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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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dreitausend Abonnenten haben soll, und den "Deutschen Volksfreund" zu Ver¬
tretern ihrer römischen Sympathien. Niederschlesien besitzt kein einziges katho¬
lisches Lokalblatt, doch geht man mit dem Plane um, in Hirschberg und in
Glogau eins zu gründen. Die "Schlesische Volkszeitung" führte ursprünglich
den Namen "Breslauer Hausblätter" und war ein wohlfeiles, populär ge¬
schriebenes und stark verbreitetes Blatt. Als sie ihren jetzigen Titel annahm
und ein Tagesblatt wurde, erhöhte sie den Preis und begann hohe Politik zu
treiben. Die Folge war, daß viele Leser abfielen Dazu kam, daß lange Zeit
ein Chefredakteur dem andern folgte. Auch Dr. von Floreneourt, der dem
Blatte neue Freunde zu gewinnen verstand, hielt sich nicht lange. Erst seit
1873 ist es der Volkszeitung gelungen, eine feste Position zu gewinnen und
mit Hülfe der trefflich geleiteten Lokalpresse Oberschlesien zur fast ausschließlichen
Domäne des Ultramontanismus zu machen. Die Leitung des Blattes ruht
seit dieser Zeit in den Händen des gelehrten Konvertiten Dr. Hager. Polnische
Blätter Schlesiens mit ültramontaner Tendenz sind die von einem gewissen
Preyniezynski redigirte "Gazeta Gornoszlanska" inBeuthen und der"Katvlik"
in Nikolai, dessen Redakteur der vielgenannte Miarka ist. In der Provinz
Sachsen ist die Partei des Verfassers unsrer Schrift nur durch ein Blatt
vertreten, die "Eichsfelder Volksblätter", die eine Auflage vou zehntausend Exem¬
plaren haben sollen. Hannover besitzt fünf ultramontane Blätter (von denen
aber unseres Wissens kaum eins viel über zweitausend Exemplare absetzt):
die "Hildesheimische Zeitung", die "Osnabrücker Volkszeitung", den ebenfalls
in Osnabrück erscheinenden "Kirchen- und Volksboden", die "Emszeituug" in
Papenburg und die "Eins- und Haseblätter" in Meppen, der Hauptstadt
"Muffrikas", der sprichwörtlich in geistiger Beziehung von der Natur am
stiefmütterlichsten bedachten Gegend des ehemaligen Welfenreiches. Die Provinz
Hessen-Nassau hat drei ultramontane Preßorgane: die "Fuldaer Zeitung",
das "Frankfurter Wochenblatt" und den "Nassciner Boten" in Limburg, von
denen aber nur das erste und das dritte, um das sich der bekannte Abgeordnete
Domherr Thissen viel bemüht hat, einige Bedeutung in Anspruch nehmen.

In den beiden Provinzen Rheinland und Westfalen hat sich seit
Beginn des Kulturkampfes "eine wahre Centifolie katholischer Publizistik ge¬
bildet." Das angesehenste und verbreitetste Blatt der Rheinprovinz ist die
"Kölnische Volkszeitung", die an Umfang alle übrigen katholischen Zeitungen, da
sie täglich zwei, ja bisweilen dreimal erscheint, übertrifft. Sie entstand 1860 und
trug anfangs den Namen "Kölnische Blätter." Um die Zeit des vatikanischen
Konzils wandte der damalige Redakteur Fridolin Hoffmann, ein verständiger
und wohlgesinnter Mann, sich der Auffassung der Dinge zu, aus der später
der Altkatholizismus hervorging. Der Verleger Bachem entließ ihn und gab


Grenzboten II. 1S77. 4

dreitausend Abonnenten haben soll, und den „Deutschen Volksfreund" zu Ver¬
tretern ihrer römischen Sympathien. Niederschlesien besitzt kein einziges katho¬
lisches Lokalblatt, doch geht man mit dem Plane um, in Hirschberg und in
Glogau eins zu gründen. Die „Schlesische Volkszeitung" führte ursprünglich
den Namen „Breslauer Hausblätter" und war ein wohlfeiles, populär ge¬
schriebenes und stark verbreitetes Blatt. Als sie ihren jetzigen Titel annahm
und ein Tagesblatt wurde, erhöhte sie den Preis und begann hohe Politik zu
treiben. Die Folge war, daß viele Leser abfielen Dazu kam, daß lange Zeit
ein Chefredakteur dem andern folgte. Auch Dr. von Floreneourt, der dem
Blatte neue Freunde zu gewinnen verstand, hielt sich nicht lange. Erst seit
1873 ist es der Volkszeitung gelungen, eine feste Position zu gewinnen und
mit Hülfe der trefflich geleiteten Lokalpresse Oberschlesien zur fast ausschließlichen
Domäne des Ultramontanismus zu machen. Die Leitung des Blattes ruht
seit dieser Zeit in den Händen des gelehrten Konvertiten Dr. Hager. Polnische
Blätter Schlesiens mit ültramontaner Tendenz sind die von einem gewissen
Preyniezynski redigirte „Gazeta Gornoszlanska" inBeuthen und der„Katvlik"
in Nikolai, dessen Redakteur der vielgenannte Miarka ist. In der Provinz
Sachsen ist die Partei des Verfassers unsrer Schrift nur durch ein Blatt
vertreten, die „Eichsfelder Volksblätter", die eine Auflage vou zehntausend Exem¬
plaren haben sollen. Hannover besitzt fünf ultramontane Blätter (von denen
aber unseres Wissens kaum eins viel über zweitausend Exemplare absetzt):
die „Hildesheimische Zeitung", die „Osnabrücker Volkszeitung", den ebenfalls
in Osnabrück erscheinenden „Kirchen- und Volksboden", die „Emszeituug" in
Papenburg und die „Eins- und Haseblätter" in Meppen, der Hauptstadt
„Muffrikas", der sprichwörtlich in geistiger Beziehung von der Natur am
stiefmütterlichsten bedachten Gegend des ehemaligen Welfenreiches. Die Provinz
Hessen-Nassau hat drei ultramontane Preßorgane: die „Fuldaer Zeitung",
das „Frankfurter Wochenblatt" und den „Nassciner Boten" in Limburg, von
denen aber nur das erste und das dritte, um das sich der bekannte Abgeordnete
Domherr Thissen viel bemüht hat, einige Bedeutung in Anspruch nehmen.

In den beiden Provinzen Rheinland und Westfalen hat sich seit
Beginn des Kulturkampfes „eine wahre Centifolie katholischer Publizistik ge¬
bildet." Das angesehenste und verbreitetste Blatt der Rheinprovinz ist die
"Kölnische Volkszeitung", die an Umfang alle übrigen katholischen Zeitungen, da
sie täglich zwei, ja bisweilen dreimal erscheint, übertrifft. Sie entstand 1860 und
trug anfangs den Namen „Kölnische Blätter." Um die Zeit des vatikanischen
Konzils wandte der damalige Redakteur Fridolin Hoffmann, ein verständiger
und wohlgesinnter Mann, sich der Auffassung der Dinge zu, aus der später
der Altkatholizismus hervorging. Der Verleger Bachem entließ ihn und gab


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/29>, abgerufen am 03.07.2024.