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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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noch: er müßte doch endlich einmal, schon uns Mangel an Stoff, mit seinen
Schulreminiscenzen zu Ende kommen. Aber seine "Lorbeeren" lassen anderen
Autoren, die "Verdienste" seines Verlegers andere Verleger nicht schlafen. So
haben uns die letzten Monate allein wieder drei neue Schriften verschiedener
Verfasser gebracht, die sich alle so ähnlich sehen, wie ein El dem andern.

Lassen wir sie schnell Revue Passiren.

Erstens: Tolle Streiche. Gymnasialhumoresken von Paul T n g e n d -
reich, (I.um8 ^ non luvonä"), 2. Auflage (Natürlich!), Leipzig, Hermann
Wvlfert. Inhalt: Ein Besuch bei Professor Greikelmeier. Der erste Religions¬
unterricht nach deu Ferien. Die erste französische Stunde bei Gasbeleuchtung.
Heitere Erinnerungen aus deu Mathcmatikstunden. Aus den Lehrstunden
Doktor Qnasselheims. -- Nehmen wir die dritte Geschichte ans diesem Buche,
S, 54: Die Gasflammen brennen sehr dunkel, der Direktor -- ein Jammerge¬
stell nach dieser Schilderung, befiehlt sie aufzuschrauben und die Schiller drehen
sie nun natürlich ganz aus. Der Direktor: "Aber hären Se, nun bin ich's
denn doch ieberdrissiig. Se iebertreiben mer die Sache zu arg! Rieger, gehn
Sie mer mal sofort zum Pedellen! Aber schnell!" .. . "Hastig will der Auf¬
geforderte aus der Bank. Sein Nachbar hält ihn am Beine und so entspinnt
sich in der Dunkelheit ein heftiges Gefecht. Ein Theil leistet dem sittsamen
Primaner Beistand; andere suchen ihn zu hindern. Dumpfes Getose und lautes
Geborner wechselt, je nachdem der Eine an den Ofenschirm oder der Andere
a" die Bank anschlägt. Die ganze Klasse gleicht eher einem Schlachtfelde im
Dämmerschein, als der friedlichen Pflanzstätte der Wissenschaft. Ein Theil
steht auf den Tafeln und hämmert und klopft an den Gasröhren; die Anderen,
welche uoch in den Bänken sitzen, rücken nach der Mitte gegeneinander vor;
das grausame Spiel der "Preßwurst" beginnt: die mittleren Schüler der ein-
s^treu Bänke werden von rechts und links nach Kräften zusammengequetscht
und nur mühsam vermögen sie nach Luft zu schnappen. Ein fürchterliches
Bombardement von Papierstöpselu macht das ganze Terrain unsicher, und
selbst die gefürchtete Persönlichkeit des gestrengen Herrn Direktors wird von
den Geschossen nicht verschont. Die Düsterheit schützt die Verwegenen vor
^"tdecknng, -- kurz, die Situation scheint unserem friedlichen Greikelmeier
^'rötliche Dimensionen anzunehmen, und mit einem energischen: "Ich bitt' mer
^use aus!" wurde für einige Sekunden Waffenstillstand geschlossen. So geht
^ nur die ganzen 128 Seiten durch: ein fideles Gymnasium! -

Zweitens: Schulerinnerungen. Humoresken von Georg Bötticher.
Zweite Auflage -- deun das Werk ist bei Wölfert in Leipzig erschienen. Ans dein
Titel prangt das Bild eines Rhinozeros unter dem Namen des Verfassers.
Der Autor ist durchans ehrlich; er verräth uns folgendes: Ernst Eckstein hat


noch: er müßte doch endlich einmal, schon uns Mangel an Stoff, mit seinen
Schulreminiscenzen zu Ende kommen. Aber seine „Lorbeeren" lassen anderen
Autoren, die „Verdienste" seines Verlegers andere Verleger nicht schlafen. So
haben uns die letzten Monate allein wieder drei neue Schriften verschiedener
Verfasser gebracht, die sich alle so ähnlich sehen, wie ein El dem andern.

Lassen wir sie schnell Revue Passiren.

Erstens: Tolle Streiche. Gymnasialhumoresken von Paul T n g e n d -
reich, (I.um8 ^ non luvonä»), 2. Auflage (Natürlich!), Leipzig, Hermann
Wvlfert. Inhalt: Ein Besuch bei Professor Greikelmeier. Der erste Religions¬
unterricht nach deu Ferien. Die erste französische Stunde bei Gasbeleuchtung.
Heitere Erinnerungen aus deu Mathcmatikstunden. Aus den Lehrstunden
Doktor Qnasselheims. — Nehmen wir die dritte Geschichte ans diesem Buche,
S, 54: Die Gasflammen brennen sehr dunkel, der Direktor — ein Jammerge¬
stell nach dieser Schilderung, befiehlt sie aufzuschrauben und die Schiller drehen
sie nun natürlich ganz aus. Der Direktor: „Aber hären Se, nun bin ich's
denn doch ieberdrissiig. Se iebertreiben mer die Sache zu arg! Rieger, gehn
Sie mer mal sofort zum Pedellen! Aber schnell!" .. . „Hastig will der Auf¬
geforderte aus der Bank. Sein Nachbar hält ihn am Beine und so entspinnt
sich in der Dunkelheit ein heftiges Gefecht. Ein Theil leistet dem sittsamen
Primaner Beistand; andere suchen ihn zu hindern. Dumpfes Getose und lautes
Geborner wechselt, je nachdem der Eine an den Ofenschirm oder der Andere
a» die Bank anschlägt. Die ganze Klasse gleicht eher einem Schlachtfelde im
Dämmerschein, als der friedlichen Pflanzstätte der Wissenschaft. Ein Theil
steht auf den Tafeln und hämmert und klopft an den Gasröhren; die Anderen,
welche uoch in den Bänken sitzen, rücken nach der Mitte gegeneinander vor;
das grausame Spiel der „Preßwurst" beginnt: die mittleren Schüler der ein-
s^treu Bänke werden von rechts und links nach Kräften zusammengequetscht
und nur mühsam vermögen sie nach Luft zu schnappen. Ein fürchterliches
Bombardement von Papierstöpselu macht das ganze Terrain unsicher, und
selbst die gefürchtete Persönlichkeit des gestrengen Herrn Direktors wird von
den Geschossen nicht verschont. Die Düsterheit schützt die Verwegenen vor
^"tdecknng, — kurz, die Situation scheint unserem friedlichen Greikelmeier
^'rötliche Dimensionen anzunehmen, und mit einem energischen: „Ich bitt' mer
^use aus!" wurde für einige Sekunden Waffenstillstand geschlossen. So geht
^ nur die ganzen 128 Seiten durch: ein fideles Gymnasium! -

Zweitens: Schulerinnerungen. Humoresken von Georg Bötticher.
Zweite Auflage — deun das Werk ist bei Wölfert in Leipzig erschienen. Ans dein
Titel prangt das Bild eines Rhinozeros unter dem Namen des Verfassers.
Der Autor ist durchans ehrlich; er verräth uns folgendes: Ernst Eckstein hat


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[0265] noch: er müßte doch endlich einmal, schon uns Mangel an Stoff, mit seinen Schulreminiscenzen zu Ende kommen. Aber seine „Lorbeeren" lassen anderen Autoren, die „Verdienste" seines Verlegers andere Verleger nicht schlafen. So haben uns die letzten Monate allein wieder drei neue Schriften verschiedener Verfasser gebracht, die sich alle so ähnlich sehen, wie ein El dem andern. Lassen wir sie schnell Revue Passiren. Erstens: Tolle Streiche. Gymnasialhumoresken von Paul T n g e n d - reich, (I.um8 ^ non luvonä»), 2. Auflage (Natürlich!), Leipzig, Hermann Wvlfert. Inhalt: Ein Besuch bei Professor Greikelmeier. Der erste Religions¬ unterricht nach deu Ferien. Die erste französische Stunde bei Gasbeleuchtung. Heitere Erinnerungen aus deu Mathcmatikstunden. Aus den Lehrstunden Doktor Qnasselheims. — Nehmen wir die dritte Geschichte ans diesem Buche, S, 54: Die Gasflammen brennen sehr dunkel, der Direktor — ein Jammerge¬ stell nach dieser Schilderung, befiehlt sie aufzuschrauben und die Schiller drehen sie nun natürlich ganz aus. Der Direktor: „Aber hären Se, nun bin ich's denn doch ieberdrissiig. Se iebertreiben mer die Sache zu arg! Rieger, gehn Sie mer mal sofort zum Pedellen! Aber schnell!" .. . „Hastig will der Auf¬ geforderte aus der Bank. Sein Nachbar hält ihn am Beine und so entspinnt sich in der Dunkelheit ein heftiges Gefecht. Ein Theil leistet dem sittsamen Primaner Beistand; andere suchen ihn zu hindern. Dumpfes Getose und lautes Geborner wechselt, je nachdem der Eine an den Ofenschirm oder der Andere a» die Bank anschlägt. Die ganze Klasse gleicht eher einem Schlachtfelde im Dämmerschein, als der friedlichen Pflanzstätte der Wissenschaft. Ein Theil steht auf den Tafeln und hämmert und klopft an den Gasröhren; die Anderen, welche uoch in den Bänken sitzen, rücken nach der Mitte gegeneinander vor; das grausame Spiel der „Preßwurst" beginnt: die mittleren Schüler der ein- s^treu Bänke werden von rechts und links nach Kräften zusammengequetscht und nur mühsam vermögen sie nach Luft zu schnappen. Ein fürchterliches Bombardement von Papierstöpselu macht das ganze Terrain unsicher, und selbst die gefürchtete Persönlichkeit des gestrengen Herrn Direktors wird von den Geschossen nicht verschont. Die Düsterheit schützt die Verwegenen vor ^"tdecknng, — kurz, die Situation scheint unserem friedlichen Greikelmeier ^'rötliche Dimensionen anzunehmen, und mit einem energischen: „Ich bitt' mer ^use aus!" wurde für einige Sekunden Waffenstillstand geschlossen. So geht ^ nur die ganzen 128 Seiten durch: ein fideles Gymnasium! - Zweitens: Schulerinnerungen. Humoresken von Georg Bötticher. Zweite Auflage — deun das Werk ist bei Wölfert in Leipzig erschienen. Ans dein Titel prangt das Bild eines Rhinozeros unter dem Namen des Verfassers. Der Autor ist durchans ehrlich; er verräth uns folgendes: Ernst Eckstein hat

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/265>, abgerufen am 25.08.2024.