeitschrift ihrer Art gewesen. Es gehörte kühner Sinn dazu, einsichtiges Verständniß für die Bedürfnisse der Nation, um ein solches Unternehmen zu wagen, es durch alle Schwierigkeiten fortzuführen, welche die politischen, namentlich die Pre߬ gesetzverhältnisse jener Tage dem Blatte bereiteten. Wenn gleichwohl die Grenzboten sich allezeit tapfer behauptet haben und in der Lage waren und blieben, jeder unabhängigen Meinungsäußerung eine Stätte zu gewähren und, stets uur ihrer Ueberzeugung folgend, die besten Strebungen der Nation zu fordern, so gebührt dem Verleger des Blattes, Friedrich Wilhelm Grunow das Lob, daß er Alles aufbot und kein Opfer scheute, um die Grenzboten frei und unabhängig zu halten. An Allem, was die Grenzboten in deu Jahren ihres Bestehens Gutes geboten und gewirkt haben, hatte daher Friedrich Wilhelm Grnnow vollen Antheil. Auch als längst sein Verlag und sein Commissionsgeschäft zu ihrem jetzigen, die Arbeitskraft eiues einzelnen Man¬ nes weit übersteigenden Umfange herangewachsen waren, als er die Werke Alfred Meißner's, die Schriften Reicheren's, Julian Schmidt's u. A. herausgegeben und die vorzüglichsten Mitarbeiter der Grenzboten zur Herausgabe größerer Werke in seinem Verlag ermuntert oder veranlaßt hatte, waren die Grenzboten ihm immer das wichtigste und liebste Unternehmen seines Verlags. Sein bescheidenes und zurückhaltendes Wesen, welches sich in der Hauptsache auf Geschäft und Familie concentrirte, hielt ihn ab, sich an die Öffentlichkeit zu drängen. Sein Name ist daher unter den deutscheu Buchhändler» weniger bekannt und genannt worden, als der Name manches Anderen, der seinem Volke und Stande vielleicht weniger geleistet, als er. Diejenigen aber, die ihn kannten, wissen voll zu würdigen, was sie an ihm verloren haben. Die Redaktion der Grenzboten. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Haus Blum in Leipzig. Verlag vo» F. L. Herbig in Leipzig. — Druck vo» Hiithcl Hcnnwnu in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/448>, abgerufen am 28.09.2024.