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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Vunsen gehört, und daß er meines Wissens zu denjenigen deutschen Gelehrten
zählt, für welche die Reklame am nachdrücklichsten und ausdauerndsten ge¬
arbeitet hat. Er ist Mitglied der berliner Akademie der Wissenschaften, des¬
gleichen neutre as I'Iustiwt, und soll ein tüchtiger Sanskritforscher sein, was
ich nicht in Zweifel ziehe, wenn ich es anch nicht recht geschmackvoll finden
möchte, daß feine guten Freunde in der Augsburger Allgemeinen ihn selten
nennen, ohne ihn mit der Apposition "unser berühmter Landsmann" zu be¬
kränzen. Die Herausgabe indischer Texte, wofür einer der Orleans sich
interessirt und zahlt, hat ihn mit dieser angenehmen Familie in Verbindung
gebracht. Neben seinen Vorlesungen in Oxford hat er deren von Zeit zu Zeit
auch in London gehalten, in denen er sich vor einem fashionabeln, auch weib¬
lichen Publikum über die Entstehung der Sprache, den Ursprung der Religion
und ähnliche Gegenstände verbreitete. Seine zahlreichen Gönner in Deutsch¬
land meldeten vor einigen Jahren, er habe sich erbitten lassen, auch hier in
Straßburg Vorträge zu halten. Seine Freunde in England freilich stellten
die Sache anders dar: sie wollten wissen, der Aufenthalt auf britischen Boden
sauge an, ihm unbehaglich zu werden, oder wie sie es ausdrückten, "LnAlauck
it-la dseoine too Kot lor tun." Sei dem, wie ihm wolle, er erschien vorüber¬
gehend hier und las. Daneben aber beschäftigten ihn, wie man behauptet,
auch andere Dinge, hochfliegende Hoffnungen und Wünsche z. B>, die ich nur
andeute. So gut er in den Vorlesungen über den Ursprung der Religion die
Forderungen und Ergebnisse der Wissenschaft mit der in England unerläßlichen
gläubigen resWet^ditil^ zu verbinden verstanden hatte, fühlte er sich doch zum
preußischen Kultusminister nicht qualificirt. Allein es war kein neuer Ge¬
danke, daß in Falk's Nachlaß zwei sich theilen könnten, und das Departement
des Unterrichts -- zuvörderst vielleicht in Karlsruhe, dann in Berlin -- hätte
sein Selbstgefühl vermuthlich nicht ausgeschlagen. Dazu mußte aber Falk
doch erst beseitigt sein; denn "dtMilltaL viventis non as.or".

Auch Rückwirkungen von Osten nach Westen, vom rechten Rheinufer auf
das linke sollen seit dem Winter von 1874 zu 75 stattgefunden haben. Sie
machten sich, wie man hört, durch lebhaftes Interesse für die angeblich in
ihrem guten Rechte beschränkte französische Sprache, dann für französischen
Sprachunterricht und zuletzt für französischen Religionsunterricht und priester¬
liche Religionslehrer in den Mädchenschulen und Pensionaten des Reichslandes
bemerklich. In Beamtenkreisen erzählt man sich, daß sich in Betreff dieser
Materien geradezu eine Art von konkurrirenden Privatdecernat bis zur höchsten
Instanz des Reichs hinauf und wieder von dieser herab ausgebildet habe.
Erfolge freilich haben glücklicherweise die aus jenem Interesse entsprungenen
Bemühungen von unten hinauf meines Wissens noch nicht zu verzeichnen.


Vunsen gehört, und daß er meines Wissens zu denjenigen deutschen Gelehrten
zählt, für welche die Reklame am nachdrücklichsten und ausdauerndsten ge¬
arbeitet hat. Er ist Mitglied der berliner Akademie der Wissenschaften, des¬
gleichen neutre as I'Iustiwt, und soll ein tüchtiger Sanskritforscher sein, was
ich nicht in Zweifel ziehe, wenn ich es anch nicht recht geschmackvoll finden
möchte, daß feine guten Freunde in der Augsburger Allgemeinen ihn selten
nennen, ohne ihn mit der Apposition „unser berühmter Landsmann" zu be¬
kränzen. Die Herausgabe indischer Texte, wofür einer der Orleans sich
interessirt und zahlt, hat ihn mit dieser angenehmen Familie in Verbindung
gebracht. Neben seinen Vorlesungen in Oxford hat er deren von Zeit zu Zeit
auch in London gehalten, in denen er sich vor einem fashionabeln, auch weib¬
lichen Publikum über die Entstehung der Sprache, den Ursprung der Religion
und ähnliche Gegenstände verbreitete. Seine zahlreichen Gönner in Deutsch¬
land meldeten vor einigen Jahren, er habe sich erbitten lassen, auch hier in
Straßburg Vorträge zu halten. Seine Freunde in England freilich stellten
die Sache anders dar: sie wollten wissen, der Aufenthalt auf britischen Boden
sauge an, ihm unbehaglich zu werden, oder wie sie es ausdrückten, „LnAlauck
it-la dseoine too Kot lor tun." Sei dem, wie ihm wolle, er erschien vorüber¬
gehend hier und las. Daneben aber beschäftigten ihn, wie man behauptet,
auch andere Dinge, hochfliegende Hoffnungen und Wünsche z. B>, die ich nur
andeute. So gut er in den Vorlesungen über den Ursprung der Religion die
Forderungen und Ergebnisse der Wissenschaft mit der in England unerläßlichen
gläubigen resWet^ditil^ zu verbinden verstanden hatte, fühlte er sich doch zum
preußischen Kultusminister nicht qualificirt. Allein es war kein neuer Ge¬
danke, daß in Falk's Nachlaß zwei sich theilen könnten, und das Departement
des Unterrichts — zuvörderst vielleicht in Karlsruhe, dann in Berlin — hätte
sein Selbstgefühl vermuthlich nicht ausgeschlagen. Dazu mußte aber Falk
doch erst beseitigt sein; denn „dtMilltaL viventis non as.or".

Auch Rückwirkungen von Osten nach Westen, vom rechten Rheinufer auf
das linke sollen seit dem Winter von 1874 zu 75 stattgefunden haben. Sie
machten sich, wie man hört, durch lebhaftes Interesse für die angeblich in
ihrem guten Rechte beschränkte französische Sprache, dann für französischen
Sprachunterricht und zuletzt für französischen Religionsunterricht und priester¬
liche Religionslehrer in den Mädchenschulen und Pensionaten des Reichslandes
bemerklich. In Beamtenkreisen erzählt man sich, daß sich in Betreff dieser
Materien geradezu eine Art von konkurrirenden Privatdecernat bis zur höchsten
Instanz des Reichs hinauf und wieder von dieser herab ausgebildet habe.
Erfolge freilich haben glücklicherweise die aus jenem Interesse entsprungenen
Bemühungen von unten hinauf meines Wissens noch nicht zu verzeichnen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/42>, abgerufen am 28.09.2024.