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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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läßt sich noch nicht übersehen, aber ganz ohne allen Einfluß darauf werden
sie schwerlich gewesen sein. Thatsache ist, daß die Aufstände und Unruhen in den
pennsylvanischen Kohlenregionen durch die blutigen Conflikte auf den Eisenbahnen
wieder neue Nahrung erhalten haben. Unzweifelhaft wird es den Staats- und
Bundesbehörden der nordamerikanischen Union bald gelingen, Ruhe und Ord-
nung wieder herzustellen. Die Haltung der Hayesadministration ist fest und
sicher; sie leidet anch in vorliegendem Falle unter den Sünden der corrupten
Grantregierung, aber sie wird, dahin stimmen alle über den Ocean zu uns
kommenden Nachrichten überein, ihre volle Schuldigkeit thun und mit Kraft
nud Umsicht die staatliche und sociale Ordnung aufrecht zu erhalten wissen.
Eine Abminderung des stehenden Heeres, welches gegenwärtig nur 25,000
Maun beträgt, wird schwerlich eintreten. Die Demokraten, die eine solche
Abminderung anstrebten, werden zweifelsohne mit ihren dahin zielenden An¬
trägen im nächsten Kongresse nicht durchdringen. Unter allen Umständen ist
aber der amerikanische Eisenbahnanfstand nicht nur für Amerika selbst, sondern
auch für Europa in vieler Hinsicht lehrreich, weshalb wir uus ein näheres
R. D. Eingehen ans denselben vorbehalten.




Aus dem alten Leipzig.

Im Sommer 1879 wird es hundert Jahre, daß ein junger Edelmann
aus Esthland die Universität Leipzig bezog, um Jura zu studiren. Derselbe
hat später die dort verlebte Zeit in seinen Denkwürdigkeiten ausführlich be-.
schrieben, sein Sohn aber hat letztere in diesen Tagen der Öffentlichkeit über¬
geben") und da der alte Herr sich wie vieler andern Dinge in seinem Leben
anch seiner Studentenjahre mit großer Lebendigkeit erinnert und namentlich
eine ziemliche Anzahl von Persönlichkeiten, mit denen ihn seine Studien in
Berührung brachten, recht hübsch zu portraitiren weiß, so ergänzt er in ver¬
schiedenen Beziehungen unsere Kunde jeuer Periode in dankenswerther Weise,
und so sehen wir uns veranlaßt, einige Auszüge ans seinen Mittheilungen zu
geben. Wir lassen ihn dabei hin und wieder selbst sprechen, drängen aber



*) In der von d. Bl, bereits besprochnen Schrift: "Die sechs Decennien meines
Lebens. Seinen Kindern und Freunden gewidmet von Eugenius Baron v. Rosen.
Riga, Verlag von N, Kymmel. 1377.

läßt sich noch nicht übersehen, aber ganz ohne allen Einfluß darauf werden
sie schwerlich gewesen sein. Thatsache ist, daß die Aufstände und Unruhen in den
pennsylvanischen Kohlenregionen durch die blutigen Conflikte auf den Eisenbahnen
wieder neue Nahrung erhalten haben. Unzweifelhaft wird es den Staats- und
Bundesbehörden der nordamerikanischen Union bald gelingen, Ruhe und Ord-
nung wieder herzustellen. Die Haltung der Hayesadministration ist fest und
sicher; sie leidet anch in vorliegendem Falle unter den Sünden der corrupten
Grantregierung, aber sie wird, dahin stimmen alle über den Ocean zu uns
kommenden Nachrichten überein, ihre volle Schuldigkeit thun und mit Kraft
nud Umsicht die staatliche und sociale Ordnung aufrecht zu erhalten wissen.
Eine Abminderung des stehenden Heeres, welches gegenwärtig nur 25,000
Maun beträgt, wird schwerlich eintreten. Die Demokraten, die eine solche
Abminderung anstrebten, werden zweifelsohne mit ihren dahin zielenden An¬
trägen im nächsten Kongresse nicht durchdringen. Unter allen Umständen ist
aber der amerikanische Eisenbahnanfstand nicht nur für Amerika selbst, sondern
auch für Europa in vieler Hinsicht lehrreich, weshalb wir uus ein näheres
R. D. Eingehen ans denselben vorbehalten.




Aus dem alten Leipzig.

Im Sommer 1879 wird es hundert Jahre, daß ein junger Edelmann
aus Esthland die Universität Leipzig bezog, um Jura zu studiren. Derselbe
hat später die dort verlebte Zeit in seinen Denkwürdigkeiten ausführlich be-.
schrieben, sein Sohn aber hat letztere in diesen Tagen der Öffentlichkeit über¬
geben") und da der alte Herr sich wie vieler andern Dinge in seinem Leben
anch seiner Studentenjahre mit großer Lebendigkeit erinnert und namentlich
eine ziemliche Anzahl von Persönlichkeiten, mit denen ihn seine Studien in
Berührung brachten, recht hübsch zu portraitiren weiß, so ergänzt er in ver¬
schiedenen Beziehungen unsere Kunde jeuer Periode in dankenswerther Weise,
und so sehen wir uns veranlaßt, einige Auszüge ans seinen Mittheilungen zu
geben. Wir lassen ihn dabei hin und wieder selbst sprechen, drängen aber



*) In der von d. Bl, bereits besprochnen Schrift: „Die sechs Decennien meines
Lebens. Seinen Kindern und Freunden gewidmet von Eugenius Baron v. Rosen.
Riga, Verlag von N, Kymmel. 1377.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/308>, abgerufen am 28.09.2024.