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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Banarbeitern, Tischlern und Schneidern vorkam, durch den Rath festgesetzt.
Derjenige, welcher sich von einem Meister einen Gesellen miethete, hatte ihn
M beköstigen und zu lohnen, der Meister aber war verpflichtet, von Zeit zu
Zeit nachzusehen, ob der Knecht seiner Schuldigkeit nachkomme, auch mußte er
für das, was dieser verpfuschte, haften. Die Arbeitsdauer in den Werkstätten
beruhte auf Zunftbeschluß und wurde ebenso streng festgehalten als die vorher
bezeichnete, so daß kein Gesell eher zu arbeiten anfangen oder eher damit auf¬
hören durfte, als festgesetzt war. Meist wurde um sechs Uhr Morgens ange¬
fangen und um sieben des Abends aufgehört. Doch fehlt es nicht an Aus¬
nahmen. Die Schmiede in den wendischen Städten (bei Lübeck) mußten von
drei Uhr früh bis sechs am Abend, die Gürtler in Köln durften nicht länger
als bis zehn Uhr arbeiten. Am Sonnabend mußte meist früher, um drei oder
vier, in Löbau sogar schon um zwölf Uhr Mittags Feierabend gemacht wer¬
den, damit die Knechte und Jungen ins Bad gehen konnten. Für den Winter
wurde nach den obigen Zeitbestimmungen Lichtarbeit nöthig, die aber bei den
Webern für gewisse Arten der Weberei untersagt war. Soweit sie zulässig,
wurde uach dem Kalender die Zeit angegeben, von welchem und bis zu wel¬
chem Tage der Knecht hierzu verbunden war. Gewöhnlich war die Periode
von Burkhardi bis Fastnacht dazu festgesetzt, und daran knüpfte sich im sech¬
zehnten Jahrhundert die Verpflichtung des Meisters, an dem Abend des Burk-
harditages und ebenso an dem der Fastnacht seinen Gesellen einen Schmaus,
den "Lichtbraten", zu geben. An den zweiten Lichtbraten schloß sich zu Nürn¬
berg bei den Kupferschmieden eine eigene Ceremonie. Am 21. oder 22. Mürz,
der Frühlings-Tagundnachtgleiche, mit der hier die Lichtarbeit endigte, pflegten
die Gesellen dieses Handwerks einen großen Leuchter mit brennenden Kerzen
durch die Stadt zu tragen und schließlich in den Fluß zu werfen.

An Feiertagen, zu denen die gute alte Zeit außer den Sonntagen die drei Weih-
Uachts-, die drei Oster- und die drei Pfingsttage, Karfreitag, Himmelfahrt, die Tage
^r zwölf Apostel und die der Jungfrau Maria geweihten, endlich das Fron¬
leichnams- und bei den Lutheranern das Reformationsfest zählte, häufig auch
^och an den Vorabenden derselben von drei oder vier Uhr an war jede Arbeit
gesetzlich streng verboten. Nur die Schneider waren insofern hiervon ausge¬
nommen, als sie arbeiten durften, wenn es ein Braut- oder ein Trauerkleid zu
einem Leichenbegängnis; fertig zu machen galt. An jene gesetzlichen Feiertage
der Gesellen reihte sich aber noch eine Unzahl ungesetzlicher, die weder zu einem
^eigniß noch zu einer Persönlichkeit der heiligen Geschichte in Beziehung stan¬
den. Die Montage wurden allmählich so regelmäßig mit Nichtsthun verbracht
die Sonntage, so daß sich die Arbeitswoche auf fünf Tage verminderte,
^le sich diese Unsitte entwickelt hat, ist nicht recht zu erkennen. Auch ihr


Grenzboten II. 1877. S2

Banarbeitern, Tischlern und Schneidern vorkam, durch den Rath festgesetzt.
Derjenige, welcher sich von einem Meister einen Gesellen miethete, hatte ihn
M beköstigen und zu lohnen, der Meister aber war verpflichtet, von Zeit zu
Zeit nachzusehen, ob der Knecht seiner Schuldigkeit nachkomme, auch mußte er
für das, was dieser verpfuschte, haften. Die Arbeitsdauer in den Werkstätten
beruhte auf Zunftbeschluß und wurde ebenso streng festgehalten als die vorher
bezeichnete, so daß kein Gesell eher zu arbeiten anfangen oder eher damit auf¬
hören durfte, als festgesetzt war. Meist wurde um sechs Uhr Morgens ange¬
fangen und um sieben des Abends aufgehört. Doch fehlt es nicht an Aus¬
nahmen. Die Schmiede in den wendischen Städten (bei Lübeck) mußten von
drei Uhr früh bis sechs am Abend, die Gürtler in Köln durften nicht länger
als bis zehn Uhr arbeiten. Am Sonnabend mußte meist früher, um drei oder
vier, in Löbau sogar schon um zwölf Uhr Mittags Feierabend gemacht wer¬
den, damit die Knechte und Jungen ins Bad gehen konnten. Für den Winter
wurde nach den obigen Zeitbestimmungen Lichtarbeit nöthig, die aber bei den
Webern für gewisse Arten der Weberei untersagt war. Soweit sie zulässig,
wurde uach dem Kalender die Zeit angegeben, von welchem und bis zu wel¬
chem Tage der Knecht hierzu verbunden war. Gewöhnlich war die Periode
von Burkhardi bis Fastnacht dazu festgesetzt, und daran knüpfte sich im sech¬
zehnten Jahrhundert die Verpflichtung des Meisters, an dem Abend des Burk-
harditages und ebenso an dem der Fastnacht seinen Gesellen einen Schmaus,
den „Lichtbraten", zu geben. An den zweiten Lichtbraten schloß sich zu Nürn¬
berg bei den Kupferschmieden eine eigene Ceremonie. Am 21. oder 22. Mürz,
der Frühlings-Tagundnachtgleiche, mit der hier die Lichtarbeit endigte, pflegten
die Gesellen dieses Handwerks einen großen Leuchter mit brennenden Kerzen
durch die Stadt zu tragen und schließlich in den Fluß zu werfen.

An Feiertagen, zu denen die gute alte Zeit außer den Sonntagen die drei Weih-
Uachts-, die drei Oster- und die drei Pfingsttage, Karfreitag, Himmelfahrt, die Tage
^r zwölf Apostel und die der Jungfrau Maria geweihten, endlich das Fron¬
leichnams- und bei den Lutheranern das Reformationsfest zählte, häufig auch
^och an den Vorabenden derselben von drei oder vier Uhr an war jede Arbeit
gesetzlich streng verboten. Nur die Schneider waren insofern hiervon ausge¬
nommen, als sie arbeiten durften, wenn es ein Braut- oder ein Trauerkleid zu
einem Leichenbegängnis; fertig zu machen galt. An jene gesetzlichen Feiertage
der Gesellen reihte sich aber noch eine Unzahl ungesetzlicher, die weder zu einem
^eigniß noch zu einer Persönlichkeit der heiligen Geschichte in Beziehung stan¬
den. Die Montage wurden allmählich so regelmäßig mit Nichtsthun verbracht
die Sonntage, so daß sich die Arbeitswoche auf fünf Tage verminderte,
^le sich diese Unsitte entwickelt hat, ist nicht recht zu erkennen. Auch ihr


Grenzboten II. 1877. S2
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[0413] Banarbeitern, Tischlern und Schneidern vorkam, durch den Rath festgesetzt. Derjenige, welcher sich von einem Meister einen Gesellen miethete, hatte ihn M beköstigen und zu lohnen, der Meister aber war verpflichtet, von Zeit zu Zeit nachzusehen, ob der Knecht seiner Schuldigkeit nachkomme, auch mußte er für das, was dieser verpfuschte, haften. Die Arbeitsdauer in den Werkstätten beruhte auf Zunftbeschluß und wurde ebenso streng festgehalten als die vorher bezeichnete, so daß kein Gesell eher zu arbeiten anfangen oder eher damit auf¬ hören durfte, als festgesetzt war. Meist wurde um sechs Uhr Morgens ange¬ fangen und um sieben des Abends aufgehört. Doch fehlt es nicht an Aus¬ nahmen. Die Schmiede in den wendischen Städten (bei Lübeck) mußten von drei Uhr früh bis sechs am Abend, die Gürtler in Köln durften nicht länger als bis zehn Uhr arbeiten. Am Sonnabend mußte meist früher, um drei oder vier, in Löbau sogar schon um zwölf Uhr Mittags Feierabend gemacht wer¬ den, damit die Knechte und Jungen ins Bad gehen konnten. Für den Winter wurde nach den obigen Zeitbestimmungen Lichtarbeit nöthig, die aber bei den Webern für gewisse Arten der Weberei untersagt war. Soweit sie zulässig, wurde uach dem Kalender die Zeit angegeben, von welchem und bis zu wel¬ chem Tage der Knecht hierzu verbunden war. Gewöhnlich war die Periode von Burkhardi bis Fastnacht dazu festgesetzt, und daran knüpfte sich im sech¬ zehnten Jahrhundert die Verpflichtung des Meisters, an dem Abend des Burk- harditages und ebenso an dem der Fastnacht seinen Gesellen einen Schmaus, den „Lichtbraten", zu geben. An den zweiten Lichtbraten schloß sich zu Nürn¬ berg bei den Kupferschmieden eine eigene Ceremonie. Am 21. oder 22. Mürz, der Frühlings-Tagundnachtgleiche, mit der hier die Lichtarbeit endigte, pflegten die Gesellen dieses Handwerks einen großen Leuchter mit brennenden Kerzen durch die Stadt zu tragen und schließlich in den Fluß zu werfen. An Feiertagen, zu denen die gute alte Zeit außer den Sonntagen die drei Weih- Uachts-, die drei Oster- und die drei Pfingsttage, Karfreitag, Himmelfahrt, die Tage ^r zwölf Apostel und die der Jungfrau Maria geweihten, endlich das Fron¬ leichnams- und bei den Lutheranern das Reformationsfest zählte, häufig auch ^och an den Vorabenden derselben von drei oder vier Uhr an war jede Arbeit gesetzlich streng verboten. Nur die Schneider waren insofern hiervon ausge¬ nommen, als sie arbeiten durften, wenn es ein Braut- oder ein Trauerkleid zu einem Leichenbegängnis; fertig zu machen galt. An jene gesetzlichen Feiertage der Gesellen reihte sich aber noch eine Unzahl ungesetzlicher, die weder zu einem ^eigniß noch zu einer Persönlichkeit der heiligen Geschichte in Beziehung stan¬ den. Die Montage wurden allmählich so regelmäßig mit Nichtsthun verbracht die Sonntage, so daß sich die Arbeitswoche auf fünf Tage verminderte, ^le sich diese Unsitte entwickelt hat, ist nicht recht zu erkennen. Auch ihr Grenzboten II. 1877. S2

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/413>, abgerufen am 23.07.2024.