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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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Vermögen haben. Von zwölf bis zwei Uhr wird nicht gearbeitet, damit die
Fran die Mittagsmahlzeit zubereiten kann. Die wohlhabenderen und die reichen
Neger -- es gibt nämlich auch solche -- ahmen die gesellschaftlichen Sitten
der Weißen uach, erweisen ihren "Damen" Artigkeiten, lassen die Frauen und
Mädchen nicht arbeiten, schicken ihre Kinder in die Schule, miethen sich Dienstleute,
sichren einen guten Tisch und halten sich Wagen und Pferde. Auch die
niedere und unbemittelte Klasse der Farbigen versucht, so gut es geht, die
Weißen uach ihren Lebensgewohnheiten zu kopiren. Alle wünschen, daß ihre
Kinder Schulunterricht haben sollen, und bringen es gelegentlich dahin, daß
dies eine Zeit lang geschieht, aber der Mangel an Mitteln läßt nur bei Wenigen
zu, daß ihre Kinder regelmäßig die Schule besuchen -- die Kinder müssen
eben durch Arbeit ihr Brod verdienen. Die Weißen hegen ein heftiges Vor¬
urtheil, ja tiefen Haß gegen diese lobenswerthen Bestrebungen, der Segnungen
der Bildung theilhaft zu werden, und ergreifen jede Gelegenheit, die Neger
zu beleidigen, die ihre Kinder in die Schule schicken. "Ihre Frau und ihre
Kinder thäten besser, sich rechtschaffen auf dem Felde draußen zu beschäftigen,"
ist eine oft gehörte Bemerkung. Allerdings hat diese Denkart der Weißen eine
gewisse Entschuldigung für sich. Das plumpe Selbstgefühl vieler Neger be¬
einträchtigt oft ihre Brauchbarkeit als Arbeiter, es läßt sie sich frech und an¬
maßend benehmen, und an solche Neuerungen sind die Weißen bis jetzt noch
nicht gewöhnt.

Der Neger besitzt sehr selten Anhänglichkeit an den Ort, den er bewohnt,
und so ist er fast unaufhörlich auf dem Wege von einem County zum andern.
Da er sich mit Leichtigkeit unter Fremden von seiner Farbe heimisch machen
kann, so würde er auch nicht außer Fassung gerathen, wenn er so blitzschnell wie
Aladdin's Frau oder Nureddin im arabischen Märchen von einem Staate in
den andern versetzt würde.

Der Gentleman des Südens zeigt noch immer seine alte Ritterlichkeit im
Denken und Benehmen. Die Frauen werden unter der bessern Klasse des
Südens von ihren Gatten, Liebhabern und Söhnen geradezu angebetet, und
sie werden sich, da sie äußerst konservativ sind, schließlich als eins der Haupt¬
hindernisse der Versöhnung mit dem Norden erweisen. Jeder junge Mann,
der sich in Gesellschaft von Jankees oder Republikanern blicken ließe, liefe
Gefahr, von seiner Braut nicht mehr angesehen und von Mutter und Schwestern
mit bekümmerter Miene empfangen zu werden. Die Damen des Südens sind
in der Regel schwächlicher und hülfloser als die des Nordens. Nie läßt man
sie etwas thun, wenn ein Herr in der Nähe ist. Gesellschaftlich und politisch
ist die Stellung der Frauen im Süden weit weniger fortgeschritten als unter
deu Aankees, wo man sogar in manchen Beziehungen weiter gegangen ist, als


Vermögen haben. Von zwölf bis zwei Uhr wird nicht gearbeitet, damit die
Fran die Mittagsmahlzeit zubereiten kann. Die wohlhabenderen und die reichen
Neger — es gibt nämlich auch solche — ahmen die gesellschaftlichen Sitten
der Weißen uach, erweisen ihren „Damen" Artigkeiten, lassen die Frauen und
Mädchen nicht arbeiten, schicken ihre Kinder in die Schule, miethen sich Dienstleute,
sichren einen guten Tisch und halten sich Wagen und Pferde. Auch die
niedere und unbemittelte Klasse der Farbigen versucht, so gut es geht, die
Weißen uach ihren Lebensgewohnheiten zu kopiren. Alle wünschen, daß ihre
Kinder Schulunterricht haben sollen, und bringen es gelegentlich dahin, daß
dies eine Zeit lang geschieht, aber der Mangel an Mitteln läßt nur bei Wenigen
zu, daß ihre Kinder regelmäßig die Schule besuchen — die Kinder müssen
eben durch Arbeit ihr Brod verdienen. Die Weißen hegen ein heftiges Vor¬
urtheil, ja tiefen Haß gegen diese lobenswerthen Bestrebungen, der Segnungen
der Bildung theilhaft zu werden, und ergreifen jede Gelegenheit, die Neger
zu beleidigen, die ihre Kinder in die Schule schicken. „Ihre Frau und ihre
Kinder thäten besser, sich rechtschaffen auf dem Felde draußen zu beschäftigen,"
ist eine oft gehörte Bemerkung. Allerdings hat diese Denkart der Weißen eine
gewisse Entschuldigung für sich. Das plumpe Selbstgefühl vieler Neger be¬
einträchtigt oft ihre Brauchbarkeit als Arbeiter, es läßt sie sich frech und an¬
maßend benehmen, und an solche Neuerungen sind die Weißen bis jetzt noch
nicht gewöhnt.

Der Neger besitzt sehr selten Anhänglichkeit an den Ort, den er bewohnt,
und so ist er fast unaufhörlich auf dem Wege von einem County zum andern.
Da er sich mit Leichtigkeit unter Fremden von seiner Farbe heimisch machen
kann, so würde er auch nicht außer Fassung gerathen, wenn er so blitzschnell wie
Aladdin's Frau oder Nureddin im arabischen Märchen von einem Staate in
den andern versetzt würde.

Der Gentleman des Südens zeigt noch immer seine alte Ritterlichkeit im
Denken und Benehmen. Die Frauen werden unter der bessern Klasse des
Südens von ihren Gatten, Liebhabern und Söhnen geradezu angebetet, und
sie werden sich, da sie äußerst konservativ sind, schließlich als eins der Haupt¬
hindernisse der Versöhnung mit dem Norden erweisen. Jeder junge Mann,
der sich in Gesellschaft von Jankees oder Republikanern blicken ließe, liefe
Gefahr, von seiner Braut nicht mehr angesehen und von Mutter und Schwestern
mit bekümmerter Miene empfangen zu werden. Die Damen des Südens sind
in der Regel schwächlicher und hülfloser als die des Nordens. Nie läßt man
sie etwas thun, wenn ein Herr in der Nähe ist. Gesellschaftlich und politisch
ist die Stellung der Frauen im Süden weit weniger fortgeschritten als unter
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[0194] Vermögen haben. Von zwölf bis zwei Uhr wird nicht gearbeitet, damit die Fran die Mittagsmahlzeit zubereiten kann. Die wohlhabenderen und die reichen Neger — es gibt nämlich auch solche — ahmen die gesellschaftlichen Sitten der Weißen uach, erweisen ihren „Damen" Artigkeiten, lassen die Frauen und Mädchen nicht arbeiten, schicken ihre Kinder in die Schule, miethen sich Dienstleute, sichren einen guten Tisch und halten sich Wagen und Pferde. Auch die niedere und unbemittelte Klasse der Farbigen versucht, so gut es geht, die Weißen uach ihren Lebensgewohnheiten zu kopiren. Alle wünschen, daß ihre Kinder Schulunterricht haben sollen, und bringen es gelegentlich dahin, daß dies eine Zeit lang geschieht, aber der Mangel an Mitteln läßt nur bei Wenigen zu, daß ihre Kinder regelmäßig die Schule besuchen — die Kinder müssen eben durch Arbeit ihr Brod verdienen. Die Weißen hegen ein heftiges Vor¬ urtheil, ja tiefen Haß gegen diese lobenswerthen Bestrebungen, der Segnungen der Bildung theilhaft zu werden, und ergreifen jede Gelegenheit, die Neger zu beleidigen, die ihre Kinder in die Schule schicken. „Ihre Frau und ihre Kinder thäten besser, sich rechtschaffen auf dem Felde draußen zu beschäftigen," ist eine oft gehörte Bemerkung. Allerdings hat diese Denkart der Weißen eine gewisse Entschuldigung für sich. Das plumpe Selbstgefühl vieler Neger be¬ einträchtigt oft ihre Brauchbarkeit als Arbeiter, es läßt sie sich frech und an¬ maßend benehmen, und an solche Neuerungen sind die Weißen bis jetzt noch nicht gewöhnt. Der Neger besitzt sehr selten Anhänglichkeit an den Ort, den er bewohnt, und so ist er fast unaufhörlich auf dem Wege von einem County zum andern. Da er sich mit Leichtigkeit unter Fremden von seiner Farbe heimisch machen kann, so würde er auch nicht außer Fassung gerathen, wenn er so blitzschnell wie Aladdin's Frau oder Nureddin im arabischen Märchen von einem Staate in den andern versetzt würde. Der Gentleman des Südens zeigt noch immer seine alte Ritterlichkeit im Denken und Benehmen. Die Frauen werden unter der bessern Klasse des Südens von ihren Gatten, Liebhabern und Söhnen geradezu angebetet, und sie werden sich, da sie äußerst konservativ sind, schließlich als eins der Haupt¬ hindernisse der Versöhnung mit dem Norden erweisen. Jeder junge Mann, der sich in Gesellschaft von Jankees oder Republikanern blicken ließe, liefe Gefahr, von seiner Braut nicht mehr angesehen und von Mutter und Schwestern mit bekümmerter Miene empfangen zu werden. Die Damen des Südens sind in der Regel schwächlicher und hülfloser als die des Nordens. Nie läßt man sie etwas thun, wenn ein Herr in der Nähe ist. Gesellschaftlich und politisch ist die Stellung der Frauen im Süden weit weniger fortgeschritten als unter deu Aankees, wo man sogar in manchen Beziehungen weiter gegangen ist, als

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/194>, abgerufen am 28.09.2024.