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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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durch die Gesellen veranlaßt wurden, sich zur Wahrung ihrer Interessen und
natürlichen Rechte ebenfalls genossenschaftlich zu organisiren. Der dritte Ab¬
schnitt hat es mit mehr nebensächlichen Motiven kirchlicher und geselliger Art
zum Zusammentreten in Vereine zu thun. Im vierten sehen wir die ersten
ernsteren Streitigkeiten zwischen Meistern und Knechten ausbrechen und die
Zünfte verschiedener Orte Versuche machen, sich zu gemeinschaftlichen Handeln
gegenüber den Ansprüchen der Gesellenschaften zu verbinden. Der fünfte zeigt
uns an einer Anzahl von Handwerken, daß die Verbindung der Gesellen schon
im vierzehnten und noch mehr im fünfzehnten Jahrhundert weit ausgebreitet,
vielleicht ganz allgemein nicht blos durch Deutschland organistrt war. Im
sechsten Kapitel wird hauptsächlich gezeigt, wie die religiösen Bruderschaften
mit ihren Zwecken die Schale waren, in der sich die Gesellenverbände entwickel¬
ten, wogegen das siebente die dabei in Betracht kommenden weltlichen Mo¬
mente ins Auge faßt. Der achte Abschnitt erzählt uns dann den großen Streit
der Bückersknechte zu Kolmar. Im neunten erläutert der Verfasser, wie nach
der Reformation die Vereine der Gesellen die Form der Bruderschaft, die auch
früher schon nicht allenthalben an denselben gehaftet hatte, vollständig fallen
ließen und zu rein weltlichen Assoziationen wurden. Die drei letzten Kapitel
endlich betrachten das Wesen der Gesellenverbünde, deren Stellung zu den ur¬
sprünglich allein das Handwerk vertretenden Meistern und zu den Obrigkeiten
und den Einfluß, den sie auf die ganze Gestaltung des Verhältnisses der
Arbeitnehmer zu den Arbeitgebern ausübten, worauf ein Anhang das Gesellen-
thum in der späteren Zeit, vom sechzehnten Jahrhundert an, schildert und die
alten Gesellenvereine mit deu heutigen Gewerksvereinen vergleicht. Wir em¬
pfehlen das Buch, welches auf gründlicherer Kenntniß der Sache beruht, als
die ist, über welche Stahl verfügte, und in wesentlichen Dingen zu andern Resul¬
taten als dieser gelangt, auch als klar und (einige Stellen ausgenommen, wo
der Verfasser den Meistern gegenüber unbillig wird) unbefangen geschrieben.




Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Heidin, i" Leipzig. -- Druck von Hüthcl Herrmann in Leipzig.

durch die Gesellen veranlaßt wurden, sich zur Wahrung ihrer Interessen und
natürlichen Rechte ebenfalls genossenschaftlich zu organisiren. Der dritte Ab¬
schnitt hat es mit mehr nebensächlichen Motiven kirchlicher und geselliger Art
zum Zusammentreten in Vereine zu thun. Im vierten sehen wir die ersten
ernsteren Streitigkeiten zwischen Meistern und Knechten ausbrechen und die
Zünfte verschiedener Orte Versuche machen, sich zu gemeinschaftlichen Handeln
gegenüber den Ansprüchen der Gesellenschaften zu verbinden. Der fünfte zeigt
uns an einer Anzahl von Handwerken, daß die Verbindung der Gesellen schon
im vierzehnten und noch mehr im fünfzehnten Jahrhundert weit ausgebreitet,
vielleicht ganz allgemein nicht blos durch Deutschland organistrt war. Im
sechsten Kapitel wird hauptsächlich gezeigt, wie die religiösen Bruderschaften
mit ihren Zwecken die Schale waren, in der sich die Gesellenverbände entwickel¬
ten, wogegen das siebente die dabei in Betracht kommenden weltlichen Mo¬
mente ins Auge faßt. Der achte Abschnitt erzählt uns dann den großen Streit
der Bückersknechte zu Kolmar. Im neunten erläutert der Verfasser, wie nach
der Reformation die Vereine der Gesellen die Form der Bruderschaft, die auch
früher schon nicht allenthalben an denselben gehaftet hatte, vollständig fallen
ließen und zu rein weltlichen Assoziationen wurden. Die drei letzten Kapitel
endlich betrachten das Wesen der Gesellenverbünde, deren Stellung zu den ur¬
sprünglich allein das Handwerk vertretenden Meistern und zu den Obrigkeiten
und den Einfluß, den sie auf die ganze Gestaltung des Verhältnisses der
Arbeitnehmer zu den Arbeitgebern ausübten, worauf ein Anhang das Gesellen-
thum in der späteren Zeit, vom sechzehnten Jahrhundert an, schildert und die
alten Gesellenvereine mit deu heutigen Gewerksvereinen vergleicht. Wir em¬
pfehlen das Buch, welches auf gründlicherer Kenntniß der Sache beruht, als
die ist, über welche Stahl verfügte, und in wesentlichen Dingen zu andern Resul¬
taten als dieser gelangt, auch als klar und (einige Stellen ausgenommen, wo
der Verfasser den Meistern gegenüber unbillig wird) unbefangen geschrieben.




Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig.
Verlag von F. L. Heidin, i» Leipzig. — Druck von Hüthcl Herrmann in Leipzig.
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[0328] durch die Gesellen veranlaßt wurden, sich zur Wahrung ihrer Interessen und natürlichen Rechte ebenfalls genossenschaftlich zu organisiren. Der dritte Ab¬ schnitt hat es mit mehr nebensächlichen Motiven kirchlicher und geselliger Art zum Zusammentreten in Vereine zu thun. Im vierten sehen wir die ersten ernsteren Streitigkeiten zwischen Meistern und Knechten ausbrechen und die Zünfte verschiedener Orte Versuche machen, sich zu gemeinschaftlichen Handeln gegenüber den Ansprüchen der Gesellenschaften zu verbinden. Der fünfte zeigt uns an einer Anzahl von Handwerken, daß die Verbindung der Gesellen schon im vierzehnten und noch mehr im fünfzehnten Jahrhundert weit ausgebreitet, vielleicht ganz allgemein nicht blos durch Deutschland organistrt war. Im sechsten Kapitel wird hauptsächlich gezeigt, wie die religiösen Bruderschaften mit ihren Zwecken die Schale waren, in der sich die Gesellenverbände entwickel¬ ten, wogegen das siebente die dabei in Betracht kommenden weltlichen Mo¬ mente ins Auge faßt. Der achte Abschnitt erzählt uns dann den großen Streit der Bückersknechte zu Kolmar. Im neunten erläutert der Verfasser, wie nach der Reformation die Vereine der Gesellen die Form der Bruderschaft, die auch früher schon nicht allenthalben an denselben gehaftet hatte, vollständig fallen ließen und zu rein weltlichen Assoziationen wurden. Die drei letzten Kapitel endlich betrachten das Wesen der Gesellenverbünde, deren Stellung zu den ur¬ sprünglich allein das Handwerk vertretenden Meistern und zu den Obrigkeiten und den Einfluß, den sie auf die ganze Gestaltung des Verhältnisses der Arbeitnehmer zu den Arbeitgebern ausübten, worauf ein Anhang das Gesellen- thum in der späteren Zeit, vom sechzehnten Jahrhundert an, schildert und die alten Gesellenvereine mit deu heutigen Gewerksvereinen vergleicht. Wir em¬ pfehlen das Buch, welches auf gründlicherer Kenntniß der Sache beruht, als die ist, über welche Stahl verfügte, und in wesentlichen Dingen zu andern Resul¬ taten als dieser gelangt, auch als klar und (einige Stellen ausgenommen, wo der Verfasser den Meistern gegenüber unbillig wird) unbefangen geschrieben. Verantwortlicher Redakteur: Dr. Hans Blum in Leipzig. Verlag von F. L. Heidin, i» Leipzig. — Druck von Hüthcl Herrmann in Leipzig.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/328>, abgerufen am 21.10.2024.