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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Maße auf die Frcium Anwendung, ja die Letzteren pflegten nicht einmal un-
verschleiert auszugehen. "Ju Sparta war der Staat das Erste, das Haus
das Zweite", und nur hierin liegt der Grund und zugleich die Beschränkung
dafür, daß die Frauen mit in das öffentliche Leben hinübergriffen. Man
kann sagen: Im übrigen Hellas war das Weib eine Hansfrau, in Sparta war
sie eine Bürgerin.

Daher die zahlreichen Züge von Muth, Ausdauer, Vaterlandsliebe und
heroischer Hochherzigkeit, welche uus die Alten von den spartanischen Frauen
überliefert haben.

Bekannt ist, wie Gorgo, die Fran des Leonidas, ihrem in die Schlacht
ziehenden Sohne den Schild mit den Worten überreicht: "Mit ihm oder auf
ihm", wobei zur Erläuterung bemerkt sein mag, daß es als eine
Schmach galt, ohne Schild aus dem Kampfe zurückzukehren, und daß man die
ehrenvoll Gefallenen ans dem Schilde von der Wahlstatt trug. Ebendieselbe
Frau gab einer Fremden, welche die Bemerkung machte, die Spartanerinnen
seien die Einzigen, welche über ihre Männer herrschten, zur Antwort: "Ja,
denn wir allein gebären Männer". Wenn die Gefallenen vom Schlachtfelde
heimgebracht wurden, so gingen die Mütter hinaus, die Todeswunden zu be¬
trachten. Diejenigen, deren Söhne die Wunden ans der Brust trugen, die
also gefallen waren, das Antlitz dem Feinde zugewendet, rühmten sich der
tapferen Söhne und vollzogen feierlich die Beisetzung in den väterlichen Grab¬
stätten. Weinen und trauern sah man nur die, deren Angehörige einen un¬
rühmlichen Tod gefunden haben.

Die Mutter des Brasidas, der als siegreicher Feldherr in der Schlacht
bei Amphipolis gefallen war, fragte die heimkehrenden Kampfgenossen nach
nichts Anderem, als ob ihr Sohn brav und Sparta's würdig gefallen sei;
und als man ihr antwortete, Keiner könne ihn übertreffen, sagte sie: "Mit
Nichten, Freunde, denn Sparta hat noch viele Männer, die besser find als er."

Eine andere spartanische Mutter hatte fünf Söhne in den Kampf gesendet.
Die Heimkehr des Heeres erwartend, stand sie am Thore und fragte den ersten
Ankommenden: "Wie geht es?" -- Auf die Antwort, alle ihre Söhne seien
gefallen, rief sie: "Nicht danach habe ich gefragt, Elender, sondern wie es der
Vaterstadt geht!" - - "Sie ist Siegerin" war die Erwiederung. -- "Dann trage
ich gern den Tod der Kinder." -- Einen ähnlichen Gedanken spricht ein unter
dem Namen des Dioskvrides aufbewahrtes Epigramm aus:


"Acht der Söhne entsandte Demäneta gegen die Feinde;
Ach, die Mutter begrub alle im selbigen Grab!
Thränen vergoß die Trauernde nicht; dies einzige Wort nur
Sprach sie: Sparta, für dich bracht' ich die Kinder zur Welt."

Maße auf die Frcium Anwendung, ja die Letzteren pflegten nicht einmal un-
verschleiert auszugehen. „Ju Sparta war der Staat das Erste, das Haus
das Zweite", und nur hierin liegt der Grund und zugleich die Beschränkung
dafür, daß die Frauen mit in das öffentliche Leben hinübergriffen. Man
kann sagen: Im übrigen Hellas war das Weib eine Hansfrau, in Sparta war
sie eine Bürgerin.

Daher die zahlreichen Züge von Muth, Ausdauer, Vaterlandsliebe und
heroischer Hochherzigkeit, welche uus die Alten von den spartanischen Frauen
überliefert haben.

Bekannt ist, wie Gorgo, die Fran des Leonidas, ihrem in die Schlacht
ziehenden Sohne den Schild mit den Worten überreicht: „Mit ihm oder auf
ihm", wobei zur Erläuterung bemerkt sein mag, daß es als eine
Schmach galt, ohne Schild aus dem Kampfe zurückzukehren, und daß man die
ehrenvoll Gefallenen ans dem Schilde von der Wahlstatt trug. Ebendieselbe
Frau gab einer Fremden, welche die Bemerkung machte, die Spartanerinnen
seien die Einzigen, welche über ihre Männer herrschten, zur Antwort: „Ja,
denn wir allein gebären Männer". Wenn die Gefallenen vom Schlachtfelde
heimgebracht wurden, so gingen die Mütter hinaus, die Todeswunden zu be¬
trachten. Diejenigen, deren Söhne die Wunden ans der Brust trugen, die
also gefallen waren, das Antlitz dem Feinde zugewendet, rühmten sich der
tapferen Söhne und vollzogen feierlich die Beisetzung in den väterlichen Grab¬
stätten. Weinen und trauern sah man nur die, deren Angehörige einen un¬
rühmlichen Tod gefunden haben.

Die Mutter des Brasidas, der als siegreicher Feldherr in der Schlacht
bei Amphipolis gefallen war, fragte die heimkehrenden Kampfgenossen nach
nichts Anderem, als ob ihr Sohn brav und Sparta's würdig gefallen sei;
und als man ihr antwortete, Keiner könne ihn übertreffen, sagte sie: „Mit
Nichten, Freunde, denn Sparta hat noch viele Männer, die besser find als er."

Eine andere spartanische Mutter hatte fünf Söhne in den Kampf gesendet.
Die Heimkehr des Heeres erwartend, stand sie am Thore und fragte den ersten
Ankommenden: „Wie geht es?" — Auf die Antwort, alle ihre Söhne seien
gefallen, rief sie: „Nicht danach habe ich gefragt, Elender, sondern wie es der
Vaterstadt geht!" - - „Sie ist Siegerin" war die Erwiederung. — „Dann trage
ich gern den Tod der Kinder." — Einen ähnlichen Gedanken spricht ein unter
dem Namen des Dioskvrides aufbewahrtes Epigramm aus:


„Acht der Söhne entsandte Demäneta gegen die Feinde;
Ach, die Mutter begrub alle im selbigen Grab!
Thränen vergoß die Trauernde nicht; dies einzige Wort nur
Sprach sie: Sparta, für dich bracht' ich die Kinder zur Welt."

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[0262] Maße auf die Frcium Anwendung, ja die Letzteren pflegten nicht einmal un- verschleiert auszugehen. „Ju Sparta war der Staat das Erste, das Haus das Zweite", und nur hierin liegt der Grund und zugleich die Beschränkung dafür, daß die Frauen mit in das öffentliche Leben hinübergriffen. Man kann sagen: Im übrigen Hellas war das Weib eine Hansfrau, in Sparta war sie eine Bürgerin. Daher die zahlreichen Züge von Muth, Ausdauer, Vaterlandsliebe und heroischer Hochherzigkeit, welche uus die Alten von den spartanischen Frauen überliefert haben. Bekannt ist, wie Gorgo, die Fran des Leonidas, ihrem in die Schlacht ziehenden Sohne den Schild mit den Worten überreicht: „Mit ihm oder auf ihm", wobei zur Erläuterung bemerkt sein mag, daß es als eine Schmach galt, ohne Schild aus dem Kampfe zurückzukehren, und daß man die ehrenvoll Gefallenen ans dem Schilde von der Wahlstatt trug. Ebendieselbe Frau gab einer Fremden, welche die Bemerkung machte, die Spartanerinnen seien die Einzigen, welche über ihre Männer herrschten, zur Antwort: „Ja, denn wir allein gebären Männer". Wenn die Gefallenen vom Schlachtfelde heimgebracht wurden, so gingen die Mütter hinaus, die Todeswunden zu be¬ trachten. Diejenigen, deren Söhne die Wunden ans der Brust trugen, die also gefallen waren, das Antlitz dem Feinde zugewendet, rühmten sich der tapferen Söhne und vollzogen feierlich die Beisetzung in den väterlichen Grab¬ stätten. Weinen und trauern sah man nur die, deren Angehörige einen un¬ rühmlichen Tod gefunden haben. Die Mutter des Brasidas, der als siegreicher Feldherr in der Schlacht bei Amphipolis gefallen war, fragte die heimkehrenden Kampfgenossen nach nichts Anderem, als ob ihr Sohn brav und Sparta's würdig gefallen sei; und als man ihr antwortete, Keiner könne ihn übertreffen, sagte sie: „Mit Nichten, Freunde, denn Sparta hat noch viele Männer, die besser find als er." Eine andere spartanische Mutter hatte fünf Söhne in den Kampf gesendet. Die Heimkehr des Heeres erwartend, stand sie am Thore und fragte den ersten Ankommenden: „Wie geht es?" — Auf die Antwort, alle ihre Söhne seien gefallen, rief sie: „Nicht danach habe ich gefragt, Elender, sondern wie es der Vaterstadt geht!" - - „Sie ist Siegerin" war die Erwiederung. — „Dann trage ich gern den Tod der Kinder." — Einen ähnlichen Gedanken spricht ein unter dem Namen des Dioskvrides aufbewahrtes Epigramm aus: „Acht der Söhne entsandte Demäneta gegen die Feinde; Ach, die Mutter begrub alle im selbigen Grab! Thränen vergoß die Trauernde nicht; dies einzige Wort nur Sprach sie: Sparta, für dich bracht' ich die Kinder zur Welt."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/262>, abgerufen am 01.07.2024.