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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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wie der Reim zeigt: Mönch und Pfaffen, Gais und alte Affen, Fliegen, Floh'
und Fledermaus, wo die nehmen überhand, verderben sie ein ganz Land.
Dann gehören hierher die Sprichwörter: Wo ein Mönch steht oder eine Gans
hinsah--, da wächst kein Gras mehr. -- Wo Mönche vespern wird kein Heu
dürr. -- Ein Mönch verdirbt Alles; fraß' er Gold, so würden Kieselsteine
draus. -- Wenn Moses statt der Frösche hätte Mönche regnen lassen, von
Stund' an würde Pharao die Kinder Israel haben in Frieden ziehen lassen
(um die Mönche wieder loszuwerden).

Das Volk hat sodann in einer Menge von Sentenzen den Hochmuth und
die Herrschsucht, die Rachgier und die Ränke der Pfaffen gebrandmarkt. Das
neunte Kapitel unseres Buches enthält in dieser Beziehung Folgendes: Ein
Priester ist mehr als der Ackersmann; denn er baut den Himmel an. -- Ein
wettiner Mönch predigte einst über die Priesterwürde. Um deren Hoheit deut¬
lich zu machen, bediente er sich zunächst des ebenerwähnten Wortes, worauf
er fortfuhr: "Der Geistliche ist mehr als ein Kaufmann; denn er handelt mit
ewigen und himmlischen Waaren. Er ist mehr als ein Kriegsmann; denn er
streitet mit dein Satan. Er ist mehr als ein König und Kaiser; denn er ist
ein Stellvertreter des Königs der Könige. Er ist mehr als ein Heiliger; denn
vor ihm müssen sich, wenn er erscheint, alle Knie beugen im Himmel und ans
Erden. Ja, die Hoheit des geistlichen Standes ist ganz überschwänglich und
unaussprechlich. Denn seht an das große Weltgebäude mit Land und Meer,
mit Sonne, Mond und Sternen und mit Millionen wunderbarer Geschöpfe;
wer hat das alles gemacht? Gott, der allmächtige Schöpfer Himmels und der
Erden, und zwar aus nichts, aber doch brauchte er sieben Tage dazu. Wie
aber der katholische Priester? Seht, welche Gewalt und Macht der hat! Tag¬
täglich im Opfer der heiligen Messe macht er sogar Gott, den allmächtigen
Schöpfer Himmels und der Erden, und zwar auch nur mit einem bloßen
Worte und nicht in sieben Tagen, sondern in einem einzigen Augenblicke. Und
also hat Gott dem katholischen Priester noch größere Allmacht gegeben, als er
selber hat." Das Volk aber meint mit Cornelius Agrippa v. Veltesheim:
Unsre Priester vermeinen in den Himmel zu steigen durch eben das Mittel,
durch welches Luzifer aus dem Himmel gestoßen ward. Es meint ferner: Ein
Pfaffe, der nicht herrschen will in seinem Revier, und ein weißer Spatz sind
seltene Thier'. -- Mönche stiften eher tödtliche Kriege, als daß sie einer
Obrigkeit gehorchen. -- Pfaffen und der geistlich geschorne Haufe sind das
Kräutlein, das da heißt: "Ruhr' mich nicht an." -- Was sich ein Mönch hinter
die Ohren geschrieben hat, das leckt keine Gais ab und heckt keine Krähe aus.
-- Pfaffenhaß kennt kein Maß.

Das zehnte Kapitel fuhrt die Bolkssprüche an, welche die Trägheit,


wie der Reim zeigt: Mönch und Pfaffen, Gais und alte Affen, Fliegen, Floh'
und Fledermaus, wo die nehmen überhand, verderben sie ein ganz Land.
Dann gehören hierher die Sprichwörter: Wo ein Mönch steht oder eine Gans
hinsah—, da wächst kein Gras mehr. — Wo Mönche vespern wird kein Heu
dürr. — Ein Mönch verdirbt Alles; fraß' er Gold, so würden Kieselsteine
draus. — Wenn Moses statt der Frösche hätte Mönche regnen lassen, von
Stund' an würde Pharao die Kinder Israel haben in Frieden ziehen lassen
(um die Mönche wieder loszuwerden).

Das Volk hat sodann in einer Menge von Sentenzen den Hochmuth und
die Herrschsucht, die Rachgier und die Ränke der Pfaffen gebrandmarkt. Das
neunte Kapitel unseres Buches enthält in dieser Beziehung Folgendes: Ein
Priester ist mehr als der Ackersmann; denn er baut den Himmel an. — Ein
wettiner Mönch predigte einst über die Priesterwürde. Um deren Hoheit deut¬
lich zu machen, bediente er sich zunächst des ebenerwähnten Wortes, worauf
er fortfuhr: „Der Geistliche ist mehr als ein Kaufmann; denn er handelt mit
ewigen und himmlischen Waaren. Er ist mehr als ein Kriegsmann; denn er
streitet mit dein Satan. Er ist mehr als ein König und Kaiser; denn er ist
ein Stellvertreter des Königs der Könige. Er ist mehr als ein Heiliger; denn
vor ihm müssen sich, wenn er erscheint, alle Knie beugen im Himmel und ans
Erden. Ja, die Hoheit des geistlichen Standes ist ganz überschwänglich und
unaussprechlich. Denn seht an das große Weltgebäude mit Land und Meer,
mit Sonne, Mond und Sternen und mit Millionen wunderbarer Geschöpfe;
wer hat das alles gemacht? Gott, der allmächtige Schöpfer Himmels und der
Erden, und zwar aus nichts, aber doch brauchte er sieben Tage dazu. Wie
aber der katholische Priester? Seht, welche Gewalt und Macht der hat! Tag¬
täglich im Opfer der heiligen Messe macht er sogar Gott, den allmächtigen
Schöpfer Himmels und der Erden, und zwar auch nur mit einem bloßen
Worte und nicht in sieben Tagen, sondern in einem einzigen Augenblicke. Und
also hat Gott dem katholischen Priester noch größere Allmacht gegeben, als er
selber hat." Das Volk aber meint mit Cornelius Agrippa v. Veltesheim:
Unsre Priester vermeinen in den Himmel zu steigen durch eben das Mittel,
durch welches Luzifer aus dem Himmel gestoßen ward. Es meint ferner: Ein
Pfaffe, der nicht herrschen will in seinem Revier, und ein weißer Spatz sind
seltene Thier'. — Mönche stiften eher tödtliche Kriege, als daß sie einer
Obrigkeit gehorchen. — Pfaffen und der geistlich geschorne Haufe sind das
Kräutlein, das da heißt: „Ruhr' mich nicht an." — Was sich ein Mönch hinter
die Ohren geschrieben hat, das leckt keine Gais ab und heckt keine Krähe aus.
— Pfaffenhaß kennt kein Maß.

Das zehnte Kapitel fuhrt die Bolkssprüche an, welche die Trägheit,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/29>, abgerufen am 21.10.2024.