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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Gebiete des Jngenieurwesens, riesiger Energie auf dem der Fabrikthätigkeit,
und bewundernswerther Rührigkeit und Tüchtigkeit in allen Zweigen des Han¬
dels und seiner Hülfsmittel und Einrichtungen begegnen? Welche Kräfte waren
und sind wirksam, wenn wir eine Leistungsfähigkeit vor uns sehen, welche
uns uach vielen Richtungen hin dnrch ihre Größe geradezu überwältigt?

Von der historischen Entwickelung abgesehen, die dem Amerikaner das
mühsame Abstreifen der Fesseln des Feudalismus und die Abnutzung einer
Masse guter Kräfte durch Glanbenskümpfe ersparte, und die ihm in einer starken
Einwanderung Ströme energischer und erfahrener Menschen zuführte, giebt es
in Amerika eine Anzahl erzieherischer Momente, welche die Thätigkeit der
Schule ergänzen und ersetzen. Dahin gehören die politischen Einrichtungen
und die durch sie bewirkte Erweiterung des Gesichtskreises, die Achtung vor
der Arbeit in allen Gestalten und die hierauf sich gründende Leichtigkeit des
Berufswechsels, die einerseits Selbsterziehung im Gefolge hat, andererseits die
Mehrzahl der Kräfte schließlich dahin gelangen läßt, wo sie am Besten ver¬
werthet werden, der Mangel aller und jeder Bevormundung, das damit ver¬
bundene, schon dem Halberwachsenen innewohnende Bewußtsein, sich selbst helfen
und selbst die Verantwortlichkeit tragen zu müssen, die volle Freizügigkeit auf
einem Gebiete, welches fast so groß wie ganz Europa ist, die mit Unter¬
nehmungslust gepaarte Bereitwilligkeit des Kapitals mit der Arbeitskraft Ver¬
bindungen einzugehen und sich an die kühnsten Spekulationen zu wagen, ferner
die sehr zahlreichen und äußerst liberal verwalteten öffentlichen Bibliotheken
und die weit häufiger als in Europa auftretenden öffentlichen Vorleser, endlich
aber das große Mittel zur Selbstbildung, zur Aneiferung und zur Weckung
der Produktionskraft, welches in einer stark entwickelten Presse liegt.

Der große Antheil, den die Presse an der Entwickelung Amerikas genom¬
men hat, veranlaßt uns, nach einem während der Weltausstellung erschienenen
Werke (Oknwumal 5is>vsxA,psr Lxwdition, RoneU ^ poux. in Rh>v-?orK) eine
Uebersicht über das amerikanische Zeitungswesen zu geben, der wir einige ge¬
schichtliche Notizen voraussenden. Die erste Zeitung Nordamerikas, "Boston
Public Occnrrences" getauft, erblickte am 25. September 1690 das Licht der
Welt, lebte aber nur einen Tag, da ihre radical demokratische Haltung die Re¬
gierung zu ihrer sofortigen Unterdrückung herausforderte. Erst vierzehn Jahre
später begann das Zweitälteste Blatt und zwar ebenfalls in Boston zu erschei¬
nen. Der "Boston New Letter" war ein Wochenblatt, welches von 1704 bis
1776 lebte, aber ein sehr kleines Format hatte und gewöhnlich nur eine, bis¬
weilen nur eine halbe zweispaltige Seite mit Nachrichten von auswärts brachte.
Es hatte übrigens bereits seinen Reporter, dessen erster Bericht sich mit der
Hinrichtung von sechs Seeräubern beschäftigte. Darauf folgte vom 21. Dezem-


Gebiete des Jngenieurwesens, riesiger Energie auf dem der Fabrikthätigkeit,
und bewundernswerther Rührigkeit und Tüchtigkeit in allen Zweigen des Han¬
dels und seiner Hülfsmittel und Einrichtungen begegnen? Welche Kräfte waren
und sind wirksam, wenn wir eine Leistungsfähigkeit vor uns sehen, welche
uns uach vielen Richtungen hin dnrch ihre Größe geradezu überwältigt?

Von der historischen Entwickelung abgesehen, die dem Amerikaner das
mühsame Abstreifen der Fesseln des Feudalismus und die Abnutzung einer
Masse guter Kräfte durch Glanbenskümpfe ersparte, und die ihm in einer starken
Einwanderung Ströme energischer und erfahrener Menschen zuführte, giebt es
in Amerika eine Anzahl erzieherischer Momente, welche die Thätigkeit der
Schule ergänzen und ersetzen. Dahin gehören die politischen Einrichtungen
und die durch sie bewirkte Erweiterung des Gesichtskreises, die Achtung vor
der Arbeit in allen Gestalten und die hierauf sich gründende Leichtigkeit des
Berufswechsels, die einerseits Selbsterziehung im Gefolge hat, andererseits die
Mehrzahl der Kräfte schließlich dahin gelangen läßt, wo sie am Besten ver¬
werthet werden, der Mangel aller und jeder Bevormundung, das damit ver¬
bundene, schon dem Halberwachsenen innewohnende Bewußtsein, sich selbst helfen
und selbst die Verantwortlichkeit tragen zu müssen, die volle Freizügigkeit auf
einem Gebiete, welches fast so groß wie ganz Europa ist, die mit Unter¬
nehmungslust gepaarte Bereitwilligkeit des Kapitals mit der Arbeitskraft Ver¬
bindungen einzugehen und sich an die kühnsten Spekulationen zu wagen, ferner
die sehr zahlreichen und äußerst liberal verwalteten öffentlichen Bibliotheken
und die weit häufiger als in Europa auftretenden öffentlichen Vorleser, endlich
aber das große Mittel zur Selbstbildung, zur Aneiferung und zur Weckung
der Produktionskraft, welches in einer stark entwickelten Presse liegt.

Der große Antheil, den die Presse an der Entwickelung Amerikas genom¬
men hat, veranlaßt uns, nach einem während der Weltausstellung erschienenen
Werke (Oknwumal 5is>vsxA,psr Lxwdition, RoneU ^ poux. in Rh>v-?orK) eine
Uebersicht über das amerikanische Zeitungswesen zu geben, der wir einige ge¬
schichtliche Notizen voraussenden. Die erste Zeitung Nordamerikas, „Boston
Public Occnrrences" getauft, erblickte am 25. September 1690 das Licht der
Welt, lebte aber nur einen Tag, da ihre radical demokratische Haltung die Re¬
gierung zu ihrer sofortigen Unterdrückung herausforderte. Erst vierzehn Jahre
später begann das Zweitälteste Blatt und zwar ebenfalls in Boston zu erschei¬
nen. Der „Boston New Letter" war ein Wochenblatt, welches von 1704 bis
1776 lebte, aber ein sehr kleines Format hatte und gewöhnlich nur eine, bis¬
weilen nur eine halbe zweispaltige Seite mit Nachrichten von auswärts brachte.
Es hatte übrigens bereits seinen Reporter, dessen erster Bericht sich mit der
Hinrichtung von sechs Seeräubern beschäftigte. Darauf folgte vom 21. Dezem-


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[0032] Gebiete des Jngenieurwesens, riesiger Energie auf dem der Fabrikthätigkeit, und bewundernswerther Rührigkeit und Tüchtigkeit in allen Zweigen des Han¬ dels und seiner Hülfsmittel und Einrichtungen begegnen? Welche Kräfte waren und sind wirksam, wenn wir eine Leistungsfähigkeit vor uns sehen, welche uns uach vielen Richtungen hin dnrch ihre Größe geradezu überwältigt? Von der historischen Entwickelung abgesehen, die dem Amerikaner das mühsame Abstreifen der Fesseln des Feudalismus und die Abnutzung einer Masse guter Kräfte durch Glanbenskümpfe ersparte, und die ihm in einer starken Einwanderung Ströme energischer und erfahrener Menschen zuführte, giebt es in Amerika eine Anzahl erzieherischer Momente, welche die Thätigkeit der Schule ergänzen und ersetzen. Dahin gehören die politischen Einrichtungen und die durch sie bewirkte Erweiterung des Gesichtskreises, die Achtung vor der Arbeit in allen Gestalten und die hierauf sich gründende Leichtigkeit des Berufswechsels, die einerseits Selbsterziehung im Gefolge hat, andererseits die Mehrzahl der Kräfte schließlich dahin gelangen läßt, wo sie am Besten ver¬ werthet werden, der Mangel aller und jeder Bevormundung, das damit ver¬ bundene, schon dem Halberwachsenen innewohnende Bewußtsein, sich selbst helfen und selbst die Verantwortlichkeit tragen zu müssen, die volle Freizügigkeit auf einem Gebiete, welches fast so groß wie ganz Europa ist, die mit Unter¬ nehmungslust gepaarte Bereitwilligkeit des Kapitals mit der Arbeitskraft Ver¬ bindungen einzugehen und sich an die kühnsten Spekulationen zu wagen, ferner die sehr zahlreichen und äußerst liberal verwalteten öffentlichen Bibliotheken und die weit häufiger als in Europa auftretenden öffentlichen Vorleser, endlich aber das große Mittel zur Selbstbildung, zur Aneiferung und zur Weckung der Produktionskraft, welches in einer stark entwickelten Presse liegt. Der große Antheil, den die Presse an der Entwickelung Amerikas genom¬ men hat, veranlaßt uns, nach einem während der Weltausstellung erschienenen Werke (Oknwumal 5is>vsxA,psr Lxwdition, RoneU ^ poux. in Rh>v-?orK) eine Uebersicht über das amerikanische Zeitungswesen zu geben, der wir einige ge¬ schichtliche Notizen voraussenden. Die erste Zeitung Nordamerikas, „Boston Public Occnrrences" getauft, erblickte am 25. September 1690 das Licht der Welt, lebte aber nur einen Tag, da ihre radical demokratische Haltung die Re¬ gierung zu ihrer sofortigen Unterdrückung herausforderte. Erst vierzehn Jahre später begann das Zweitälteste Blatt und zwar ebenfalls in Boston zu erschei¬ nen. Der „Boston New Letter" war ein Wochenblatt, welches von 1704 bis 1776 lebte, aber ein sehr kleines Format hatte und gewöhnlich nur eine, bis¬ weilen nur eine halbe zweispaltige Seite mit Nachrichten von auswärts brachte. Es hatte übrigens bereits seinen Reporter, dessen erster Bericht sich mit der Hinrichtung von sechs Seeräubern beschäftigte. Darauf folgte vom 21. Dezem-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/32>, abgerufen am 05.02.2025.