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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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um bei der letzten Staatswahl in Pennsylvanien gekauft habe, ist noch immer
mich: ganz widerlegt worden.

Der Name der Mvlly Macguires soll damit zusammenhängen, daß sie
sich bei der Ausführung der ihnen anbefohlenen Verbrechen häufig als Frauen
verkleideten. Ihren Opfern pflegten sie Drohbriefe zuzusenden, an deren Spitze
sich ein großes lateinisches "v" (ilWtK -- Tod) befand, während in der Mitte
Mi mit den Worten: "Dies ist dein Haus" umschriebener Sarg abgebildet
war; nicht selten folgten dann noch einige abgezeichnete Pistolen oder Revolver
und die Gründe der beabsichtigten Mordthat. Bei den Arbeitseinstellungen,
die vor etwa zwei Jahren in den Kohlenregionen stattfanden, spielten die Mollies
die Hauptrolle; außer verschiedenett Mordthaten, die damals vorkamen, wurden
Schienenstränge aufgerissen, Telegraphenleitungeil zerstört und Werkstätten
verwüstet.

Von den gegen Ende des vorigen Jahres verhafteten 15 Verbrechern
wurden bis jetzt 12 für des Mordes schuldig befunden und 11 am 21. Juni
d. I. hingerichtet; zehn unter diesen Hingerichteten gehörten dem Bunde der
Molly Macguires an. Kein einziger von diesen mißleiteten Menschen machte
besondere Geständnisse oder zeigte Spuren von Neue. Die in den Kohlen-
Legionen lebende irländische Bevölkerung aber schien sogar geneigt, in den Hin¬
gerichteten Feinden der menschlichen Gesellschaft und staatlichen Ordnung Mär¬
tyrer zu erblicken. So schrieb man z. B. unterm 23. Juni d. I. aus dem
pennsylvanischen Städtchen Manch Chunk, wo vier von den verurtheilten Mollies,
nämlich Dohle, Campbell, Doncchue und Kelly, den Tod am Galgen starben,
folgendes: "Am Tage der Hinrichtung wurden zwei schöne, aus herrlichem
Blumen gefertigte Kränze durch die Hauptstraßen der Stadt in das Gefängniß
gebracht und auf die Särge von Dohle und Campbell gelegt, und seit der
Hinrichtung haben viele Personen in recht auffälliger Weise ihre Sympathie
Inr die Hingerichteten Mörder an den Tag zu legen gesucht. Wenn dies im
Allgemeinen die Stimmung der irländischen Bevölkerung ist, dann beweist dies
mir, daß das Uebel tiefer sitzt, als man geahnt hat, und daß es noch lange
und große Anstrengungen kosten wird, das Molly Macgnire-Uebel auszurotten.
Früher hatte der achtungswerthere Theil der irländischen Bevölkerung mit
unter Stimme die Verbrechen der Molly Macguires verdammt und deren
Bestrafung verlangt, jetzt aber scheint auch jener Theil geneigt zu sein, die¬
jenigen Macguires, die kürzlich die gerechte Strafe für ihre Missethaten er¬
litten haben, mit dem Glorienschein des Märtyrerthums zu umgeben. Das
Leichenbegängniß des zu Pottsville im benachbarten Schuylkill - County Hinge¬
richteten James Carroll war ein so pomphaftes und es schlössen sich demselben
so viele Leidtragende an, als wäre dieser Mensch ein Wohlthäter des Gemein-


Grenzlwtm III. 1377. 36

um bei der letzten Staatswahl in Pennsylvanien gekauft habe, ist noch immer
mich: ganz widerlegt worden.

Der Name der Mvlly Macguires soll damit zusammenhängen, daß sie
sich bei der Ausführung der ihnen anbefohlenen Verbrechen häufig als Frauen
verkleideten. Ihren Opfern pflegten sie Drohbriefe zuzusenden, an deren Spitze
sich ein großes lateinisches „v" (ilWtK — Tod) befand, während in der Mitte
Mi mit den Worten: „Dies ist dein Haus" umschriebener Sarg abgebildet
war; nicht selten folgten dann noch einige abgezeichnete Pistolen oder Revolver
und die Gründe der beabsichtigten Mordthat. Bei den Arbeitseinstellungen,
die vor etwa zwei Jahren in den Kohlenregionen stattfanden, spielten die Mollies
die Hauptrolle; außer verschiedenett Mordthaten, die damals vorkamen, wurden
Schienenstränge aufgerissen, Telegraphenleitungeil zerstört und Werkstätten
verwüstet.

Von den gegen Ende des vorigen Jahres verhafteten 15 Verbrechern
wurden bis jetzt 12 für des Mordes schuldig befunden und 11 am 21. Juni
d. I. hingerichtet; zehn unter diesen Hingerichteten gehörten dem Bunde der
Molly Macguires an. Kein einziger von diesen mißleiteten Menschen machte
besondere Geständnisse oder zeigte Spuren von Neue. Die in den Kohlen-
Legionen lebende irländische Bevölkerung aber schien sogar geneigt, in den Hin¬
gerichteten Feinden der menschlichen Gesellschaft und staatlichen Ordnung Mär¬
tyrer zu erblicken. So schrieb man z. B. unterm 23. Juni d. I. aus dem
pennsylvanischen Städtchen Manch Chunk, wo vier von den verurtheilten Mollies,
nämlich Dohle, Campbell, Doncchue und Kelly, den Tod am Galgen starben,
folgendes: „Am Tage der Hinrichtung wurden zwei schöne, aus herrlichem
Blumen gefertigte Kränze durch die Hauptstraßen der Stadt in das Gefängniß
gebracht und auf die Särge von Dohle und Campbell gelegt, und seit der
Hinrichtung haben viele Personen in recht auffälliger Weise ihre Sympathie
Inr die Hingerichteten Mörder an den Tag zu legen gesucht. Wenn dies im
Allgemeinen die Stimmung der irländischen Bevölkerung ist, dann beweist dies
mir, daß das Uebel tiefer sitzt, als man geahnt hat, und daß es noch lange
und große Anstrengungen kosten wird, das Molly Macgnire-Uebel auszurotten.
Früher hatte der achtungswerthere Theil der irländischen Bevölkerung mit
unter Stimme die Verbrechen der Molly Macguires verdammt und deren
Bestrafung verlangt, jetzt aber scheint auch jener Theil geneigt zu sein, die¬
jenigen Macguires, die kürzlich die gerechte Strafe für ihre Missethaten er¬
litten haben, mit dem Glorienschein des Märtyrerthums zu umgeben. Das
Leichenbegängniß des zu Pottsville im benachbarten Schuylkill - County Hinge¬
richteten James Carroll war ein so pomphaftes und es schlössen sich demselben
so viele Leidtragende an, als wäre dieser Mensch ein Wohlthäter des Gemein-


Grenzlwtm III. 1377. 36
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/305>, abgerufen am 21.10.2024.