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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Agenten, eine Parteikasse und ein eigenes Blatt, der "Volksfreund." Hier sei
ein Anhaltspunkt, an den sich die weitere Entwicklung anzuschließen habe.

Schließlich wird die Pfalz in's Gebet genommen durch Redakteur
Fleisch manu aus Kaiserslautern: Die Konservativen seien eine anerkannte
Partei. "In den Städten müssen wir freilich die liberale Bourgeoisie hoff¬
nungslos aufgeben; diese kann nur durch die wachsende Sozialdemokratie mit
der Zeit geheilt werden. Unser Streben muß sein, den Landleuten ihren Kon¬
servatismus zum Bewußtsein zu bringen.' Eine erhebliche Anzahl der tüchtigsten
Fabrikanten steht auf unserer Seite, Nöthig ist, daß nur uns eine stramme
Organisation verschaffen; dann können wir auf Fortschritte in der Pfalz
rechnen."

Soweit die Musterung. Sie konstatirt, einige Selbstberüncherung abge¬
rechnet, lediglich uur das Eine, daß die deutsch-konservative Partei als leistungs¬
fähiger Faktor allüberall, in Baden wie in Württemberg, in Hessen und in
Bayern nicht existirt. Die "Wenn und aber", das Wünschen, Hoffen und
Sehnen, aus denen sich die in Bruchsal vernommenen Reden zusammensetzen
und die deren Inhalt bilden, können dem Politiker, der mit Thatsachen zu
rechnen gewohnt ist, für die lebenskräftige Existenz der Partei nichts beweisen.

Ueber deu zweiten Gegenstand der Tagesordnung: die engere Verbindung
der deutsch-konservativen Parteien in den einzelnen süddeutschen Staaten --
sprach zunächst Mühlhäußer. Treitschke, so führt der Redner aus, der vor
etwa zehn Jahren erklärt habe, in Süddeutschland fehlten alle Anknüpfungs¬
punkte für eine konservative Politik, sei durch die Thatsachen (?!) widerlegt.
"Wir haben -- so meint der Redner vorsichtig und fein -- vor Allem An¬
schluß bei den religiösen Elementen unseres Volkes gefunden", aber staatliche
Dinge müßten staatlich betrieben werden. In dieser Beziehung seien zwei
wichtige Schritte geschehen: Die Zusammenfassung der Gesinnungsgenossen in
Deutschland zu eiuer Partei und die Gründung einer konservative" Presse.
Redner leugnet die Solidarität mit dem alten Konservatismus, der bei uus
u> die schlimmste Bureaukratie ausgemündet habe. "Wir haben vielmehr Ver¬
wandtes mit den Altliberalen. Wir wollen die christliche Grundlage des Volks¬
und Staatslebens festhalten; wir wollen nicht aus der deutschen Art schlagen.
Wir wollen die idealen Güter pflegen im Gegensatz zur treibenden Macht
der Gegenwart, dem Egoismus. Unsere Aufgabe wird uus durch die Zer-
setzung des Liberalismus selbst wesentlich erleichtert, die gerade da am augen¬
fälligsten sich zeigt, wo er, wie in Baden, am weitesten vorging." Doch sei
eine bessere Organisation der Pvrtei nöthig. In dieser Beziehung stellt Redner
folgende Anträge: Jeder der konservativen Laudesausschüsse in Süddeutschland
soll einen Delegirten bestellen, damit diese Delegirten sich zur Verständigung


Agenten, eine Parteikasse und ein eigenes Blatt, der „Volksfreund." Hier sei
ein Anhaltspunkt, an den sich die weitere Entwicklung anzuschließen habe.

Schließlich wird die Pfalz in's Gebet genommen durch Redakteur
Fleisch manu aus Kaiserslautern: Die Konservativen seien eine anerkannte
Partei. „In den Städten müssen wir freilich die liberale Bourgeoisie hoff¬
nungslos aufgeben; diese kann nur durch die wachsende Sozialdemokratie mit
der Zeit geheilt werden. Unser Streben muß sein, den Landleuten ihren Kon¬
servatismus zum Bewußtsein zu bringen.' Eine erhebliche Anzahl der tüchtigsten
Fabrikanten steht auf unserer Seite, Nöthig ist, daß nur uns eine stramme
Organisation verschaffen; dann können wir auf Fortschritte in der Pfalz
rechnen."

Soweit die Musterung. Sie konstatirt, einige Selbstberüncherung abge¬
rechnet, lediglich uur das Eine, daß die deutsch-konservative Partei als leistungs¬
fähiger Faktor allüberall, in Baden wie in Württemberg, in Hessen und in
Bayern nicht existirt. Die „Wenn und aber", das Wünschen, Hoffen und
Sehnen, aus denen sich die in Bruchsal vernommenen Reden zusammensetzen
und die deren Inhalt bilden, können dem Politiker, der mit Thatsachen zu
rechnen gewohnt ist, für die lebenskräftige Existenz der Partei nichts beweisen.

Ueber deu zweiten Gegenstand der Tagesordnung: die engere Verbindung
der deutsch-konservativen Parteien in den einzelnen süddeutschen Staaten —
sprach zunächst Mühlhäußer. Treitschke, so führt der Redner aus, der vor
etwa zehn Jahren erklärt habe, in Süddeutschland fehlten alle Anknüpfungs¬
punkte für eine konservative Politik, sei durch die Thatsachen (?!) widerlegt.
"Wir haben — so meint der Redner vorsichtig und fein — vor Allem An¬
schluß bei den religiösen Elementen unseres Volkes gefunden", aber staatliche
Dinge müßten staatlich betrieben werden. In dieser Beziehung seien zwei
wichtige Schritte geschehen: Die Zusammenfassung der Gesinnungsgenossen in
Deutschland zu eiuer Partei und die Gründung einer konservative» Presse.
Redner leugnet die Solidarität mit dem alten Konservatismus, der bei uus
u> die schlimmste Bureaukratie ausgemündet habe. „Wir haben vielmehr Ver¬
wandtes mit den Altliberalen. Wir wollen die christliche Grundlage des Volks¬
und Staatslebens festhalten; wir wollen nicht aus der deutschen Art schlagen.
Wir wollen die idealen Güter pflegen im Gegensatz zur treibenden Macht
der Gegenwart, dem Egoismus. Unsere Aufgabe wird uus durch die Zer-
setzung des Liberalismus selbst wesentlich erleichtert, die gerade da am augen¬
fälligsten sich zeigt, wo er, wie in Baden, am weitesten vorging." Doch sei
eine bessere Organisation der Pvrtei nöthig. In dieser Beziehung stellt Redner
folgende Anträge: Jeder der konservativen Laudesausschüsse in Süddeutschland
soll einen Delegirten bestellen, damit diese Delegirten sich zur Verständigung


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[0161] Agenten, eine Parteikasse und ein eigenes Blatt, der „Volksfreund." Hier sei ein Anhaltspunkt, an den sich die weitere Entwicklung anzuschließen habe. Schließlich wird die Pfalz in's Gebet genommen durch Redakteur Fleisch manu aus Kaiserslautern: Die Konservativen seien eine anerkannte Partei. „In den Städten müssen wir freilich die liberale Bourgeoisie hoff¬ nungslos aufgeben; diese kann nur durch die wachsende Sozialdemokratie mit der Zeit geheilt werden. Unser Streben muß sein, den Landleuten ihren Kon¬ servatismus zum Bewußtsein zu bringen.' Eine erhebliche Anzahl der tüchtigsten Fabrikanten steht auf unserer Seite, Nöthig ist, daß nur uns eine stramme Organisation verschaffen; dann können wir auf Fortschritte in der Pfalz rechnen." Soweit die Musterung. Sie konstatirt, einige Selbstberüncherung abge¬ rechnet, lediglich uur das Eine, daß die deutsch-konservative Partei als leistungs¬ fähiger Faktor allüberall, in Baden wie in Württemberg, in Hessen und in Bayern nicht existirt. Die „Wenn und aber", das Wünschen, Hoffen und Sehnen, aus denen sich die in Bruchsal vernommenen Reden zusammensetzen und die deren Inhalt bilden, können dem Politiker, der mit Thatsachen zu rechnen gewohnt ist, für die lebenskräftige Existenz der Partei nichts beweisen. Ueber deu zweiten Gegenstand der Tagesordnung: die engere Verbindung der deutsch-konservativen Parteien in den einzelnen süddeutschen Staaten — sprach zunächst Mühlhäußer. Treitschke, so führt der Redner aus, der vor etwa zehn Jahren erklärt habe, in Süddeutschland fehlten alle Anknüpfungs¬ punkte für eine konservative Politik, sei durch die Thatsachen (?!) widerlegt. "Wir haben — so meint der Redner vorsichtig und fein — vor Allem An¬ schluß bei den religiösen Elementen unseres Volkes gefunden", aber staatliche Dinge müßten staatlich betrieben werden. In dieser Beziehung seien zwei wichtige Schritte geschehen: Die Zusammenfassung der Gesinnungsgenossen in Deutschland zu eiuer Partei und die Gründung einer konservative» Presse. Redner leugnet die Solidarität mit dem alten Konservatismus, der bei uus u> die schlimmste Bureaukratie ausgemündet habe. „Wir haben vielmehr Ver¬ wandtes mit den Altliberalen. Wir wollen die christliche Grundlage des Volks¬ und Staatslebens festhalten; wir wollen nicht aus der deutschen Art schlagen. Wir wollen die idealen Güter pflegen im Gegensatz zur treibenden Macht der Gegenwart, dem Egoismus. Unsere Aufgabe wird uus durch die Zer- setzung des Liberalismus selbst wesentlich erleichtert, die gerade da am augen¬ fälligsten sich zeigt, wo er, wie in Baden, am weitesten vorging." Doch sei eine bessere Organisation der Pvrtei nöthig. In dieser Beziehung stellt Redner folgende Anträge: Jeder der konservativen Laudesausschüsse in Süddeutschland soll einen Delegirten bestellen, damit diese Delegirten sich zur Verständigung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/161>, abgerufen am 22.07.2024.