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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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dem Museum des Kardinals Borgia kennt die phantastischen Gold- und Silber-
iuselu der ptolomäischen Geographie nicht, wohl aber Goldberge bei Ophir in
Ostafrika, die von Wüsten umgürtet sind und von zahllosen Schlangen be¬
hütet werden. Noch merkwürdiger sind die Angaben der Karte des Palastes
Pitti (1447), welche goldne Berge in das Vorland von Kathai, das heutige
Innren, und an die Südwestspitze der Halbinsel Malakka verlegt. Auf dem
berühmten Globus vou Martin Behaim sind die Gold- und Silberinseln ver¬
schwunden, und sein Eldorado befindet sich am Ganges.

Weit ernstere Elemente hat man in dem Berichte Herodots von einem
Lande gefunden, wo, nordöstlich von den Pontischen Faktoreien, ein einäugiges
Volk wohne, welches die Skythen Arimaspen nennten. Bis zu den Kahlköpfen,
deren Name Archipäer sei, wären hellenische Kaufleute vorgedrungen, wobei
sie ein Gebirge überschritten hätten (den Ural). Weiter aber sei noch kein
Grieche gekommen; denn hohe und unwegsame Gebirge stellten sich den Reisen¬
den (am Westende des Altai) entgegen. Nur so viel wisse man, daß gegen
Morgen die Issedonen säßen, deren Sitten man anch kenne, und von denen
man gehört habe, daß weiterhin das Land der Arimaspen und der goldhüten-
den Greifen liege. Die mittelalterlichen Geographen halten sich nicht an He-
rodot, sondern an Plinins, Mela und Solinus, welche die Arimaspen zwischen dein
mäotischen (Azowschen) See und dem im äußersten Norden gedachten Riphäen-
gebirge wohnen lassen. Mehreren von ihnen sind ferner die Greifen bekannt, ein Volk,
das in einer sehr kalten Gegend angesessen, einfältig oder bösartig, aber wohl¬
bekannt mit der Verarbeitung von Metallen ist. Die Karte Heinrichs von Mainz,
die ans dem zwölften Jahrhundert stammt, läßt die "Griffvnes" zwischen Don
und Dniepr wandern, die des Palasts Pitti versetzt sie an die arktische Küste,
etwas westlich vom Centralmeridian der bewohnten Erde. Noch interessanter
ist die Legende der Karte Borgia. In gleicher Parallele mit der Ostsee dehnt
sich hier die hyverboräische Gebirgskette, welche nach dem Zeichner von Grif-
foneir und Tigern bewohnt ist, über Asien aus. Der Geograph scheint hier
Historisches mit sagenhaften verbunden zu haben. Herodot nämlich berichtet
von einem Volke im Norden Indiens, welches früh am Morgen auf Kameelen
in die Wüste hinausreitet, um Gold zu holen. Es gibt dort aber Ameisen
von der Größe zwischen Hund und Fuchs und von außerordentlicher Schnellig¬
keit, die sich in die Erde graben und Hügel von goldhaltigen Sande aus¬
werfen. So gilt es denn, diesen Goldsand eiligst aus die Kameele zu laden
und noch vor Eintritt der Abendkühle, bis zu welcher die Ameisen sich versteckt
halten, heimzilschaffen. Dann kommen sie später aus ihren: Bau und jagen
den Räubern nach, um sie umzubringen. Megasthenes versetzt diese Ameisen
zu dem indischen Bergvolke der Darder und erzählt, daß die Goldjäger ihnen


dem Museum des Kardinals Borgia kennt die phantastischen Gold- und Silber-
iuselu der ptolomäischen Geographie nicht, wohl aber Goldberge bei Ophir in
Ostafrika, die von Wüsten umgürtet sind und von zahllosen Schlangen be¬
hütet werden. Noch merkwürdiger sind die Angaben der Karte des Palastes
Pitti (1447), welche goldne Berge in das Vorland von Kathai, das heutige
Innren, und an die Südwestspitze der Halbinsel Malakka verlegt. Auf dem
berühmten Globus vou Martin Behaim sind die Gold- und Silberinseln ver¬
schwunden, und sein Eldorado befindet sich am Ganges.

Weit ernstere Elemente hat man in dem Berichte Herodots von einem
Lande gefunden, wo, nordöstlich von den Pontischen Faktoreien, ein einäugiges
Volk wohne, welches die Skythen Arimaspen nennten. Bis zu den Kahlköpfen,
deren Name Archipäer sei, wären hellenische Kaufleute vorgedrungen, wobei
sie ein Gebirge überschritten hätten (den Ural). Weiter aber sei noch kein
Grieche gekommen; denn hohe und unwegsame Gebirge stellten sich den Reisen¬
den (am Westende des Altai) entgegen. Nur so viel wisse man, daß gegen
Morgen die Issedonen säßen, deren Sitten man anch kenne, und von denen
man gehört habe, daß weiterhin das Land der Arimaspen und der goldhüten-
den Greifen liege. Die mittelalterlichen Geographen halten sich nicht an He-
rodot, sondern an Plinins, Mela und Solinus, welche die Arimaspen zwischen dein
mäotischen (Azowschen) See und dem im äußersten Norden gedachten Riphäen-
gebirge wohnen lassen. Mehreren von ihnen sind ferner die Greifen bekannt, ein Volk,
das in einer sehr kalten Gegend angesessen, einfältig oder bösartig, aber wohl¬
bekannt mit der Verarbeitung von Metallen ist. Die Karte Heinrichs von Mainz,
die ans dem zwölften Jahrhundert stammt, läßt die „Griffvnes" zwischen Don
und Dniepr wandern, die des Palasts Pitti versetzt sie an die arktische Küste,
etwas westlich vom Centralmeridian der bewohnten Erde. Noch interessanter
ist die Legende der Karte Borgia. In gleicher Parallele mit der Ostsee dehnt
sich hier die hyverboräische Gebirgskette, welche nach dem Zeichner von Grif-
foneir und Tigern bewohnt ist, über Asien aus. Der Geograph scheint hier
Historisches mit sagenhaften verbunden zu haben. Herodot nämlich berichtet
von einem Volke im Norden Indiens, welches früh am Morgen auf Kameelen
in die Wüste hinausreitet, um Gold zu holen. Es gibt dort aber Ameisen
von der Größe zwischen Hund und Fuchs und von außerordentlicher Schnellig¬
keit, die sich in die Erde graben und Hügel von goldhaltigen Sande aus¬
werfen. So gilt es denn, diesen Goldsand eiligst aus die Kameele zu laden
und noch vor Eintritt der Abendkühle, bis zu welcher die Ameisen sich versteckt
halten, heimzilschaffen. Dann kommen sie später aus ihren: Bau und jagen
den Räubern nach, um sie umzubringen. Megasthenes versetzt diese Ameisen
zu dem indischen Bergvolke der Darder und erzählt, daß die Goldjäger ihnen


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[0284] dem Museum des Kardinals Borgia kennt die phantastischen Gold- und Silber- iuselu der ptolomäischen Geographie nicht, wohl aber Goldberge bei Ophir in Ostafrika, die von Wüsten umgürtet sind und von zahllosen Schlangen be¬ hütet werden. Noch merkwürdiger sind die Angaben der Karte des Palastes Pitti (1447), welche goldne Berge in das Vorland von Kathai, das heutige Innren, und an die Südwestspitze der Halbinsel Malakka verlegt. Auf dem berühmten Globus vou Martin Behaim sind die Gold- und Silberinseln ver¬ schwunden, und sein Eldorado befindet sich am Ganges. Weit ernstere Elemente hat man in dem Berichte Herodots von einem Lande gefunden, wo, nordöstlich von den Pontischen Faktoreien, ein einäugiges Volk wohne, welches die Skythen Arimaspen nennten. Bis zu den Kahlköpfen, deren Name Archipäer sei, wären hellenische Kaufleute vorgedrungen, wobei sie ein Gebirge überschritten hätten (den Ural). Weiter aber sei noch kein Grieche gekommen; denn hohe und unwegsame Gebirge stellten sich den Reisen¬ den (am Westende des Altai) entgegen. Nur so viel wisse man, daß gegen Morgen die Issedonen säßen, deren Sitten man anch kenne, und von denen man gehört habe, daß weiterhin das Land der Arimaspen und der goldhüten- den Greifen liege. Die mittelalterlichen Geographen halten sich nicht an He- rodot, sondern an Plinins, Mela und Solinus, welche die Arimaspen zwischen dein mäotischen (Azowschen) See und dem im äußersten Norden gedachten Riphäen- gebirge wohnen lassen. Mehreren von ihnen sind ferner die Greifen bekannt, ein Volk, das in einer sehr kalten Gegend angesessen, einfältig oder bösartig, aber wohl¬ bekannt mit der Verarbeitung von Metallen ist. Die Karte Heinrichs von Mainz, die ans dem zwölften Jahrhundert stammt, läßt die „Griffvnes" zwischen Don und Dniepr wandern, die des Palasts Pitti versetzt sie an die arktische Küste, etwas westlich vom Centralmeridian der bewohnten Erde. Noch interessanter ist die Legende der Karte Borgia. In gleicher Parallele mit der Ostsee dehnt sich hier die hyverboräische Gebirgskette, welche nach dem Zeichner von Grif- foneir und Tigern bewohnt ist, über Asien aus. Der Geograph scheint hier Historisches mit sagenhaften verbunden zu haben. Herodot nämlich berichtet von einem Volke im Norden Indiens, welches früh am Morgen auf Kameelen in die Wüste hinausreitet, um Gold zu holen. Es gibt dort aber Ameisen von der Größe zwischen Hund und Fuchs und von außerordentlicher Schnellig¬ keit, die sich in die Erde graben und Hügel von goldhaltigen Sande aus¬ werfen. So gilt es denn, diesen Goldsand eiligst aus die Kameele zu laden und noch vor Eintritt der Abendkühle, bis zu welcher die Ameisen sich versteckt halten, heimzilschaffen. Dann kommen sie später aus ihren: Bau und jagen den Räubern nach, um sie umzubringen. Megasthenes versetzt diese Ameisen zu dem indischen Bergvolke der Darder und erzählt, daß die Goldjäger ihnen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/284>, abgerufen am 01.10.2024.