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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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galt, was das Parlament zu fordern berechtigt ist. So wäre es nutzlos ge¬
wesen, erst noch in die Berathung dieser Entwürfe einzutreten. Man hat sich
begnügen müssen, das bisherige Provisorium, wonach die preußische Ober¬
rechnungskammer zugleich als Reichsrechnungshof fungirt, abermals zu ver¬
längern.

Im Uebrigen hat die letzte Woche das Verdienst, zwei Gesetze zur Reife
gebracht zu haben, die als die werthvollste Frucht der Session betrachtet
werden können: das Gesetz, betreffend die Untersuchung von Seeunfällen, und
das Patentgesetz. Das erstere, in der vorigen Session in den Kommissions¬
berathungen gescheitert, ist diesmal in den letzteren zu einem so glücklichen Ab¬
schluß gebracht, daß es im Plenum su dive angenommen werden konnte. Ueber
das andere fanden noch einige Debatten statt, meist über Fragen, welche höchst
verwickelt und vielumstritten sind, ohne indeß eine prinzipielle Bedeutung zu
haben. Sie bilden die Domäne eines kleinen Kreises von "Sachverstän¬
digen"; die große Masse der "Laien" konnte nichts thun, als sich in den
meisten Punkten den auf gründlicher Erwägung beruhenden Anträgen der
Kommission anschließen. So ist denn, den grundsätzlichen Gegnern und den
Pessimisten zum Trotz, ein Werk zu Stande gekommen, welches der Gesetz¬
gebung zum Schutze des geistigen Eigenthums ein neues, für die Hebung
unserer Industrie überaus wichtiges Glied einfügt. Mögen die Erwartungen,
welche an dasselbe geknüpft werden, in Erfüllung gehen!

Die Specialberathung des elfaß-lothringischen Landeshaushaltsetats führte
abermals eine lange Reihe von Beschwerden und Wünschen herauf. Natürlich
standen die sattsam bekannten klerikalen Gravamina obenan. Bemerkenswerth
ist, daß die von den Elsässern aller Farben beantragte Resolution, welche für
Straßburg baldmöglichst die Wahlen zum Municipalrath fordert, vom Reichs¬
tage angenommen wurde. Mit Fug und Recht fand auch der Stauffenberg'sche
Antrag die Majorität, daß die Neubauten für die Universität theilweise auf
Reichskosten ausgeführt werden sollen.

Endlich ist dem Reichstage noch nachzurühmen, daß er gleich in der ersten
Session der Legislaturperiode sämmtliche Wahlprüfungen erledigt hat. Man
weiß, zu welchen Abnormitäten das frühere schleppende Verfahren führte. Die
diesmalige prompte Abwickelung des Prüfungsgeschäfts ist die erfreuliche Folge
der Einrichtung einer besonderen Wahlprüfungskommission.

Alles in Allem, darf man auf die Session mit größerer Befriedigung
zurückblicken, als sich Anfangs erwarten ließ. Als der neugewählte Reichstag
zusammentrat, mangelte der sichere Anhaltspunkt, um zu beurtheilen, welche
Stellung er zu den unsere Zeit beherrschenden wirthschaftlichen Fragen nehmen
werde. Heute ist dieser Anhaltspunkt gegeben. Es hat sich herausgestellt, daß


galt, was das Parlament zu fordern berechtigt ist. So wäre es nutzlos ge¬
wesen, erst noch in die Berathung dieser Entwürfe einzutreten. Man hat sich
begnügen müssen, das bisherige Provisorium, wonach die preußische Ober¬
rechnungskammer zugleich als Reichsrechnungshof fungirt, abermals zu ver¬
längern.

Im Uebrigen hat die letzte Woche das Verdienst, zwei Gesetze zur Reife
gebracht zu haben, die als die werthvollste Frucht der Session betrachtet
werden können: das Gesetz, betreffend die Untersuchung von Seeunfällen, und
das Patentgesetz. Das erstere, in der vorigen Session in den Kommissions¬
berathungen gescheitert, ist diesmal in den letzteren zu einem so glücklichen Ab¬
schluß gebracht, daß es im Plenum su dive angenommen werden konnte. Ueber
das andere fanden noch einige Debatten statt, meist über Fragen, welche höchst
verwickelt und vielumstritten sind, ohne indeß eine prinzipielle Bedeutung zu
haben. Sie bilden die Domäne eines kleinen Kreises von „Sachverstän¬
digen"; die große Masse der „Laien" konnte nichts thun, als sich in den
meisten Punkten den auf gründlicher Erwägung beruhenden Anträgen der
Kommission anschließen. So ist denn, den grundsätzlichen Gegnern und den
Pessimisten zum Trotz, ein Werk zu Stande gekommen, welches der Gesetz¬
gebung zum Schutze des geistigen Eigenthums ein neues, für die Hebung
unserer Industrie überaus wichtiges Glied einfügt. Mögen die Erwartungen,
welche an dasselbe geknüpft werden, in Erfüllung gehen!

Die Specialberathung des elfaß-lothringischen Landeshaushaltsetats führte
abermals eine lange Reihe von Beschwerden und Wünschen herauf. Natürlich
standen die sattsam bekannten klerikalen Gravamina obenan. Bemerkenswerth
ist, daß die von den Elsässern aller Farben beantragte Resolution, welche für
Straßburg baldmöglichst die Wahlen zum Municipalrath fordert, vom Reichs¬
tage angenommen wurde. Mit Fug und Recht fand auch der Stauffenberg'sche
Antrag die Majorität, daß die Neubauten für die Universität theilweise auf
Reichskosten ausgeführt werden sollen.

Endlich ist dem Reichstage noch nachzurühmen, daß er gleich in der ersten
Session der Legislaturperiode sämmtliche Wahlprüfungen erledigt hat. Man
weiß, zu welchen Abnormitäten das frühere schleppende Verfahren führte. Die
diesmalige prompte Abwickelung des Prüfungsgeschäfts ist die erfreuliche Folge
der Einrichtung einer besonderen Wahlprüfungskommission.

Alles in Allem, darf man auf die Session mit größerer Befriedigung
zurückblicken, als sich Anfangs erwarten ließ. Als der neugewählte Reichstag
zusammentrat, mangelte der sichere Anhaltspunkt, um zu beurtheilen, welche
Stellung er zu den unsere Zeit beherrschenden wirthschaftlichen Fragen nehmen
werde. Heute ist dieser Anhaltspunkt gegeben. Es hat sich herausgestellt, daß


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/280>, abgerufen am 26.06.2024.