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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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möglichen Tort an. Von Wallerstein aus adressirte man Briefe an den Abt,
ohne ihm den gebührenden Titel "Reichsprälat" zu geben; sie wurden unauf-
gebrochen zurückgeschickt. Auf Befehl des Fürsten richteten die Wallersteiner
in Ortschaften, die zum Stifte gehörten, Zolltafeln auf; vom Kloster wurden
sie wieder heruntergerissen. Natürlich hatten die beiderseitigen Unterthanen von
dieser Feindschaft am meisten zu leiden. Der Abt baute den Wallersteinern
Wolfsgruben, und lieber ließ er das Holz in seinen Waldungen verrotten, als
daß er erlaubt hätte, es an die Unterthanen seines Gegners zu verkaufen.
Dafür hielten die Wallersteiuer seine Weinsnhren aus Würtemberg und Franken
an, oder sie hinderten die Klvsterbanern ihr Vieh auf die Weide zu treiben,
und was dergleichen Chikanen mehr waren. Im Ganzen scheinen die geistlichen
Herren in diesem kleinen Kriege doch den Kürzeren gezogen zu haben. Er
machte sich um so unangenehmer für sie fühlbar, da das Städtchen Neresheim
selbst wallersteinisch und deshalb eine fast tägliche Berührung mit dem Feinde
kaum zu umgehen war. Besonders die weltlichen Beamten des Klosters waren
in Folge dessen vielerlei Versuchungen ausgesetzt. Ein vornehmer und ein¬
flußreicher Herr, wie der Fürst, vermochte seinen Anhängern manche Vortheile
zu bieten, die ein verhältnißmäßig kleiner Prälat nicht bieten konnte. Thatsache
ist es, daß in den letzten drei Decennien mehrere Klosterbeamte in waller-
steinische Dienste übertraten.

Trotz aller Feindschaft bestand aber doch anch wieder eine Art Kartellver¬
hältniß zwischen den beiden Gegnern. Man besuchte und bewirthete sich
gelegentlich. Bei Taufe", Heirathen und Begräbnissen sah man es in Waller-
stein gern, wenn ein oder der andere fromme Vater von Neresheim die Fest¬
lichkeit durch seine Gegenwart erhöhte. So wurde, als im Januar 1791 die
Gräfin von Baldem, die Mutter des Fürsten, starb, der?. Magnus Faus
eingeladen, die Leichenrede zu halten. Er that es auch und überreichte nachher
eine Abschrift davon dem Fürsten, der sie "mit Dank und mit der Aeußerung
annahm, daß er einstweilen sein Schuldner sei; ob aber, fügt unser Berichter¬
statter bei, ein Fürst, der so gerne wie dieser Schulden macht und schuldig
bleibt, dem Prediger ein Douceur machen werde, steht noch in großem Zweifel.
Er ist unserm hochseligen Herrn sein vertragsmäßig gebührendes Copulations-
präscnt auch noch schuldig. Dem ?. Karl Nagg versprach er im Jahre
1786, da dieser die Stadtpfarrei Neresheim versah und mit den Schulkindern
eine Prüfung abhielt, ebenfalls ein schönes Präsent, und hat noch bis auf
gegenwärtige Zeit nichts gegeben." Diesmal zeigte sich übrigens seine Durch¬
laucht nobler; er schickte ein paar Wochen später dem Leichenredner ein Geschenk
von 00 Gulden, 0 Pfund Zucker und 6 Pfund Kaffee.

Außer deu Zwistigkeiten mit dem Hause Oeningen und anderen Nachbarn gab


möglichen Tort an. Von Wallerstein aus adressirte man Briefe an den Abt,
ohne ihm den gebührenden Titel „Reichsprälat" zu geben; sie wurden unauf-
gebrochen zurückgeschickt. Auf Befehl des Fürsten richteten die Wallersteiner
in Ortschaften, die zum Stifte gehörten, Zolltafeln auf; vom Kloster wurden
sie wieder heruntergerissen. Natürlich hatten die beiderseitigen Unterthanen von
dieser Feindschaft am meisten zu leiden. Der Abt baute den Wallersteinern
Wolfsgruben, und lieber ließ er das Holz in seinen Waldungen verrotten, als
daß er erlaubt hätte, es an die Unterthanen seines Gegners zu verkaufen.
Dafür hielten die Wallersteiuer seine Weinsnhren aus Würtemberg und Franken
an, oder sie hinderten die Klvsterbanern ihr Vieh auf die Weide zu treiben,
und was dergleichen Chikanen mehr waren. Im Ganzen scheinen die geistlichen
Herren in diesem kleinen Kriege doch den Kürzeren gezogen zu haben. Er
machte sich um so unangenehmer für sie fühlbar, da das Städtchen Neresheim
selbst wallersteinisch und deshalb eine fast tägliche Berührung mit dem Feinde
kaum zu umgehen war. Besonders die weltlichen Beamten des Klosters waren
in Folge dessen vielerlei Versuchungen ausgesetzt. Ein vornehmer und ein¬
flußreicher Herr, wie der Fürst, vermochte seinen Anhängern manche Vortheile
zu bieten, die ein verhältnißmäßig kleiner Prälat nicht bieten konnte. Thatsache
ist es, daß in den letzten drei Decennien mehrere Klosterbeamte in waller-
steinische Dienste übertraten.

Trotz aller Feindschaft bestand aber doch anch wieder eine Art Kartellver¬
hältniß zwischen den beiden Gegnern. Man besuchte und bewirthete sich
gelegentlich. Bei Taufe», Heirathen und Begräbnissen sah man es in Waller-
stein gern, wenn ein oder der andere fromme Vater von Neresheim die Fest¬
lichkeit durch seine Gegenwart erhöhte. So wurde, als im Januar 1791 die
Gräfin von Baldem, die Mutter des Fürsten, starb, der?. Magnus Faus
eingeladen, die Leichenrede zu halten. Er that es auch und überreichte nachher
eine Abschrift davon dem Fürsten, der sie „mit Dank und mit der Aeußerung
annahm, daß er einstweilen sein Schuldner sei; ob aber, fügt unser Berichter¬
statter bei, ein Fürst, der so gerne wie dieser Schulden macht und schuldig
bleibt, dem Prediger ein Douceur machen werde, steht noch in großem Zweifel.
Er ist unserm hochseligen Herrn sein vertragsmäßig gebührendes Copulations-
präscnt auch noch schuldig. Dem ?. Karl Nagg versprach er im Jahre
1786, da dieser die Stadtpfarrei Neresheim versah und mit den Schulkindern
eine Prüfung abhielt, ebenfalls ein schönes Präsent, und hat noch bis auf
gegenwärtige Zeit nichts gegeben." Diesmal zeigte sich übrigens seine Durch¬
laucht nobler; er schickte ein paar Wochen später dem Leichenredner ein Geschenk
von 00 Gulden, 0 Pfund Zucker und 6 Pfund Kaffee.

Außer deu Zwistigkeiten mit dem Hause Oeningen und anderen Nachbarn gab


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[0426] möglichen Tort an. Von Wallerstein aus adressirte man Briefe an den Abt, ohne ihm den gebührenden Titel „Reichsprälat" zu geben; sie wurden unauf- gebrochen zurückgeschickt. Auf Befehl des Fürsten richteten die Wallersteiner in Ortschaften, die zum Stifte gehörten, Zolltafeln auf; vom Kloster wurden sie wieder heruntergerissen. Natürlich hatten die beiderseitigen Unterthanen von dieser Feindschaft am meisten zu leiden. Der Abt baute den Wallersteinern Wolfsgruben, und lieber ließ er das Holz in seinen Waldungen verrotten, als daß er erlaubt hätte, es an die Unterthanen seines Gegners zu verkaufen. Dafür hielten die Wallersteiuer seine Weinsnhren aus Würtemberg und Franken an, oder sie hinderten die Klvsterbanern ihr Vieh auf die Weide zu treiben, und was dergleichen Chikanen mehr waren. Im Ganzen scheinen die geistlichen Herren in diesem kleinen Kriege doch den Kürzeren gezogen zu haben. Er machte sich um so unangenehmer für sie fühlbar, da das Städtchen Neresheim selbst wallersteinisch und deshalb eine fast tägliche Berührung mit dem Feinde kaum zu umgehen war. Besonders die weltlichen Beamten des Klosters waren in Folge dessen vielerlei Versuchungen ausgesetzt. Ein vornehmer und ein¬ flußreicher Herr, wie der Fürst, vermochte seinen Anhängern manche Vortheile zu bieten, die ein verhältnißmäßig kleiner Prälat nicht bieten konnte. Thatsache ist es, daß in den letzten drei Decennien mehrere Klosterbeamte in waller- steinische Dienste übertraten. Trotz aller Feindschaft bestand aber doch anch wieder eine Art Kartellver¬ hältniß zwischen den beiden Gegnern. Man besuchte und bewirthete sich gelegentlich. Bei Taufe», Heirathen und Begräbnissen sah man es in Waller- stein gern, wenn ein oder der andere fromme Vater von Neresheim die Fest¬ lichkeit durch seine Gegenwart erhöhte. So wurde, als im Januar 1791 die Gräfin von Baldem, die Mutter des Fürsten, starb, der?. Magnus Faus eingeladen, die Leichenrede zu halten. Er that es auch und überreichte nachher eine Abschrift davon dem Fürsten, der sie „mit Dank und mit der Aeußerung annahm, daß er einstweilen sein Schuldner sei; ob aber, fügt unser Berichter¬ statter bei, ein Fürst, der so gerne wie dieser Schulden macht und schuldig bleibt, dem Prediger ein Douceur machen werde, steht noch in großem Zweifel. Er ist unserm hochseligen Herrn sein vertragsmäßig gebührendes Copulations- präscnt auch noch schuldig. Dem ?. Karl Nagg versprach er im Jahre 1786, da dieser die Stadtpfarrei Neresheim versah und mit den Schulkindern eine Prüfung abhielt, ebenfalls ein schönes Präsent, und hat noch bis auf gegenwärtige Zeit nichts gegeben." Diesmal zeigte sich übrigens seine Durch¬ laucht nobler; er schickte ein paar Wochen später dem Leichenredner ein Geschenk von 00 Gulden, 0 Pfund Zucker und 6 Pfund Kaffee. Außer deu Zwistigkeiten mit dem Hause Oeningen und anderen Nachbarn gab

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/426>, abgerufen am 29.09.2024.