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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band.

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Tod des treuen Gefährten und Dieners. Feierlichst sandte er seine Absage
uach Breslau und nach ihm seine Helfershelfer. "Dieweil Seine Fürstliche
Gnaden eine aufrichtige Fehde gegen Euch und den Euren hat, so will auch
ich als Euer und der Euren Feind mich erzeigen und gegen Euch und alle
den Euren meine Ehre, wie einem rittermäßigen Manne eignet und gebühret,
genugsam bewahret haben. Darnach habet Euch zu richten." So schrieben
die Reiter.

Der Rath ließ diese Briefe sofort bekannt machen, damit Jeder sich wahre,
daß mau Güter namentlich nicht über Land schicke, er besandte die benachbarten
Städtchen, warb neue Söldner und säuberte vor Allein die Stadt von den
Spähern, die die Reiter in großer Menge unterhielten, um rechtzeitig Kunde
,W erhalten von dem Abgang der Waarenzüge oder reicher Reisender und von
den Sicherheitsmaßregeln, die getroffen waren. Schon war man einem beson¬
ders schlimmen Späher der Kauffnnger auf der Spur und hatte sein Signa¬
lement ausgegeben: "Er heißet Kasparlein, sinket ein wenig, ein kurzes Knecht¬
en und kann lateinisch, behemisch und deutsch", und der Rath hatte allen
Grund ausrufen zu lassen, es solle "Jedermann Aufsehen haben, wen er Hauset
und hofet, daß er für ihn wie für sich selbst spreche und daß derselbe auf¬
richtigen Handel habe und Niemandem zum Schaden hier liege", und würde
ein unrechter betroffen, so wird der Rath "den Wirth und den Gast also
strafen, daß sich andere daran stoßen."

Schon kamen die Boten aus den Dörfern. Plündernd waren die Reiter
über der Stadt und der Bürger "armen Leute" hergefallen, aber auch mit
Brand hatten sie begonnen und dabei war die Ernte in den Scheunen. Mit
Recht war man hierüber besonders empört, man war des Brandes unbesorgt
gewesen, "da der Herzog und die Seinen in ihren Absagebriefen mit Brande
uicht abgesagt und doch brennen; was auch nicht fürstlich ist" -- und die
Gutsherren klagen, daß die Reiter ihre "armen Lent zu großen Unschulden
kläglich und jämmerlich gemordet, verbrannt und beraubet und zu Laudläuferu
gemacht, die jetzt auch böse Leute werden müßten." --

Es kam zu größeren Aktionen. Die Chronisten erzählen, daß der Herzog
"mit einem Haufen böhmischen Kriegsvolks und andern schlesischen Mithelfern
bei 800 Mann, so der Stadt widerwärtig waren, sich vor das Städtchen Kanth
legete, in welchem die Breslauer ihr Kriegsvolk, 400 Mann, hatten. Die
U'üscheten alsbald heraus, schlugen sich mit dem Fürsten, brachten ihn in die
Unehe, erlegten 60 seines Volkes, jageten ihm ab zwei Panier oder Fahnen,
daß er mit Schande und Schimpf mußte abziehen." Dies geschah am 14. Okto¬
ber 1512. Natürlich antwortete der Herzog durch den Brand neuer Dörfer
und es liegt ans der Hand, daß durch solch ein Gefecht, in dem die der Zahl


Tod des treuen Gefährten und Dieners. Feierlichst sandte er seine Absage
uach Breslau und nach ihm seine Helfershelfer. „Dieweil Seine Fürstliche
Gnaden eine aufrichtige Fehde gegen Euch und den Euren hat, so will auch
ich als Euer und der Euren Feind mich erzeigen und gegen Euch und alle
den Euren meine Ehre, wie einem rittermäßigen Manne eignet und gebühret,
genugsam bewahret haben. Darnach habet Euch zu richten." So schrieben
die Reiter.

Der Rath ließ diese Briefe sofort bekannt machen, damit Jeder sich wahre,
daß mau Güter namentlich nicht über Land schicke, er besandte die benachbarten
Städtchen, warb neue Söldner und säuberte vor Allein die Stadt von den
Spähern, die die Reiter in großer Menge unterhielten, um rechtzeitig Kunde
,W erhalten von dem Abgang der Waarenzüge oder reicher Reisender und von
den Sicherheitsmaßregeln, die getroffen waren. Schon war man einem beson¬
ders schlimmen Späher der Kauffnnger auf der Spur und hatte sein Signa¬
lement ausgegeben: „Er heißet Kasparlein, sinket ein wenig, ein kurzes Knecht¬
en und kann lateinisch, behemisch und deutsch", und der Rath hatte allen
Grund ausrufen zu lassen, es solle „Jedermann Aufsehen haben, wen er Hauset
und hofet, daß er für ihn wie für sich selbst spreche und daß derselbe auf¬
richtigen Handel habe und Niemandem zum Schaden hier liege", und würde
ein unrechter betroffen, so wird der Rath „den Wirth und den Gast also
strafen, daß sich andere daran stoßen."

Schon kamen die Boten aus den Dörfern. Plündernd waren die Reiter
über der Stadt und der Bürger „armen Leute" hergefallen, aber auch mit
Brand hatten sie begonnen und dabei war die Ernte in den Scheunen. Mit
Recht war man hierüber besonders empört, man war des Brandes unbesorgt
gewesen, „da der Herzog und die Seinen in ihren Absagebriefen mit Brande
uicht abgesagt und doch brennen; was auch nicht fürstlich ist" — und die
Gutsherren klagen, daß die Reiter ihre „armen Lent zu großen Unschulden
kläglich und jämmerlich gemordet, verbrannt und beraubet und zu Laudläuferu
gemacht, die jetzt auch böse Leute werden müßten." —

Es kam zu größeren Aktionen. Die Chronisten erzählen, daß der Herzog
»mit einem Haufen böhmischen Kriegsvolks und andern schlesischen Mithelfern
bei 800 Mann, so der Stadt widerwärtig waren, sich vor das Städtchen Kanth
legete, in welchem die Breslauer ihr Kriegsvolk, 400 Mann, hatten. Die
U'üscheten alsbald heraus, schlugen sich mit dem Fürsten, brachten ihn in die
Unehe, erlegten 60 seines Volkes, jageten ihm ab zwei Panier oder Fahnen,
daß er mit Schande und Schimpf mußte abziehen." Dies geschah am 14. Okto¬
ber 1512. Natürlich antwortete der Herzog durch den Brand neuer Dörfer
und es liegt ans der Hand, daß durch solch ein Gefecht, in dem die der Zahl


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[0137] Tod des treuen Gefährten und Dieners. Feierlichst sandte er seine Absage uach Breslau und nach ihm seine Helfershelfer. „Dieweil Seine Fürstliche Gnaden eine aufrichtige Fehde gegen Euch und den Euren hat, so will auch ich als Euer und der Euren Feind mich erzeigen und gegen Euch und alle den Euren meine Ehre, wie einem rittermäßigen Manne eignet und gebühret, genugsam bewahret haben. Darnach habet Euch zu richten." So schrieben die Reiter. Der Rath ließ diese Briefe sofort bekannt machen, damit Jeder sich wahre, daß mau Güter namentlich nicht über Land schicke, er besandte die benachbarten Städtchen, warb neue Söldner und säuberte vor Allein die Stadt von den Spähern, die die Reiter in großer Menge unterhielten, um rechtzeitig Kunde ,W erhalten von dem Abgang der Waarenzüge oder reicher Reisender und von den Sicherheitsmaßregeln, die getroffen waren. Schon war man einem beson¬ ders schlimmen Späher der Kauffnnger auf der Spur und hatte sein Signa¬ lement ausgegeben: „Er heißet Kasparlein, sinket ein wenig, ein kurzes Knecht¬ en und kann lateinisch, behemisch und deutsch", und der Rath hatte allen Grund ausrufen zu lassen, es solle „Jedermann Aufsehen haben, wen er Hauset und hofet, daß er für ihn wie für sich selbst spreche und daß derselbe auf¬ richtigen Handel habe und Niemandem zum Schaden hier liege", und würde ein unrechter betroffen, so wird der Rath „den Wirth und den Gast also strafen, daß sich andere daran stoßen." Schon kamen die Boten aus den Dörfern. Plündernd waren die Reiter über der Stadt und der Bürger „armen Leute" hergefallen, aber auch mit Brand hatten sie begonnen und dabei war die Ernte in den Scheunen. Mit Recht war man hierüber besonders empört, man war des Brandes unbesorgt gewesen, „da der Herzog und die Seinen in ihren Absagebriefen mit Brande uicht abgesagt und doch brennen; was auch nicht fürstlich ist" — und die Gutsherren klagen, daß die Reiter ihre „armen Lent zu großen Unschulden kläglich und jämmerlich gemordet, verbrannt und beraubet und zu Laudläuferu gemacht, die jetzt auch böse Leute werden müßten." — Es kam zu größeren Aktionen. Die Chronisten erzählen, daß der Herzog »mit einem Haufen böhmischen Kriegsvolks und andern schlesischen Mithelfern bei 800 Mann, so der Stadt widerwärtig waren, sich vor das Städtchen Kanth legete, in welchem die Breslauer ihr Kriegsvolk, 400 Mann, hatten. Die U'üscheten alsbald heraus, schlugen sich mit dem Fürsten, brachten ihn in die Unehe, erlegten 60 seines Volkes, jageten ihm ab zwei Panier oder Fahnen, daß er mit Schande und Schimpf mußte abziehen." Dies geschah am 14. Okto¬ ber 1512. Natürlich antwortete der Herzog durch den Brand neuer Dörfer und es liegt ans der Hand, daß durch solch ein Gefecht, in dem die der Zahl

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157645/137>, abgerufen am 24.08.2024.