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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Geistes. In den Augen eines Herrschers, der eine so sichtliche Schen vor
talentvollen und unabhängigen Männern hatte, "rußten Leute wie Adlerberg,
wem, sie nnr nicht zu häufig, anch nicht ans der bessern Gesellschaft ausgestoßen
>parer, hohen Werth besitze", und konnten Ansprüche ans jede Berücksichtigung
machen. Die Würde eines großfürstlichen Adjutanten hatte übrigens nicht
viel zu bedeuten. Bis zum Jahre 1825 war der junge Gardeoberst, welcher
das Kriegshandwerk eben so kannte wie der Großfürst, von dessen Seite er nie
kam, eine fast unbekannte Persönlichkeit, einer der vielen Gardeoffiziere, welche
man bei jedem Hoffeste, bei jeder Parade, ans jedem elegantem Balle sieht, nach
denen Niemand frägt und von denen man von vornherein überzeugt ist, daß
sie als Generale "A, 1a fuit" alö "a. NuMlü Iinpünalv" sterben werden. Die
plötzliche Erhebung Nikolaus I. auf den russischen Thron, erhob anch den gro߬
fürstlichen Adjutanten unverhofft zu einer ungewöhnlichen Höhe.

Der Umstand, daß er nicht mit dem Gifte liberaler und humaner Ideen
angesteckt war, sicherte ihm von vornherein eine glänzende Karriere. Er war
nicht im Entferntesten am Dezemberanfstande von 1825 betheiligt, kannte nicht
einen der jungen Männer näher, welche es sich zur Ehre rechneten, in diese
Verschwörung verwickelt zu sein; steif wie er war, paradirte er im Gefolge
seines Gebieters und hörte regungslos die berüchtigten Worte Tolls: "II kaut
mitrailwr noto cmulillc; " Adlerbergs Eigenschaften, so negativ sie waren, oder
weil sie negativ waren, trugen ihm reiche Früchte. Ihm wurde die Ehre zu
Theil, Schriftführer der Kommission zu sein, welche mit dem Verhör der ver¬
hafteten Staatsverbrecher betraut war, und zu dieser Kommission wurden nur
hochgestellte Generäle berufen. Präsidirender dieser Kommission war der damalige
Kriegsminister Tatischtschew, Mitglieder unter Andern der Großfürst Michael,
General Divisch, Graf Kutusow, Graf Benkendorf, Tschernischew, Lewaschem,
und nur ein Civilist, der Fürst Galieyn.

Hier sei beiläufig bemerkt, das Tatischtschew zu den ungebildetsten und
gewöhnlichste" Menschen seiner Zeit gehörte, und sich anch deshalb nicht lange
ans dem Posten eines Kriegsministers behaupten konnte. Er selbst hat sich
in einer Aeußerung, welche er gegenüber einem verhafteten Offizier gethan,
ausgezeichnet "charakterisirt": "Sie haben, sagte er ihm, für nothwendig er¬
achtet, Bertham, Trash und Constant zu studiren, und Sie sehen, wohin Sie
dies gebracht hat! Ich, sagte er weiter und zeigte auf seiue Orden, habe nnr
die Bibel gelesen, und Sie sehen, wohin ich gekommen bin."

Das zur Abnrtheilung der Verschworenen eingesetzte Kriegsgericht bestand
a"s Staatsrätheu, Senatoren, Mitgliedern der "heiligsten regierenden Synode"
und fünfzehn hinzu kommandirten Generälen. Vorsitzender dieses aus 30 Mit¬
gliedern bestehenden Gerichtes war der taube Fürst Lopuchin, und als General-


Geistes. In den Augen eines Herrschers, der eine so sichtliche Schen vor
talentvollen und unabhängigen Männern hatte, »rußten Leute wie Adlerberg,
wem, sie nnr nicht zu häufig, anch nicht ans der bessern Gesellschaft ausgestoßen
>parer, hohen Werth besitze», und konnten Ansprüche ans jede Berücksichtigung
machen. Die Würde eines großfürstlichen Adjutanten hatte übrigens nicht
viel zu bedeuten. Bis zum Jahre 1825 war der junge Gardeoberst, welcher
das Kriegshandwerk eben so kannte wie der Großfürst, von dessen Seite er nie
kam, eine fast unbekannte Persönlichkeit, einer der vielen Gardeoffiziere, welche
man bei jedem Hoffeste, bei jeder Parade, ans jedem elegantem Balle sieht, nach
denen Niemand frägt und von denen man von vornherein überzeugt ist, daß
sie als Generale „A, 1a fuit« alö «a. NuMlü Iinpünalv" sterben werden. Die
plötzliche Erhebung Nikolaus I. auf den russischen Thron, erhob anch den gro߬
fürstlichen Adjutanten unverhofft zu einer ungewöhnlichen Höhe.

Der Umstand, daß er nicht mit dem Gifte liberaler und humaner Ideen
angesteckt war, sicherte ihm von vornherein eine glänzende Karriere. Er war
nicht im Entferntesten am Dezemberanfstande von 1825 betheiligt, kannte nicht
einen der jungen Männer näher, welche es sich zur Ehre rechneten, in diese
Verschwörung verwickelt zu sein; steif wie er war, paradirte er im Gefolge
seines Gebieters und hörte regungslos die berüchtigten Worte Tolls: „II kaut
mitrailwr noto cmulillc; " Adlerbergs Eigenschaften, so negativ sie waren, oder
weil sie negativ waren, trugen ihm reiche Früchte. Ihm wurde die Ehre zu
Theil, Schriftführer der Kommission zu sein, welche mit dem Verhör der ver¬
hafteten Staatsverbrecher betraut war, und zu dieser Kommission wurden nur
hochgestellte Generäle berufen. Präsidirender dieser Kommission war der damalige
Kriegsminister Tatischtschew, Mitglieder unter Andern der Großfürst Michael,
General Divisch, Graf Kutusow, Graf Benkendorf, Tschernischew, Lewaschem,
und nur ein Civilist, der Fürst Galieyn.

Hier sei beiläufig bemerkt, das Tatischtschew zu den ungebildetsten und
gewöhnlichste» Menschen seiner Zeit gehörte, und sich anch deshalb nicht lange
ans dem Posten eines Kriegsministers behaupten konnte. Er selbst hat sich
in einer Aeußerung, welche er gegenüber einem verhafteten Offizier gethan,
ausgezeichnet „charakterisirt": „Sie haben, sagte er ihm, für nothwendig er¬
achtet, Bertham, Trash und Constant zu studiren, und Sie sehen, wohin Sie
dies gebracht hat! Ich, sagte er weiter und zeigte auf seiue Orden, habe nnr
die Bibel gelesen, und Sie sehen, wohin ich gekommen bin."

Das zur Abnrtheilung der Verschworenen eingesetzte Kriegsgericht bestand
a»s Staatsrätheu, Senatoren, Mitgliedern der „heiligsten regierenden Synode"
und fünfzehn hinzu kommandirten Generälen. Vorsitzender dieses aus 30 Mit¬
gliedern bestehenden Gerichtes war der taube Fürst Lopuchin, und als General-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/25>, abgerufen am 03.07.2024.