Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hervorgerufene Erbitterung dein socialen Kampfe, dem Kampfe um das Mein
und Dein, noch eine ganz besonders furchtbare Gewalt gegeben. Als dies
irländische Verbindungswesen nach den Vereinigten Staaten übersiedelte, haftete
ihm noch der Charakter gewaltthätiger Verschwörungen gegen politische
Widersacher an. Da nun aber in politischer Beziehung solche Widersacher in
Amerika wenig oder gar nicht existirten, so wandte sich die besagte Geheim-
bündelei nur zu leicht gegen sociale Gegner, d. h. gegen Alle, welche im
täglichen Leben den Mitgliedern jener irländischen Orden entgegentraten, sei es
als Arbeitgeber, Aufseher, Werkführer, obrigkeitliche Personen oder als Feinde
der irländischen Nationalität. Ein charakteristisches Kennzeichen des Molly
Macguirethums ist seine nationale Ausschließlichkeit. Nur Jrländer,
und zwar katholischer Confession, können Mitglieder sein, nur ihre In¬
teressen werden geschützt. Die Molly Macguires erscheinen als ein irisch-natio¬
naler Geheimbund, als eine Unterabtheilung oder ein Zweig des Ordens der
alten "Hibernier." Daß dieser letztgenannte Orden in den Vereinigten Staaten
Gewaltthat und Mord predige oder begünstige, ist bis jetzt nicht bewiesen,
vielmehr hat die oberste Leitung des amerikanischen Hibernierordens, die in
der Stadt New-Ivrk ihren Sitz hat, offen das gesetzliche Treiben der Molly
Macguires verurtheilt und deren Logen als ausgeschlossen von dem Orden
der Hibernier erklärt.

Der "Philadelphia Demokrat" läßt sich über die in Rede stehende Mord-
verbinduug u. a. folgendermaßen aus: "Die Verbindung der Molly Mac¬
guires steht offenbar im Zusammenhang mit dem Orden der Hibernier (Urniere
Order of Hibernians. A. O. H.) in Irland. Der Zusammenhang mit dein
Hibernierorden in New-Iork ist nicht genau nachgewiesen, auch hat in letzterer
Zeit dieser Orden jenen Zusammenhang feierlich in Abrede gestellt. Dennoch
ist es Thatsache, daß die Mollies, wie die Molly Macguires auch knrzhin ge¬
nannt werden, ihre Tagesbefehle und sonstigen Anweisungen von der Großloge
der Hibernier in Irland erhalten, wenn sie auch in ihrem Mordwesen selbständig
vorangingen. Darin strebten sie dem Treiben der irländischen "Rebekka" (zu¬
weilen anch Molly Macguire genannt) nach, eines Bundes, der sich wegen
der Bedrückungen durch die Grundbesitzer in Irland mit Brandstiftung und
Mord zu rächen Pflegt. Auch der Rebekka-Bund wird übrigeus vielfach mit
dem Orden der Hibernier in Verbindung gebracht."

Die erste genauere Kenntniß von dem Wesen der Mollies erhielt man
durch einen jungen Irländer, Namens Mac Parlär; derselbe gab sich für einen
wegen Raubmord und Falschmünzerei von den Staatsbehörden verfolgten Ver¬
brecher aus, erwarb sich so die Freundschaft und das Vertrauen der Mollies
und wurde sogar in einer Conntyorganisation des verbrecherischen Bundes zum


hervorgerufene Erbitterung dein socialen Kampfe, dem Kampfe um das Mein
und Dein, noch eine ganz besonders furchtbare Gewalt gegeben. Als dies
irländische Verbindungswesen nach den Vereinigten Staaten übersiedelte, haftete
ihm noch der Charakter gewaltthätiger Verschwörungen gegen politische
Widersacher an. Da nun aber in politischer Beziehung solche Widersacher in
Amerika wenig oder gar nicht existirten, so wandte sich die besagte Geheim-
bündelei nur zu leicht gegen sociale Gegner, d. h. gegen Alle, welche im
täglichen Leben den Mitgliedern jener irländischen Orden entgegentraten, sei es
als Arbeitgeber, Aufseher, Werkführer, obrigkeitliche Personen oder als Feinde
der irländischen Nationalität. Ein charakteristisches Kennzeichen des Molly
Macguirethums ist seine nationale Ausschließlichkeit. Nur Jrländer,
und zwar katholischer Confession, können Mitglieder sein, nur ihre In¬
teressen werden geschützt. Die Molly Macguires erscheinen als ein irisch-natio¬
naler Geheimbund, als eine Unterabtheilung oder ein Zweig des Ordens der
alten „Hibernier." Daß dieser letztgenannte Orden in den Vereinigten Staaten
Gewaltthat und Mord predige oder begünstige, ist bis jetzt nicht bewiesen,
vielmehr hat die oberste Leitung des amerikanischen Hibernierordens, die in
der Stadt New-Ivrk ihren Sitz hat, offen das gesetzliche Treiben der Molly
Macguires verurtheilt und deren Logen als ausgeschlossen von dem Orden
der Hibernier erklärt.

Der „Philadelphia Demokrat" läßt sich über die in Rede stehende Mord-
verbinduug u. a. folgendermaßen aus: „Die Verbindung der Molly Mac¬
guires steht offenbar im Zusammenhang mit dem Orden der Hibernier (Urniere
Order of Hibernians. A. O. H.) in Irland. Der Zusammenhang mit dein
Hibernierorden in New-Iork ist nicht genau nachgewiesen, auch hat in letzterer
Zeit dieser Orden jenen Zusammenhang feierlich in Abrede gestellt. Dennoch
ist es Thatsache, daß die Mollies, wie die Molly Macguires auch knrzhin ge¬
nannt werden, ihre Tagesbefehle und sonstigen Anweisungen von der Großloge
der Hibernier in Irland erhalten, wenn sie auch in ihrem Mordwesen selbständig
vorangingen. Darin strebten sie dem Treiben der irländischen „Rebekka" (zu¬
weilen anch Molly Macguire genannt) nach, eines Bundes, der sich wegen
der Bedrückungen durch die Grundbesitzer in Irland mit Brandstiftung und
Mord zu rächen Pflegt. Auch der Rebekka-Bund wird übrigeus vielfach mit
dem Orden der Hibernier in Verbindung gebracht."

Die erste genauere Kenntniß von dem Wesen der Mollies erhielt man
durch einen jungen Irländer, Namens Mac Parlär; derselbe gab sich für einen
wegen Raubmord und Falschmünzerei von den Staatsbehörden verfolgten Ver¬
brecher aus, erwarb sich so die Freundschaft und das Vertrauen der Mollies
und wurde sogar in einer Conntyorganisation des verbrecherischen Bundes zum


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0303" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138534"/>
          <p xml:id="ID_953" prev="#ID_952"> hervorgerufene Erbitterung dein socialen Kampfe, dem Kampfe um das Mein<lb/>
und Dein, noch eine ganz besonders furchtbare Gewalt gegeben. Als dies<lb/>
irländische Verbindungswesen nach den Vereinigten Staaten übersiedelte, haftete<lb/>
ihm noch der Charakter gewaltthätiger Verschwörungen gegen politische<lb/>
Widersacher an. Da nun aber in politischer Beziehung solche Widersacher in<lb/>
Amerika wenig oder gar nicht existirten, so wandte sich die besagte Geheim-<lb/>
bündelei nur zu leicht gegen sociale Gegner, d. h. gegen Alle, welche im<lb/>
täglichen Leben den Mitgliedern jener irländischen Orden entgegentraten, sei es<lb/>
als Arbeitgeber, Aufseher, Werkführer, obrigkeitliche Personen oder als Feinde<lb/>
der irländischen Nationalität. Ein charakteristisches Kennzeichen des Molly<lb/>
Macguirethums ist seine nationale Ausschließlichkeit. Nur Jrländer,<lb/>
und zwar katholischer Confession, können Mitglieder sein, nur ihre In¬<lb/>
teressen werden geschützt. Die Molly Macguires erscheinen als ein irisch-natio¬<lb/>
naler Geheimbund, als eine Unterabtheilung oder ein Zweig des Ordens der<lb/>
alten &#x201E;Hibernier." Daß dieser letztgenannte Orden in den Vereinigten Staaten<lb/>
Gewaltthat und Mord predige oder begünstige, ist bis jetzt nicht bewiesen,<lb/>
vielmehr hat die oberste Leitung des amerikanischen Hibernierordens, die in<lb/>
der Stadt New-Ivrk ihren Sitz hat, offen das gesetzliche Treiben der Molly<lb/>
Macguires verurtheilt und deren Logen als ausgeschlossen von dem Orden<lb/>
der Hibernier erklärt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_954"> Der &#x201E;Philadelphia Demokrat" läßt sich über die in Rede stehende Mord-<lb/>
verbinduug u. a. folgendermaßen aus: &#x201E;Die Verbindung der Molly Mac¬<lb/>
guires steht offenbar im Zusammenhang mit dem Orden der Hibernier (Urniere<lb/>
Order of Hibernians. A. O. H.) in Irland. Der Zusammenhang mit dein<lb/>
Hibernierorden in New-Iork ist nicht genau nachgewiesen, auch hat in letzterer<lb/>
Zeit dieser Orden jenen Zusammenhang feierlich in Abrede gestellt. Dennoch<lb/>
ist es Thatsache, daß die Mollies, wie die Molly Macguires auch knrzhin ge¬<lb/>
nannt werden, ihre Tagesbefehle und sonstigen Anweisungen von der Großloge<lb/>
der Hibernier in Irland erhalten, wenn sie auch in ihrem Mordwesen selbständig<lb/>
vorangingen. Darin strebten sie dem Treiben der irländischen &#x201E;Rebekka" (zu¬<lb/>
weilen anch Molly Macguire genannt) nach, eines Bundes, der sich wegen<lb/>
der Bedrückungen durch die Grundbesitzer in Irland mit Brandstiftung und<lb/>
Mord zu rächen Pflegt. Auch der Rebekka-Bund wird übrigeus vielfach mit<lb/>
dem Orden der Hibernier in Verbindung gebracht."</p><lb/>
          <p xml:id="ID_955" next="#ID_956"> Die erste genauere Kenntniß von dem Wesen der Mollies erhielt man<lb/>
durch einen jungen Irländer, Namens Mac Parlär; derselbe gab sich für einen<lb/>
wegen Raubmord und Falschmünzerei von den Staatsbehörden verfolgten Ver¬<lb/>
brecher aus, erwarb sich so die Freundschaft und das Vertrauen der Mollies<lb/>
und wurde sogar in einer Conntyorganisation des verbrecherischen Bundes zum</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0303] hervorgerufene Erbitterung dein socialen Kampfe, dem Kampfe um das Mein und Dein, noch eine ganz besonders furchtbare Gewalt gegeben. Als dies irländische Verbindungswesen nach den Vereinigten Staaten übersiedelte, haftete ihm noch der Charakter gewaltthätiger Verschwörungen gegen politische Widersacher an. Da nun aber in politischer Beziehung solche Widersacher in Amerika wenig oder gar nicht existirten, so wandte sich die besagte Geheim- bündelei nur zu leicht gegen sociale Gegner, d. h. gegen Alle, welche im täglichen Leben den Mitgliedern jener irländischen Orden entgegentraten, sei es als Arbeitgeber, Aufseher, Werkführer, obrigkeitliche Personen oder als Feinde der irländischen Nationalität. Ein charakteristisches Kennzeichen des Molly Macguirethums ist seine nationale Ausschließlichkeit. Nur Jrländer, und zwar katholischer Confession, können Mitglieder sein, nur ihre In¬ teressen werden geschützt. Die Molly Macguires erscheinen als ein irisch-natio¬ naler Geheimbund, als eine Unterabtheilung oder ein Zweig des Ordens der alten „Hibernier." Daß dieser letztgenannte Orden in den Vereinigten Staaten Gewaltthat und Mord predige oder begünstige, ist bis jetzt nicht bewiesen, vielmehr hat die oberste Leitung des amerikanischen Hibernierordens, die in der Stadt New-Ivrk ihren Sitz hat, offen das gesetzliche Treiben der Molly Macguires verurtheilt und deren Logen als ausgeschlossen von dem Orden der Hibernier erklärt. Der „Philadelphia Demokrat" läßt sich über die in Rede stehende Mord- verbinduug u. a. folgendermaßen aus: „Die Verbindung der Molly Mac¬ guires steht offenbar im Zusammenhang mit dem Orden der Hibernier (Urniere Order of Hibernians. A. O. H.) in Irland. Der Zusammenhang mit dein Hibernierorden in New-Iork ist nicht genau nachgewiesen, auch hat in letzterer Zeit dieser Orden jenen Zusammenhang feierlich in Abrede gestellt. Dennoch ist es Thatsache, daß die Mollies, wie die Molly Macguires auch knrzhin ge¬ nannt werden, ihre Tagesbefehle und sonstigen Anweisungen von der Großloge der Hibernier in Irland erhalten, wenn sie auch in ihrem Mordwesen selbständig vorangingen. Darin strebten sie dem Treiben der irländischen „Rebekka" (zu¬ weilen anch Molly Macguire genannt) nach, eines Bundes, der sich wegen der Bedrückungen durch die Grundbesitzer in Irland mit Brandstiftung und Mord zu rächen Pflegt. Auch der Rebekka-Bund wird übrigeus vielfach mit dem Orden der Hibernier in Verbindung gebracht." Die erste genauere Kenntniß von dem Wesen der Mollies erhielt man durch einen jungen Irländer, Namens Mac Parlär; derselbe gab sich für einen wegen Raubmord und Falschmünzerei von den Staatsbehörden verfolgten Ver¬ brecher aus, erwarb sich so die Freundschaft und das Vertrauen der Mollies und wurde sogar in einer Conntyorganisation des verbrecherischen Bundes zum

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/303
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/303>, abgerufen am 28.09.2024.