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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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thurm, auf der Hauptwache oder sonst in anständigen Lokalen bewacht, Per¬
sonen von niederem Range im Neuen Thurm oder bei Fällen stärkeren Verdachtes im
Falkenthurm. Zu den entehrenden Strafen zählten das Zuchthaus, der Pranger,
das Schragenstehen mit Schlägen, das Ausbrennen eines Buchstabens auf den
Rücken, das öffentliche Gassenkehrer u. a.

Im alten Kriminalprozeß galt die Tortur als Hanptüberführungsmittel.
Er verlangte ein Gestündniß und suchte es durch die Tortur zu erlangen. Ihr
Sitz war in München der obenerwähnte Falkenthurm. Die Tortur begciuu
mit Ausspannung der Glieder und dreimaligem Streichen mit Gerten. Hatte
das keinen Erfolg, so wurde der Inquisit in die Folterkammer geführt und
ihm die Anwendung aller Folterwerkzeuge erklärt, ein Mittel, das in vielen
Füllen anschlug. War das nicht der Fall, so begann die "große Frage" damit,
daß der Inquisit vollkommen entkleidet, dann in ein kurzärmeliges, auf dem
Rücken.offenes "Torturhemd" gesteckt, auf eine hölzerne Bank geschnürt wurde
und mit einer Ruthe oder starken Gerte mindestens 30 Hiebe bekam. Erfolgte
kein Gestündniß, so wurde das Verfahren schon am zweiten Tage unter Ver¬
doppelung der Anzahl der Hiebe wiederholt. In der der Tortur vorhergehenden
Nacht wurde der Leib des Inquisiten durch einen um die Hüften gelegten
eisernen Reif zusammengepreßt. Dazu kamen bisweilen noch schwere eiserne
Handschuhe. Das dritte Mal begann die Tortur damit, daß der Jnanisit auf
ein Bret voll eiserner Spitzen geworfen wurde; dann folgten Ruthen- oder
Gertenhiebe, und hierauf wurden ihm an den Daumen und großen Zehen eine
starke Schnur befestigt und übers Kreuz gezogen, unter die Arme eine hölzerne
mit eisernen Spitzen besetzte Walze gesteckt und diese umgedreht. Den Schluß
'..'achte das Aufziehen des Torquirten an den ans den Rücken geschnürten
Handen, verbunden mit ruckweisem raschem Herablassen, das durch an den
Füßen angebundene Gewichte noch schmerzhafter wurde.

Unter der Herrschaft eines Kriminalgesetzes, das selbst den Diebstahl unter
Umstünden mit dem Tode bestrafte, folgte der peinlichen "Frage" oft genug die
peinliche Exekution. Verbrennen zwar und Rädern war nicht mehr recht im
Schwange, aber doch auch nicht abgeschafft, dagegen wurde desto fleißiger ge¬
henkt und geköpft und unter Umständen der "arme Sünder" auch wohl in
einer Kuhhaut zur Richtstätte geschleift. Am Hinrichtnngsmorgen läutete vom
Schönen Thurm die Armesüuderglocke, und aus dein Mittelfenster des
großen Rathhanssaales gegen den Schrannenplatz wurde ein rothes Tuch ge¬
hängt. War der Verurtheilte auf der großen Treppe zum Saale ausgestellt
gewesen, so trat der Scharfrichter an ihn heran und bat ihn wegen Verrichtung
seines Amtes um Verzeihung. Dann brach der Richter oben am Fenster den
Stab über ihn, und nun ging es zur Richtstätte hinaus, am heutigen Mars-


Grenzboten IN. 1377. 48

thurm, auf der Hauptwache oder sonst in anständigen Lokalen bewacht, Per¬
sonen von niederem Range im Neuen Thurm oder bei Fällen stärkeren Verdachtes im
Falkenthurm. Zu den entehrenden Strafen zählten das Zuchthaus, der Pranger,
das Schragenstehen mit Schlägen, das Ausbrennen eines Buchstabens auf den
Rücken, das öffentliche Gassenkehrer u. a.

Im alten Kriminalprozeß galt die Tortur als Hanptüberführungsmittel.
Er verlangte ein Gestündniß und suchte es durch die Tortur zu erlangen. Ihr
Sitz war in München der obenerwähnte Falkenthurm. Die Tortur begciuu
mit Ausspannung der Glieder und dreimaligem Streichen mit Gerten. Hatte
das keinen Erfolg, so wurde der Inquisit in die Folterkammer geführt und
ihm die Anwendung aller Folterwerkzeuge erklärt, ein Mittel, das in vielen
Füllen anschlug. War das nicht der Fall, so begann die „große Frage" damit,
daß der Inquisit vollkommen entkleidet, dann in ein kurzärmeliges, auf dem
Rücken.offenes „Torturhemd" gesteckt, auf eine hölzerne Bank geschnürt wurde
und mit einer Ruthe oder starken Gerte mindestens 30 Hiebe bekam. Erfolgte
kein Gestündniß, so wurde das Verfahren schon am zweiten Tage unter Ver¬
doppelung der Anzahl der Hiebe wiederholt. In der der Tortur vorhergehenden
Nacht wurde der Leib des Inquisiten durch einen um die Hüften gelegten
eisernen Reif zusammengepreßt. Dazu kamen bisweilen noch schwere eiserne
Handschuhe. Das dritte Mal begann die Tortur damit, daß der Jnanisit auf
ein Bret voll eiserner Spitzen geworfen wurde; dann folgten Ruthen- oder
Gertenhiebe, und hierauf wurden ihm an den Daumen und großen Zehen eine
starke Schnur befestigt und übers Kreuz gezogen, unter die Arme eine hölzerne
mit eisernen Spitzen besetzte Walze gesteckt und diese umgedreht. Den Schluß
'..'achte das Aufziehen des Torquirten an den ans den Rücken geschnürten
Handen, verbunden mit ruckweisem raschem Herablassen, das durch an den
Füßen angebundene Gewichte noch schmerzhafter wurde.

Unter der Herrschaft eines Kriminalgesetzes, das selbst den Diebstahl unter
Umstünden mit dem Tode bestrafte, folgte der peinlichen „Frage" oft genug die
peinliche Exekution. Verbrennen zwar und Rädern war nicht mehr recht im
Schwange, aber doch auch nicht abgeschafft, dagegen wurde desto fleißiger ge¬
henkt und geköpft und unter Umständen der „arme Sünder" auch wohl in
einer Kuhhaut zur Richtstätte geschleift. Am Hinrichtnngsmorgen läutete vom
Schönen Thurm die Armesüuderglocke, und aus dein Mittelfenster des
großen Rathhanssaales gegen den Schrannenplatz wurde ein rothes Tuch ge¬
hängt. War der Verurtheilte auf der großen Treppe zum Saale ausgestellt
gewesen, so trat der Scharfrichter an ihn heran und bat ihn wegen Verrichtung
seines Amtes um Verzeihung. Dann brach der Richter oben am Fenster den
Stab über ihn, und nun ging es zur Richtstätte hinaus, am heutigen Mars-


Grenzboten IN. 1377. 48
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[0385] thurm, auf der Hauptwache oder sonst in anständigen Lokalen bewacht, Per¬ sonen von niederem Range im Neuen Thurm oder bei Fällen stärkeren Verdachtes im Falkenthurm. Zu den entehrenden Strafen zählten das Zuchthaus, der Pranger, das Schragenstehen mit Schlägen, das Ausbrennen eines Buchstabens auf den Rücken, das öffentliche Gassenkehrer u. a. Im alten Kriminalprozeß galt die Tortur als Hanptüberführungsmittel. Er verlangte ein Gestündniß und suchte es durch die Tortur zu erlangen. Ihr Sitz war in München der obenerwähnte Falkenthurm. Die Tortur begciuu mit Ausspannung der Glieder und dreimaligem Streichen mit Gerten. Hatte das keinen Erfolg, so wurde der Inquisit in die Folterkammer geführt und ihm die Anwendung aller Folterwerkzeuge erklärt, ein Mittel, das in vielen Füllen anschlug. War das nicht der Fall, so begann die „große Frage" damit, daß der Inquisit vollkommen entkleidet, dann in ein kurzärmeliges, auf dem Rücken.offenes „Torturhemd" gesteckt, auf eine hölzerne Bank geschnürt wurde und mit einer Ruthe oder starken Gerte mindestens 30 Hiebe bekam. Erfolgte kein Gestündniß, so wurde das Verfahren schon am zweiten Tage unter Ver¬ doppelung der Anzahl der Hiebe wiederholt. In der der Tortur vorhergehenden Nacht wurde der Leib des Inquisiten durch einen um die Hüften gelegten eisernen Reif zusammengepreßt. Dazu kamen bisweilen noch schwere eiserne Handschuhe. Das dritte Mal begann die Tortur damit, daß der Jnanisit auf ein Bret voll eiserner Spitzen geworfen wurde; dann folgten Ruthen- oder Gertenhiebe, und hierauf wurden ihm an den Daumen und großen Zehen eine starke Schnur befestigt und übers Kreuz gezogen, unter die Arme eine hölzerne mit eisernen Spitzen besetzte Walze gesteckt und diese umgedreht. Den Schluß '..'achte das Aufziehen des Torquirten an den ans den Rücken geschnürten Handen, verbunden mit ruckweisem raschem Herablassen, das durch an den Füßen angebundene Gewichte noch schmerzhafter wurde. Unter der Herrschaft eines Kriminalgesetzes, das selbst den Diebstahl unter Umstünden mit dem Tode bestrafte, folgte der peinlichen „Frage" oft genug die peinliche Exekution. Verbrennen zwar und Rädern war nicht mehr recht im Schwange, aber doch auch nicht abgeschafft, dagegen wurde desto fleißiger ge¬ henkt und geköpft und unter Umständen der „arme Sünder" auch wohl in einer Kuhhaut zur Richtstätte geschleift. Am Hinrichtnngsmorgen läutete vom Schönen Thurm die Armesüuderglocke, und aus dein Mittelfenster des großen Rathhanssaales gegen den Schrannenplatz wurde ein rothes Tuch ge¬ hängt. War der Verurtheilte auf der großen Treppe zum Saale ausgestellt gewesen, so trat der Scharfrichter an ihn heran und bat ihn wegen Verrichtung seines Amtes um Verzeihung. Dann brach der Richter oben am Fenster den Stab über ihn, und nun ging es zur Richtstätte hinaus, am heutigen Mars- Grenzboten IN. 1377. 48

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/385>, abgerufen am 21.10.2024.