Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

wähnte Einzelheit aus anderen originalen Quellenberichten zu controliren;
schon seit einer Reihe von Jahren liegt uns ja das Tagebuch Schladen's
gedruckt vor, der in der Umgebung des Hofes damals sich aufhielt und zu
verschiedenen vertraulichen Aufgaben gebraucht wurde. Dazu ist vor kurzem
die Publikation gekommen, welche auf den Erinnerungen und Aufzeichnungen
der Gräfin Voß beruht, der Oberhofmeisterin und Begleiterin der Königin.
Zieht man zu diesen Quellen noch die Fülle von Aktenstücken und Briefen
hinzu, welche Pertz und Andere gedruckt und benutzt haben, fo muß man
sagen, daß wir schon ein recht reiches Material besitzen für ein gründliches
Studium jeuer Epoche; eine neue Bereicherung steht ferner unmittelbar bevor
in der für den fünften Band von Ranke uns verheißenen, von ihm schon oft
citirten Sammlung von Aktenstücken: Denkschriften, Protocolle und sonstige
amtliche Papiere soll sie enthalten; hoffentlich wird dann aber auch das
"Journal" oder die verschiedenen "Journale" Hardenberg's gedruckt werden, auf
welche gelegentlich Ranke Bezug genommen hat.

Ueber das Frühjahr und den Sommer 1807, den russisch-preußischen Krieg
und die ihn begleitende großartige politische Action Hardenberg's bis zum Frieden
von Tilsit besitzen Nur jetzt drei Quellenberichte (Schladen, Hardenberg, die
Voß,) die von einander unabhängig sich gegenseitig in den meisten Punkten bekräf¬
tigen, ergänzen, erklären, in einzelnen Details auch wohl berichtigen; wie deutlich
sind jetzt z. B. die Einzelheiten der Begegnung zwischen Napoleon und Königin
Luise geworden (was die Oberhofmeisterin erzählt, wird freilich durch den
Bericht der begleitenden Hofdame der Königin, der Gräfin Tauentzien, noch
erläutert und in Einzelheiten vervollständigt werden müssen).

Bekanntlich bestand in Tilsit Napoleon auf Hardenbergs Entlassung aus
seinem Amte und Entfernung aus der Nähe des Königs: man mußte sich in
diese schwere Kränkung fügen, da Kaiser Alexander sich scheute in der Sache
energisch aufzutreten (Hardenbergs Bericht ist an dieser Stelle genau mit dem
Tagebuche Schladen's zu konfrontiren). Den letzten Dienst, den der scheidende
Minister seinem Könige noch leistete, bestand darin, daß er ihn vermochte an
die Spitze der Geschäfte Stein zu berufen; außerdem aber erstattete er auch
ein sehr ausführliches Gutachten über die Maßregeln, die in der damaligen
Lage zur Wiedergeburt Preußens ihm nothwendig zu sein schienen (abgedruckt
im 4. Baude). Das war die erste Arbeit, der er sich in dem Exile in Riga
unterzog, unterstützt von Altenstein und Niebuhr. Daß Stein, der in allen
Hauptpunkten Hardenberg's Auffassungen theilte, mit kräftiger Hand die Re¬
formen durchführen werde, das hoffte und wünschte der Verbannte mit glühen¬
dem Patriotismus. Hier endet sein 1808 verfaßtes Memoire.

Hardenbergs Laufbahn war damals noch nicht abgeschlossen. Im Juni


Grenzboten IV. 1877. 3

wähnte Einzelheit aus anderen originalen Quellenberichten zu controliren;
schon seit einer Reihe von Jahren liegt uns ja das Tagebuch Schladen's
gedruckt vor, der in der Umgebung des Hofes damals sich aufhielt und zu
verschiedenen vertraulichen Aufgaben gebraucht wurde. Dazu ist vor kurzem
die Publikation gekommen, welche auf den Erinnerungen und Aufzeichnungen
der Gräfin Voß beruht, der Oberhofmeisterin und Begleiterin der Königin.
Zieht man zu diesen Quellen noch die Fülle von Aktenstücken und Briefen
hinzu, welche Pertz und Andere gedruckt und benutzt haben, fo muß man
sagen, daß wir schon ein recht reiches Material besitzen für ein gründliches
Studium jeuer Epoche; eine neue Bereicherung steht ferner unmittelbar bevor
in der für den fünften Band von Ranke uns verheißenen, von ihm schon oft
citirten Sammlung von Aktenstücken: Denkschriften, Protocolle und sonstige
amtliche Papiere soll sie enthalten; hoffentlich wird dann aber auch das
„Journal" oder die verschiedenen „Journale" Hardenberg's gedruckt werden, auf
welche gelegentlich Ranke Bezug genommen hat.

Ueber das Frühjahr und den Sommer 1807, den russisch-preußischen Krieg
und die ihn begleitende großartige politische Action Hardenberg's bis zum Frieden
von Tilsit besitzen Nur jetzt drei Quellenberichte (Schladen, Hardenberg, die
Voß,) die von einander unabhängig sich gegenseitig in den meisten Punkten bekräf¬
tigen, ergänzen, erklären, in einzelnen Details auch wohl berichtigen; wie deutlich
sind jetzt z. B. die Einzelheiten der Begegnung zwischen Napoleon und Königin
Luise geworden (was die Oberhofmeisterin erzählt, wird freilich durch den
Bericht der begleitenden Hofdame der Königin, der Gräfin Tauentzien, noch
erläutert und in Einzelheiten vervollständigt werden müssen).

Bekanntlich bestand in Tilsit Napoleon auf Hardenbergs Entlassung aus
seinem Amte und Entfernung aus der Nähe des Königs: man mußte sich in
diese schwere Kränkung fügen, da Kaiser Alexander sich scheute in der Sache
energisch aufzutreten (Hardenbergs Bericht ist an dieser Stelle genau mit dem
Tagebuche Schladen's zu konfrontiren). Den letzten Dienst, den der scheidende
Minister seinem Könige noch leistete, bestand darin, daß er ihn vermochte an
die Spitze der Geschäfte Stein zu berufen; außerdem aber erstattete er auch
ein sehr ausführliches Gutachten über die Maßregeln, die in der damaligen
Lage zur Wiedergeburt Preußens ihm nothwendig zu sein schienen (abgedruckt
im 4. Baude). Das war die erste Arbeit, der er sich in dem Exile in Riga
unterzog, unterstützt von Altenstein und Niebuhr. Daß Stein, der in allen
Hauptpunkten Hardenberg's Auffassungen theilte, mit kräftiger Hand die Re¬
formen durchführen werde, das hoffte und wünschte der Verbannte mit glühen¬
dem Patriotismus. Hier endet sein 1808 verfaßtes Memoire.

Hardenbergs Laufbahn war damals noch nicht abgeschlossen. Im Juni


Grenzboten IV. 1877. 3
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0021" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/138780"/>
          <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> wähnte Einzelheit aus anderen originalen Quellenberichten zu controliren;<lb/>
schon seit einer Reihe von Jahren liegt uns ja das Tagebuch Schladen's<lb/>
gedruckt vor, der in der Umgebung des Hofes damals sich aufhielt und zu<lb/>
verschiedenen vertraulichen Aufgaben gebraucht wurde. Dazu ist vor kurzem<lb/>
die Publikation gekommen, welche auf den Erinnerungen und Aufzeichnungen<lb/>
der Gräfin Voß beruht, der Oberhofmeisterin und Begleiterin der Königin.<lb/>
Zieht man zu diesen Quellen noch die Fülle von Aktenstücken und Briefen<lb/>
hinzu, welche Pertz und Andere gedruckt und benutzt haben, fo muß man<lb/>
sagen, daß wir schon ein recht reiches Material besitzen für ein gründliches<lb/>
Studium jeuer Epoche; eine neue Bereicherung steht ferner unmittelbar bevor<lb/>
in der für den fünften Band von Ranke uns verheißenen, von ihm schon oft<lb/>
citirten Sammlung von Aktenstücken: Denkschriften, Protocolle und sonstige<lb/>
amtliche Papiere soll sie enthalten; hoffentlich wird dann aber auch das<lb/>
&#x201E;Journal" oder die verschiedenen &#x201E;Journale" Hardenberg's gedruckt werden, auf<lb/>
welche gelegentlich Ranke Bezug genommen hat.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42"> Ueber das Frühjahr und den Sommer 1807, den russisch-preußischen Krieg<lb/>
und die ihn begleitende großartige politische Action Hardenberg's bis zum Frieden<lb/>
von Tilsit besitzen Nur jetzt drei Quellenberichte (Schladen, Hardenberg, die<lb/>
Voß,) die von einander unabhängig sich gegenseitig in den meisten Punkten bekräf¬<lb/>
tigen, ergänzen, erklären, in einzelnen Details auch wohl berichtigen; wie deutlich<lb/>
sind jetzt z. B. die Einzelheiten der Begegnung zwischen Napoleon und Königin<lb/>
Luise geworden (was die Oberhofmeisterin erzählt, wird freilich durch den<lb/>
Bericht der begleitenden Hofdame der Königin, der Gräfin Tauentzien, noch<lb/>
erläutert und in Einzelheiten vervollständigt werden müssen).</p><lb/>
          <p xml:id="ID_43"> Bekanntlich bestand in Tilsit Napoleon auf Hardenbergs Entlassung aus<lb/>
seinem Amte und Entfernung aus der Nähe des Königs: man mußte sich in<lb/>
diese schwere Kränkung fügen, da Kaiser Alexander sich scheute in der Sache<lb/>
energisch aufzutreten (Hardenbergs Bericht ist an dieser Stelle genau mit dem<lb/>
Tagebuche Schladen's zu konfrontiren). Den letzten Dienst, den der scheidende<lb/>
Minister seinem Könige noch leistete, bestand darin, daß er ihn vermochte an<lb/>
die Spitze der Geschäfte Stein zu berufen; außerdem aber erstattete er auch<lb/>
ein sehr ausführliches Gutachten über die Maßregeln, die in der damaligen<lb/>
Lage zur Wiedergeburt Preußens ihm nothwendig zu sein schienen (abgedruckt<lb/>
im 4. Baude). Das war die erste Arbeit, der er sich in dem Exile in Riga<lb/>
unterzog, unterstützt von Altenstein und Niebuhr. Daß Stein, der in allen<lb/>
Hauptpunkten Hardenberg's Auffassungen theilte, mit kräftiger Hand die Re¬<lb/>
formen durchführen werde, das hoffte und wünschte der Verbannte mit glühen¬<lb/>
dem Patriotismus.  Hier endet sein 1808 verfaßtes Memoire.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_44" next="#ID_45"> Hardenbergs Laufbahn war damals noch nicht abgeschlossen. Im Juni</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten IV. 1877. 3</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0021] wähnte Einzelheit aus anderen originalen Quellenberichten zu controliren; schon seit einer Reihe von Jahren liegt uns ja das Tagebuch Schladen's gedruckt vor, der in der Umgebung des Hofes damals sich aufhielt und zu verschiedenen vertraulichen Aufgaben gebraucht wurde. Dazu ist vor kurzem die Publikation gekommen, welche auf den Erinnerungen und Aufzeichnungen der Gräfin Voß beruht, der Oberhofmeisterin und Begleiterin der Königin. Zieht man zu diesen Quellen noch die Fülle von Aktenstücken und Briefen hinzu, welche Pertz und Andere gedruckt und benutzt haben, fo muß man sagen, daß wir schon ein recht reiches Material besitzen für ein gründliches Studium jeuer Epoche; eine neue Bereicherung steht ferner unmittelbar bevor in der für den fünften Band von Ranke uns verheißenen, von ihm schon oft citirten Sammlung von Aktenstücken: Denkschriften, Protocolle und sonstige amtliche Papiere soll sie enthalten; hoffentlich wird dann aber auch das „Journal" oder die verschiedenen „Journale" Hardenberg's gedruckt werden, auf welche gelegentlich Ranke Bezug genommen hat. Ueber das Frühjahr und den Sommer 1807, den russisch-preußischen Krieg und die ihn begleitende großartige politische Action Hardenberg's bis zum Frieden von Tilsit besitzen Nur jetzt drei Quellenberichte (Schladen, Hardenberg, die Voß,) die von einander unabhängig sich gegenseitig in den meisten Punkten bekräf¬ tigen, ergänzen, erklären, in einzelnen Details auch wohl berichtigen; wie deutlich sind jetzt z. B. die Einzelheiten der Begegnung zwischen Napoleon und Königin Luise geworden (was die Oberhofmeisterin erzählt, wird freilich durch den Bericht der begleitenden Hofdame der Königin, der Gräfin Tauentzien, noch erläutert und in Einzelheiten vervollständigt werden müssen). Bekanntlich bestand in Tilsit Napoleon auf Hardenbergs Entlassung aus seinem Amte und Entfernung aus der Nähe des Königs: man mußte sich in diese schwere Kränkung fügen, da Kaiser Alexander sich scheute in der Sache energisch aufzutreten (Hardenbergs Bericht ist an dieser Stelle genau mit dem Tagebuche Schladen's zu konfrontiren). Den letzten Dienst, den der scheidende Minister seinem Könige noch leistete, bestand darin, daß er ihn vermochte an die Spitze der Geschäfte Stein zu berufen; außerdem aber erstattete er auch ein sehr ausführliches Gutachten über die Maßregeln, die in der damaligen Lage zur Wiedergeburt Preußens ihm nothwendig zu sein schienen (abgedruckt im 4. Baude). Das war die erste Arbeit, der er sich in dem Exile in Riga unterzog, unterstützt von Altenstein und Niebuhr. Daß Stein, der in allen Hauptpunkten Hardenberg's Auffassungen theilte, mit kräftiger Hand die Re¬ formen durchführen werde, das hoffte und wünschte der Verbannte mit glühen¬ dem Patriotismus. Hier endet sein 1808 verfaßtes Memoire. Hardenbergs Laufbahn war damals noch nicht abgeschlossen. Im Juni Grenzboten IV. 1877. 3

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/21
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/21>, abgerufen am 23.07.2024.