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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Schlämmen dieser Einfahrt zu verhindern. Jahr aus Jahr ein waren unter
der Leitung der Genieoffiziere große Dampfbaggermaschinen bemüht, das
Schifffahrtswasser 18 bis 20 engl. Fuß tief zu erhalten. Die Ansicht sämmt¬
licher Ingenieure, denen die betreffenden Arbeiten anvertraut waren, ging
dahin, daß das Fahrwasser uur dadurch erhalten werden könne, daß der
Schlamm mit Maschinen aus dem Bett des Stromes gehoben und hin¬
ausgefahren würde in den Golf und zwar erst da in den letzteren ausge¬
leert würde, wo der Golfstrom mächtig genug ist, die Schlammmassen von der
Mündung des Passes fortzureißen. Ein Arm des Golfstroms streicht nämlich
in weitem Bogen dicht an den Mündungen des Mississippi vorbei; er kommt
am Ausfluß des Lvutd.?c>,88 dem Lande am nächsten und ist außerdem gerade
dort am stärksten, seine Stromgeschwindigkeit ist an dieser Stelle fast die dop¬
pelte von derjenigen, mit welcher die Waffer des Loutli 'West ?ass sich in
den Ozean ergießen.

Nachdem die Genieoffiziere über fünfzig lange Jahre an der Erhaltung
des Südwest-Passes gearbeitet hatten, nachdem es zum Glaubenssätze geworden
war, daß in dein weicher als weichen Schlamm des Mississippi jede andere
Angriffsmethode als die durch Baggermaschiuen fruchtlos sei, da kommt auf
einmal, vor nun vier Jahren, ein junger unbekannter Ingenieur, James B.
Eads, und macht der Regierung der Verewigten Staaten den Vorschlag, er
wolle den Strom so einengen, daß dieser sein Bett nicht nur selbst reinigen
und freihalten solle, sondern daß die losgerissenen Massen auch von selbst in
den Golfstrom hinausgeführt und dann von diesem wieder weiter mit fortgerissen
würden. Mittels Bnhnenbanten wolle er dem Strome die erforderliche Breite
und Tiefe und dessen Wassern die nöthige Geschwindigkeit aufzwingen, er wolle
gleichzeitig durch Anlage langgestreckter Parallelbuhnen (parallel zur Strom-
richtu-ng) deu Flußlauf bis zu der Stelle im Golf verlängern, wo der
Boden des Golfes sich abgrundähnlich plötzlich von 12 Fuß auf 300 Faden
Tiefe senkt.

Der Vorschlag enthielt für Ingenieure nichts Neues; war doch dasselbe
wieder und wieder an allen größeren und kleineren Strömen der alten und
neuen Welt mit mehr oder weniger Glück ausgeführt worden. Trotzdem erhob
sich ein Sturm der Entrüstung gegen den kühnen Antragsteller; von allen
Genieoffizieren und Laien wurde er verhöhnt und angefeindet, daß er den
"Vater der Gewässer" einengen wolle, wie einen Rhein, eine Oder. Die Gegner
seines Vorschlags hielten ihm ein, daß der weiche Boden des Mississippi eine
Buhne gar uicht zu tragen im Stande sei; jeder Stein, den er versenken wolle,
würde sofort in's Bodenlvfe des Schlammes sinken, er könne die Buhnen nie¬
mals befestigen. Er erwiederte, daß er zu deu Buhnen gar nicht Steine nehmen


Schlämmen dieser Einfahrt zu verhindern. Jahr aus Jahr ein waren unter
der Leitung der Genieoffiziere große Dampfbaggermaschinen bemüht, das
Schifffahrtswasser 18 bis 20 engl. Fuß tief zu erhalten. Die Ansicht sämmt¬
licher Ingenieure, denen die betreffenden Arbeiten anvertraut waren, ging
dahin, daß das Fahrwasser uur dadurch erhalten werden könne, daß der
Schlamm mit Maschinen aus dem Bett des Stromes gehoben und hin¬
ausgefahren würde in den Golf und zwar erst da in den letzteren ausge¬
leert würde, wo der Golfstrom mächtig genug ist, die Schlammmassen von der
Mündung des Passes fortzureißen. Ein Arm des Golfstroms streicht nämlich
in weitem Bogen dicht an den Mündungen des Mississippi vorbei; er kommt
am Ausfluß des Lvutd.?c>,88 dem Lande am nächsten und ist außerdem gerade
dort am stärksten, seine Stromgeschwindigkeit ist an dieser Stelle fast die dop¬
pelte von derjenigen, mit welcher die Waffer des Loutli 'West ?ass sich in
den Ozean ergießen.

Nachdem die Genieoffiziere über fünfzig lange Jahre an der Erhaltung
des Südwest-Passes gearbeitet hatten, nachdem es zum Glaubenssätze geworden
war, daß in dein weicher als weichen Schlamm des Mississippi jede andere
Angriffsmethode als die durch Baggermaschiuen fruchtlos sei, da kommt auf
einmal, vor nun vier Jahren, ein junger unbekannter Ingenieur, James B.
Eads, und macht der Regierung der Verewigten Staaten den Vorschlag, er
wolle den Strom so einengen, daß dieser sein Bett nicht nur selbst reinigen
und freihalten solle, sondern daß die losgerissenen Massen auch von selbst in
den Golfstrom hinausgeführt und dann von diesem wieder weiter mit fortgerissen
würden. Mittels Bnhnenbanten wolle er dem Strome die erforderliche Breite
und Tiefe und dessen Wassern die nöthige Geschwindigkeit aufzwingen, er wolle
gleichzeitig durch Anlage langgestreckter Parallelbuhnen (parallel zur Strom-
richtu-ng) deu Flußlauf bis zu der Stelle im Golf verlängern, wo der
Boden des Golfes sich abgrundähnlich plötzlich von 12 Fuß auf 300 Faden
Tiefe senkt.

Der Vorschlag enthielt für Ingenieure nichts Neues; war doch dasselbe
wieder und wieder an allen größeren und kleineren Strömen der alten und
neuen Welt mit mehr oder weniger Glück ausgeführt worden. Trotzdem erhob
sich ein Sturm der Entrüstung gegen den kühnen Antragsteller; von allen
Genieoffizieren und Laien wurde er verhöhnt und angefeindet, daß er den
„Vater der Gewässer" einengen wolle, wie einen Rhein, eine Oder. Die Gegner
seines Vorschlags hielten ihm ein, daß der weiche Boden des Mississippi eine
Buhne gar uicht zu tragen im Stande sei; jeder Stein, den er versenken wolle,
würde sofort in's Bodenlvfe des Schlammes sinken, er könne die Buhnen nie¬
mals befestigen. Er erwiederte, daß er zu deu Buhnen gar nicht Steine nehmen


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[0442] Schlämmen dieser Einfahrt zu verhindern. Jahr aus Jahr ein waren unter der Leitung der Genieoffiziere große Dampfbaggermaschinen bemüht, das Schifffahrtswasser 18 bis 20 engl. Fuß tief zu erhalten. Die Ansicht sämmt¬ licher Ingenieure, denen die betreffenden Arbeiten anvertraut waren, ging dahin, daß das Fahrwasser uur dadurch erhalten werden könne, daß der Schlamm mit Maschinen aus dem Bett des Stromes gehoben und hin¬ ausgefahren würde in den Golf und zwar erst da in den letzteren ausge¬ leert würde, wo der Golfstrom mächtig genug ist, die Schlammmassen von der Mündung des Passes fortzureißen. Ein Arm des Golfstroms streicht nämlich in weitem Bogen dicht an den Mündungen des Mississippi vorbei; er kommt am Ausfluß des Lvutd.?c>,88 dem Lande am nächsten und ist außerdem gerade dort am stärksten, seine Stromgeschwindigkeit ist an dieser Stelle fast die dop¬ pelte von derjenigen, mit welcher die Waffer des Loutli 'West ?ass sich in den Ozean ergießen. Nachdem die Genieoffiziere über fünfzig lange Jahre an der Erhaltung des Südwest-Passes gearbeitet hatten, nachdem es zum Glaubenssätze geworden war, daß in dein weicher als weichen Schlamm des Mississippi jede andere Angriffsmethode als die durch Baggermaschiuen fruchtlos sei, da kommt auf einmal, vor nun vier Jahren, ein junger unbekannter Ingenieur, James B. Eads, und macht der Regierung der Verewigten Staaten den Vorschlag, er wolle den Strom so einengen, daß dieser sein Bett nicht nur selbst reinigen und freihalten solle, sondern daß die losgerissenen Massen auch von selbst in den Golfstrom hinausgeführt und dann von diesem wieder weiter mit fortgerissen würden. Mittels Bnhnenbanten wolle er dem Strome die erforderliche Breite und Tiefe und dessen Wassern die nöthige Geschwindigkeit aufzwingen, er wolle gleichzeitig durch Anlage langgestreckter Parallelbuhnen (parallel zur Strom- richtu-ng) deu Flußlauf bis zu der Stelle im Golf verlängern, wo der Boden des Golfes sich abgrundähnlich plötzlich von 12 Fuß auf 300 Faden Tiefe senkt. Der Vorschlag enthielt für Ingenieure nichts Neues; war doch dasselbe wieder und wieder an allen größeren und kleineren Strömen der alten und neuen Welt mit mehr oder weniger Glück ausgeführt worden. Trotzdem erhob sich ein Sturm der Entrüstung gegen den kühnen Antragsteller; von allen Genieoffizieren und Laien wurde er verhöhnt und angefeindet, daß er den „Vater der Gewässer" einengen wolle, wie einen Rhein, eine Oder. Die Gegner seines Vorschlags hielten ihm ein, daß der weiche Boden des Mississippi eine Buhne gar uicht zu tragen im Stande sei; jeder Stein, den er versenken wolle, würde sofort in's Bodenlvfe des Schlammes sinken, er könne die Buhnen nie¬ mals befestigen. Er erwiederte, daß er zu deu Buhnen gar nicht Steine nehmen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/442>, abgerufen am 21.10.2024.