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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band.

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wenige Männer den Muth haben, sich auch nur mit einer Quadrone zu ver¬
mählen. Die betreffende" Weißen ziehen sich dadurch den bittern Haß und
die unwiderrufliche Verbannung aus der Gesellschaft ihrer eigenen Race zu.
Sie haben dann gewöhnlich kein anderes Auskunftsmittel als den Verkehr mit
den Farbigen, unter denen sie allmählig geistig verkommen.

Die Neger haben Zutritt zu den Theatern in Columbia, Vorlesungen u. d.,
aber wenn der Saal nicht stark gefüllt ist, lassen die Weißen einen weiten
Zwischenraum zwischen sich und jenen. In Charleston und in den Landstädt¬
chen Südcarolinas erlaubt mau ihnen den Eintritt in das Theater und in
Schaustellungen, die in Häusern stattfinden, überhaupt nicht. Nur solche Vor¬
stellungen dürfen sie besuchen, die unter Zelten oder in Buden stattfinden, wie
z. B. solche von Seiltänzern, Kunstreitergesellschaften und Zauberlaternen. In
Columbia (beiläufig der Stadt, wo die Gesetzgebung tagt) bedient man sie
auch an den öffentlichen Schenktischen, Sodawasserbuden und Eiscrmnesalvns,
während das anderwärts nicht geschieht. Von den Hotels sind sie allgemein
ausgeschlossen. In Columbia, wo viele Neger Beamten- und Abgeordneten-
stellen innehaben, in Charleston, der größten Stadt im Staate und an einigen
andern Orten haben sie ihre eignen von Leuten ihrer Race gehaltenen "Boar-
diughouses" (Kost- und Logishäuser). Eine Kirchengemeinde der Weißen in
einer Stadt im Oberlande wünschte über ihren Saal, wo Vorlesungen und die
Uebungen der Sonntagsschule gehalten worden waren, zu verfügen. Die für
Schulangelegenheiten angestellten Beamten des County, unter denen einige
Farbige waren, erwarben den Saal zu einer öffentlichen Schule. Er blieb
jedoch mehrere Monate unbenutzt. Etwa sechs Wochen nach seinem Verkauf
wünschten die.weißen Damen des Ortes ein Konzert zu veranstalten, und der
einzige dazu geeignete Raum war das ehemalige Vorlesungszimmer. Infolge
dessen schlug der von ihnen mit der Sache beauftragte Agent vor, denselben
für den betreffenden Tag zu miethen, wobei er ihnen lang und breit ausein¬
andersetzte, daß er von den Radikale" noch nicht gebraucht worden sei. Aber
als eine der vornehmsten Damen hiervon vernahm, erklärte sie sosort, von
einer Unterhaltung, die in einem im Besitz von Niggern befindlichen Hanse
veranstaltet werden solle, nichts wissen zu wollen, und das Konzert wurde in
Folge dessen aufgegeben.

Eine Wittwe im Städtchen Marlborough, die sich in ärmlichen Verhält¬
nissen befand und gleichwohl den Wunsch hegte, ihren Sohn auf der Harvard-
Universität studiren zu lassen, wendete sich an den Präsidenten und erlangte
durch seine Güte sehr günstige Bedingungen für den jungen Mann. Sie war
höchst glücklich und dankbar. Im letzten Augenblick aber stieß ihr ein Bedenken
auf. Sie sandte eine zweite Epistel ab, in welcher sie dem Präsidenten sagte,


wenige Männer den Muth haben, sich auch nur mit einer Quadrone zu ver¬
mählen. Die betreffende« Weißen ziehen sich dadurch den bittern Haß und
die unwiderrufliche Verbannung aus der Gesellschaft ihrer eigenen Race zu.
Sie haben dann gewöhnlich kein anderes Auskunftsmittel als den Verkehr mit
den Farbigen, unter denen sie allmählig geistig verkommen.

Die Neger haben Zutritt zu den Theatern in Columbia, Vorlesungen u. d.,
aber wenn der Saal nicht stark gefüllt ist, lassen die Weißen einen weiten
Zwischenraum zwischen sich und jenen. In Charleston und in den Landstädt¬
chen Südcarolinas erlaubt mau ihnen den Eintritt in das Theater und in
Schaustellungen, die in Häusern stattfinden, überhaupt nicht. Nur solche Vor¬
stellungen dürfen sie besuchen, die unter Zelten oder in Buden stattfinden, wie
z. B. solche von Seiltänzern, Kunstreitergesellschaften und Zauberlaternen. In
Columbia (beiläufig der Stadt, wo die Gesetzgebung tagt) bedient man sie
auch an den öffentlichen Schenktischen, Sodawasserbuden und Eiscrmnesalvns,
während das anderwärts nicht geschieht. Von den Hotels sind sie allgemein
ausgeschlossen. In Columbia, wo viele Neger Beamten- und Abgeordneten-
stellen innehaben, in Charleston, der größten Stadt im Staate und an einigen
andern Orten haben sie ihre eignen von Leuten ihrer Race gehaltenen „Boar-
diughouses" (Kost- und Logishäuser). Eine Kirchengemeinde der Weißen in
einer Stadt im Oberlande wünschte über ihren Saal, wo Vorlesungen und die
Uebungen der Sonntagsschule gehalten worden waren, zu verfügen. Die für
Schulangelegenheiten angestellten Beamten des County, unter denen einige
Farbige waren, erwarben den Saal zu einer öffentlichen Schule. Er blieb
jedoch mehrere Monate unbenutzt. Etwa sechs Wochen nach seinem Verkauf
wünschten die.weißen Damen des Ortes ein Konzert zu veranstalten, und der
einzige dazu geeignete Raum war das ehemalige Vorlesungszimmer. Infolge
dessen schlug der von ihnen mit der Sache beauftragte Agent vor, denselben
für den betreffenden Tag zu miethen, wobei er ihnen lang und breit ausein¬
andersetzte, daß er von den Radikale» noch nicht gebraucht worden sei. Aber
als eine der vornehmsten Damen hiervon vernahm, erklärte sie sosort, von
einer Unterhaltung, die in einem im Besitz von Niggern befindlichen Hanse
veranstaltet werden solle, nichts wissen zu wollen, und das Konzert wurde in
Folge dessen aufgegeben.

Eine Wittwe im Städtchen Marlborough, die sich in ärmlichen Verhält¬
nissen befand und gleichwohl den Wunsch hegte, ihren Sohn auf der Harvard-
Universität studiren zu lassen, wendete sich an den Präsidenten und erlangte
durch seine Güte sehr günstige Bedingungen für den jungen Mann. Sie war
höchst glücklich und dankbar. Im letzten Augenblick aber stieß ihr ein Bedenken
auf. Sie sandte eine zweite Epistel ab, in welcher sie dem Präsidenten sagte,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157647/159>, abgerufen am 28.09.2024.