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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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mund Pausanias ist. Der König fährt, gereizt durch die vorhergehende Scene,
heraus:


Pleistarchos wünsch' ich ja Gedeihn; doch bin ich
Aushülfe blos, bis jener mündig wird.
Ja, wenn ich König wär' im eignen Recht!

Die Heerführer und Bundesgenossen stellen die wichtigsten Grüude ihrer Un¬
zufriedenheit fest, als sich Pausanias mit Chares zurückzieht. Aristides trügt
diese Beschwerdepunkte sofort vor, als der König mit dem jungen Krieger
zurückkehrt. Vor Allem soll der Oberbefehlshaber nicht in dem üppigen Byzanz
rasten, sondern den Krieg in das Herz des feindlichen Landes tragen. Offen
droht man ihm Entziehung des Oberbefehls und dessen Uebertragung auf
Athen, wenn er deu Krieg uach seinem Eigenwillen weiter führe und als
Tyrann, statt als Erster unter Gleichen, die Bundesheerführer und Bundes¬
genossen behandle. Im Wortgefecht zeigt sich Aristides ihm entschieden über¬
legen. Auch das positive Recht hat er auf seiner Seite und das Verlangen
nach etwas höflicherer Behandlung der Bundesgenossen Seiten des Oberbe¬
fehlshabers wird jeder Leser dieser ersten Scenen als keine übertriebene For¬
derung betrachten. Dennoch ist unsere Sympathie entschieden auf Seiten des
Königs, der sich aller Einschränkung seiner Macht mit stolzer Würde wider¬
setzt und das ihm nachtheilige Wortgefecht kurz abschneidet mit der Erklärung,
daß er die Macht einmal besitze und den tödten lasse, der ihm nicht gehorche.
Namentlich geben wir ihm Recht in seiner Klage über die Uneinigkeit seines
Vaterlandes, die Eifersucht aller einzelnen Stämme gegeneinander. Einen
wohlthuenden Gegensatz zu der heftigen Scene bildet die folgende herzliche
Plauderei des Königs mit Chares, der seinen Onkel Getön, einen reichen
Kaufmann, in dessen Geschäftder jungeKriegereinst treten sollte,inByzanz gefunden
und ihm angekündigt hat, daß Pausanias bei ihm Quartier nehmen werde.
Die Schlußscene des ersten Aktes zeigt uns den Vorbeimarsch der Griechen,
wie sie in die eroberte Stadt ziehn. Jeder Volksstamm zieht mit einen: Gesang
vorüber. Max Bruch hat diese Lieder, wie die in Kruse's Marino Faliero
vorkommenden Gesänge, in Musik gesetzt. Aus der letzten Reihe treten die
bereits vorhin erwähnten ionischen Schiffsführer hervor und bereden mit ein¬
ander, das Schiff des Königs bei der Einfahrt in die Stadt mit ihren Schiffs¬
schnäbeln in den Grund zu bohren. Damit schließt der erste Akt.

Der Anfang des zweiten Aktes führt uns in Getöns Haus in Byzanz.
Getön gibt seiner Gattin Melitta eine Schilderung des Einzugs des Griecheu-
heeres, den er vom Dach seines Hauses mitangesehen. Getön ist ein Parvenü,
mit den guten und schlechten Seiten eines solchen, namentlich voller Menschen¬
furcht. sein Weib edler und entschiedener als er. Der König betritt das


mund Pausanias ist. Der König fährt, gereizt durch die vorhergehende Scene,
heraus:


Pleistarchos wünsch' ich ja Gedeihn; doch bin ich
Aushülfe blos, bis jener mündig wird.
Ja, wenn ich König wär' im eignen Recht!

Die Heerführer und Bundesgenossen stellen die wichtigsten Grüude ihrer Un¬
zufriedenheit fest, als sich Pausanias mit Chares zurückzieht. Aristides trügt
diese Beschwerdepunkte sofort vor, als der König mit dem jungen Krieger
zurückkehrt. Vor Allem soll der Oberbefehlshaber nicht in dem üppigen Byzanz
rasten, sondern den Krieg in das Herz des feindlichen Landes tragen. Offen
droht man ihm Entziehung des Oberbefehls und dessen Uebertragung auf
Athen, wenn er deu Krieg uach seinem Eigenwillen weiter führe und als
Tyrann, statt als Erster unter Gleichen, die Bundesheerführer und Bundes¬
genossen behandle. Im Wortgefecht zeigt sich Aristides ihm entschieden über¬
legen. Auch das positive Recht hat er auf seiner Seite und das Verlangen
nach etwas höflicherer Behandlung der Bundesgenossen Seiten des Oberbe¬
fehlshabers wird jeder Leser dieser ersten Scenen als keine übertriebene For¬
derung betrachten. Dennoch ist unsere Sympathie entschieden auf Seiten des
Königs, der sich aller Einschränkung seiner Macht mit stolzer Würde wider¬
setzt und das ihm nachtheilige Wortgefecht kurz abschneidet mit der Erklärung,
daß er die Macht einmal besitze und den tödten lasse, der ihm nicht gehorche.
Namentlich geben wir ihm Recht in seiner Klage über die Uneinigkeit seines
Vaterlandes, die Eifersucht aller einzelnen Stämme gegeneinander. Einen
wohlthuenden Gegensatz zu der heftigen Scene bildet die folgende herzliche
Plauderei des Königs mit Chares, der seinen Onkel Getön, einen reichen
Kaufmann, in dessen Geschäftder jungeKriegereinst treten sollte,inByzanz gefunden
und ihm angekündigt hat, daß Pausanias bei ihm Quartier nehmen werde.
Die Schlußscene des ersten Aktes zeigt uns den Vorbeimarsch der Griechen,
wie sie in die eroberte Stadt ziehn. Jeder Volksstamm zieht mit einen: Gesang
vorüber. Max Bruch hat diese Lieder, wie die in Kruse's Marino Faliero
vorkommenden Gesänge, in Musik gesetzt. Aus der letzten Reihe treten die
bereits vorhin erwähnten ionischen Schiffsführer hervor und bereden mit ein¬
ander, das Schiff des Königs bei der Einfahrt in die Stadt mit ihren Schiffs¬
schnäbeln in den Grund zu bohren. Damit schließt der erste Akt.

Der Anfang des zweiten Aktes führt uns in Getöns Haus in Byzanz.
Getön gibt seiner Gattin Melitta eine Schilderung des Einzugs des Griecheu-
heeres, den er vom Dach seines Hauses mitangesehen. Getön ist ein Parvenü,
mit den guten und schlechten Seiten eines solchen, namentlich voller Menschen¬
furcht. sein Weib edler und entschiedener als er. Der König betritt das


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[0358] mund Pausanias ist. Der König fährt, gereizt durch die vorhergehende Scene, heraus: Pleistarchos wünsch' ich ja Gedeihn; doch bin ich Aushülfe blos, bis jener mündig wird. Ja, wenn ich König wär' im eignen Recht! Die Heerführer und Bundesgenossen stellen die wichtigsten Grüude ihrer Un¬ zufriedenheit fest, als sich Pausanias mit Chares zurückzieht. Aristides trügt diese Beschwerdepunkte sofort vor, als der König mit dem jungen Krieger zurückkehrt. Vor Allem soll der Oberbefehlshaber nicht in dem üppigen Byzanz rasten, sondern den Krieg in das Herz des feindlichen Landes tragen. Offen droht man ihm Entziehung des Oberbefehls und dessen Uebertragung auf Athen, wenn er deu Krieg uach seinem Eigenwillen weiter führe und als Tyrann, statt als Erster unter Gleichen, die Bundesheerführer und Bundes¬ genossen behandle. Im Wortgefecht zeigt sich Aristides ihm entschieden über¬ legen. Auch das positive Recht hat er auf seiner Seite und das Verlangen nach etwas höflicherer Behandlung der Bundesgenossen Seiten des Oberbe¬ fehlshabers wird jeder Leser dieser ersten Scenen als keine übertriebene For¬ derung betrachten. Dennoch ist unsere Sympathie entschieden auf Seiten des Königs, der sich aller Einschränkung seiner Macht mit stolzer Würde wider¬ setzt und das ihm nachtheilige Wortgefecht kurz abschneidet mit der Erklärung, daß er die Macht einmal besitze und den tödten lasse, der ihm nicht gehorche. Namentlich geben wir ihm Recht in seiner Klage über die Uneinigkeit seines Vaterlandes, die Eifersucht aller einzelnen Stämme gegeneinander. Einen wohlthuenden Gegensatz zu der heftigen Scene bildet die folgende herzliche Plauderei des Königs mit Chares, der seinen Onkel Getön, einen reichen Kaufmann, in dessen Geschäftder jungeKriegereinst treten sollte,inByzanz gefunden und ihm angekündigt hat, daß Pausanias bei ihm Quartier nehmen werde. Die Schlußscene des ersten Aktes zeigt uns den Vorbeimarsch der Griechen, wie sie in die eroberte Stadt ziehn. Jeder Volksstamm zieht mit einen: Gesang vorüber. Max Bruch hat diese Lieder, wie die in Kruse's Marino Faliero vorkommenden Gesänge, in Musik gesetzt. Aus der letzten Reihe treten die bereits vorhin erwähnten ionischen Schiffsführer hervor und bereden mit ein¬ ander, das Schiff des Königs bei der Einfahrt in die Stadt mit ihren Schiffs¬ schnäbeln in den Grund zu bohren. Damit schließt der erste Akt. Der Anfang des zweiten Aktes führt uns in Getöns Haus in Byzanz. Getön gibt seiner Gattin Melitta eine Schilderung des Einzugs des Griecheu- heeres, den er vom Dach seines Hauses mitangesehen. Getön ist ein Parvenü, mit den guten und schlechten Seiten eines solchen, namentlich voller Menschen¬ furcht. sein Weib edler und entschiedener als er. Der König betritt das

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/358>, abgerufen am 24.08.2024.