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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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gemacht wurde. Alsdann war die Wirkung ähnlich der einer Tragödie, jedoch
ungleich mächtiger; es fand eine Reinigung der Leidenschaften, hier der Gefühle
von Furcht und Schrecken, statt, -"/o dies so oft jemand an der Feier theil¬
nahm. Wer aber den Glauben nicht hatte, der konnte nachher, wie Alkibiades
und Genossen, mit den Mysterien Komödie spielen und sie in Privathünsern
nachmachen, wobei jener selbst, laut der gegen ihn gerichteten Anklageschrift, die
Rolle des Hierophanten hatte. Wie in jenen Zeiten der ganze griechische
Götterglaube vor der Aufklärung weichen mußte, so verlor sich bei diesen Ge¬
bildeten auch gegenüber den Mysterien alle Scheu, während vordem die Hel¬
lenen, wie ein Schriftsteller der Kaiserzeit sagt, dieses Stück ihrer Religion um
so viel heiliger geachtet hatten als alle übrigen Götterdienste, wie sie die
Götter höher stellten denn die Heroen. Aber diese Aufklärung erwies sich auf
die Dauer unkräftig, auch nur die hellenische, so vielfach entstellte und mangel¬
hafte Religion und die noch viel schlechtere hellenische Theologie zu zerstören,
und so behaupteten sich mit dem Uebrigen auch die Mysterien, und zwar ver¬
hältnißmüßig in hohem Ansehen, so lange das Heidenthum überhaupt bestand,
von dem sie ein letztes Bollwerk bildeten. Zu bedauern, daß auch sie schließlich
vor dem Christenthum verschwanden, wäre nicht anders, als nach Aufgang der
hellen Sonne die nächtliche Lampe zu vermissen, mochte mich deren Schein
während des Dunkels noch so lieb und erfreulich gewesen sein.


I. Blaß.


Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg und die Kirchliche
Bewegung seiner Zeit.
ii.

So war die Lage der Dinge, als im Herbst des Jahres 1431 das
Konzil zu Basel zusammentrat. Das Konzil' war Anfangs nur von wenigen
Geistlichen besucht. Die Hussiten, welche dorthin eingeladen waren, wiesen
Anfangs die Einladung zurück. Der Papst Eugen IV., der noch im Jahre
1431 auf Martin V. gefolgt war, beschloß unter diesen Umständen die Verlegung
des Konzils nach einer Italienischen Stadt. Der Legat Julian de Cesarini,
derselbe, der auf dem Kreuzzuge nach Böhmen den Kurfürsten Friedrich begleitet
hatte, widerrieth dem Papst diese Verlegung. Er stellte ihm vor: "Die Auf¬
lösung des Konzils sei ein Sieg der Ketzerei, vor der die Kirche zu fliehen


Grenzboten IV. 1877. ^

gemacht wurde. Alsdann war die Wirkung ähnlich der einer Tragödie, jedoch
ungleich mächtiger; es fand eine Reinigung der Leidenschaften, hier der Gefühle
von Furcht und Schrecken, statt, -»/o dies so oft jemand an der Feier theil¬
nahm. Wer aber den Glauben nicht hatte, der konnte nachher, wie Alkibiades
und Genossen, mit den Mysterien Komödie spielen und sie in Privathünsern
nachmachen, wobei jener selbst, laut der gegen ihn gerichteten Anklageschrift, die
Rolle des Hierophanten hatte. Wie in jenen Zeiten der ganze griechische
Götterglaube vor der Aufklärung weichen mußte, so verlor sich bei diesen Ge¬
bildeten auch gegenüber den Mysterien alle Scheu, während vordem die Hel¬
lenen, wie ein Schriftsteller der Kaiserzeit sagt, dieses Stück ihrer Religion um
so viel heiliger geachtet hatten als alle übrigen Götterdienste, wie sie die
Götter höher stellten denn die Heroen. Aber diese Aufklärung erwies sich auf
die Dauer unkräftig, auch nur die hellenische, so vielfach entstellte und mangel¬
hafte Religion und die noch viel schlechtere hellenische Theologie zu zerstören,
und so behaupteten sich mit dem Uebrigen auch die Mysterien, und zwar ver¬
hältnißmüßig in hohem Ansehen, so lange das Heidenthum überhaupt bestand,
von dem sie ein letztes Bollwerk bildeten. Zu bedauern, daß auch sie schließlich
vor dem Christenthum verschwanden, wäre nicht anders, als nach Aufgang der
hellen Sonne die nächtliche Lampe zu vermissen, mochte mich deren Schein
während des Dunkels noch so lieb und erfreulich gewesen sein.


I. Blaß.


Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg und die Kirchliche
Bewegung seiner Zeit.
ii.

So war die Lage der Dinge, als im Herbst des Jahres 1431 das
Konzil zu Basel zusammentrat. Das Konzil' war Anfangs nur von wenigen
Geistlichen besucht. Die Hussiten, welche dorthin eingeladen waren, wiesen
Anfangs die Einladung zurück. Der Papst Eugen IV., der noch im Jahre
1431 auf Martin V. gefolgt war, beschloß unter diesen Umständen die Verlegung
des Konzils nach einer Italienischen Stadt. Der Legat Julian de Cesarini,
derselbe, der auf dem Kreuzzuge nach Böhmen den Kurfürsten Friedrich begleitet
hatte, widerrieth dem Papst diese Verlegung. Er stellte ihm vor: „Die Auf¬
lösung des Konzils sei ein Sieg der Ketzerei, vor der die Kirche zu fliehen


Grenzboten IV. 1877. ^
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[0381] gemacht wurde. Alsdann war die Wirkung ähnlich der einer Tragödie, jedoch ungleich mächtiger; es fand eine Reinigung der Leidenschaften, hier der Gefühle von Furcht und Schrecken, statt, -»/o dies so oft jemand an der Feier theil¬ nahm. Wer aber den Glauben nicht hatte, der konnte nachher, wie Alkibiades und Genossen, mit den Mysterien Komödie spielen und sie in Privathünsern nachmachen, wobei jener selbst, laut der gegen ihn gerichteten Anklageschrift, die Rolle des Hierophanten hatte. Wie in jenen Zeiten der ganze griechische Götterglaube vor der Aufklärung weichen mußte, so verlor sich bei diesen Ge¬ bildeten auch gegenüber den Mysterien alle Scheu, während vordem die Hel¬ lenen, wie ein Schriftsteller der Kaiserzeit sagt, dieses Stück ihrer Religion um so viel heiliger geachtet hatten als alle übrigen Götterdienste, wie sie die Götter höher stellten denn die Heroen. Aber diese Aufklärung erwies sich auf die Dauer unkräftig, auch nur die hellenische, so vielfach entstellte und mangel¬ hafte Religion und die noch viel schlechtere hellenische Theologie zu zerstören, und so behaupteten sich mit dem Uebrigen auch die Mysterien, und zwar ver¬ hältnißmüßig in hohem Ansehen, so lange das Heidenthum überhaupt bestand, von dem sie ein letztes Bollwerk bildeten. Zu bedauern, daß auch sie schließlich vor dem Christenthum verschwanden, wäre nicht anders, als nach Aufgang der hellen Sonne die nächtliche Lampe zu vermissen, mochte mich deren Schein während des Dunkels noch so lieb und erfreulich gewesen sein. I. Blaß. Kurfürst Friedrich I. von Brandenburg und die Kirchliche Bewegung seiner Zeit. ii. So war die Lage der Dinge, als im Herbst des Jahres 1431 das Konzil zu Basel zusammentrat. Das Konzil' war Anfangs nur von wenigen Geistlichen besucht. Die Hussiten, welche dorthin eingeladen waren, wiesen Anfangs die Einladung zurück. Der Papst Eugen IV., der noch im Jahre 1431 auf Martin V. gefolgt war, beschloß unter diesen Umständen die Verlegung des Konzils nach einer Italienischen Stadt. Der Legat Julian de Cesarini, derselbe, der auf dem Kreuzzuge nach Böhmen den Kurfürsten Friedrich begleitet hatte, widerrieth dem Papst diese Verlegung. Er stellte ihm vor: „Die Auf¬ lösung des Konzils sei ein Sieg der Ketzerei, vor der die Kirche zu fliehen Grenzboten IV. 1877. ^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/381>, abgerufen am 25.08.2024.