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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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bezeugt und ist bei der Strenge der Moral und der Beaufsichtigung kaum
denkbar. Dagegen wird berichtet, daß die Gegenwart der Jungfrauen und
der von ihnen zu erwartende Beifall oder Tadel und Spott stets anspornend
auf die jungen Männer gewirkt habe. Den übrigen Griechen, bei denen die
Frauen und besonders die Mädchen vom Verkehr mit dem andern Geschlechte
fern gehalten wurden, erschien dies freilich anstößig, und die feinen schüchternen
athenischen Mädchen mögen ohne Zweifel anmuthiger gewesen sein als eine
kecke, robuste und männlich-selbstbewußte Spartanerin; aber was der große
Gesetzgeber bezweckt hatte, wurde durch jene Erziehungsweise erreicht: "Die
spartanischen Frauen wurden die schönsten und kräftigsten in ganz Hellas."
Daß sie -- eine bemerkenswerthe Thatsache -- von ihren Schwestern dafür
anerkannt wurden, bezeugt Aristophanes, der eine Spartanerin von den athe¬
nischen Frauen also begrüßt werden läßt:


"Willkommen du aus Sparta, liebste Lampito!
Wie strahlt doch deiner Schönheit Glanz, o Süßeste,
Welch' frische Farbe, und wie blüht dein ganzer Leib!"

worauf jene antwortet:


"Das will ich meinen, bei den Göttern! denn bei uus
Da turnt und springt mau tüchtig."

Aber mit dieser leiblichen Erziehung war es nicht abgethan. Der sparta¬
nische Staat verlangte noch mehr von seinen Frauen und hielt es für seine
Pflicht, dasür zu sorgen, daß sie auch an Seelenstärke, Muth, Aufopferungs¬
fähigkeit und Vaterlandsliebe würdige Mütter, Töchter und Gattinnen seiner
Bürger wurden. Deßhalb war von der Geringschätzung, mit der die Frauen
lange Zeit im übrigen Hellas betrachtet wurden, in Sparta nicht die Rede; im
Gegentheil war ihnen ein selbst nach unsern Begriffen weites Feld des Einflusses
und eine ungemeine Achtung eingeräumt.

Es ist nicht zu verkennen, daß das allgemeine Urtheil in Griechenland
wie anderswo den Frauen nicht gleiche natürliche Anlagen, Eigenschaften und
Rechte mit den Männern zugestand, sie vielmehr für untergeordnete Wesen
erklärte, die weder Fähigkeit noch Anspruch auf Theilnahme an höheren In¬
teressen und Thätigkeiten hätten. Nicht so in Sparta. Hier war man sich des
tiefgreifenden und heilbringenden Einflusses, den das Weib in seiner Sphäre
auszuüben vermochte, hinlänglich bewußt, um die Wirkung dieses Einflusses
auf alle Weise zu unterstützen. Daß diese Sphäre noch immer eine beschränkte
war, wer will es den Alten vorwerfen, da wir ja selbst ans diesem Gebiete
erst sehr schwache Fortschritte gemacht haben! Aber nie hallen sich die sparta¬
nischen Frauen über Mangel an Achtung ihrer Persönlichkeit und Schützung


bezeugt und ist bei der Strenge der Moral und der Beaufsichtigung kaum
denkbar. Dagegen wird berichtet, daß die Gegenwart der Jungfrauen und
der von ihnen zu erwartende Beifall oder Tadel und Spott stets anspornend
auf die jungen Männer gewirkt habe. Den übrigen Griechen, bei denen die
Frauen und besonders die Mädchen vom Verkehr mit dem andern Geschlechte
fern gehalten wurden, erschien dies freilich anstößig, und die feinen schüchternen
athenischen Mädchen mögen ohne Zweifel anmuthiger gewesen sein als eine
kecke, robuste und männlich-selbstbewußte Spartanerin; aber was der große
Gesetzgeber bezweckt hatte, wurde durch jene Erziehungsweise erreicht: „Die
spartanischen Frauen wurden die schönsten und kräftigsten in ganz Hellas."
Daß sie — eine bemerkenswerthe Thatsache — von ihren Schwestern dafür
anerkannt wurden, bezeugt Aristophanes, der eine Spartanerin von den athe¬
nischen Frauen also begrüßt werden läßt:


„Willkommen du aus Sparta, liebste Lampito!
Wie strahlt doch deiner Schönheit Glanz, o Süßeste,
Welch' frische Farbe, und wie blüht dein ganzer Leib!"

worauf jene antwortet:


„Das will ich meinen, bei den Göttern! denn bei uus
Da turnt und springt mau tüchtig."

Aber mit dieser leiblichen Erziehung war es nicht abgethan. Der sparta¬
nische Staat verlangte noch mehr von seinen Frauen und hielt es für seine
Pflicht, dasür zu sorgen, daß sie auch an Seelenstärke, Muth, Aufopferungs¬
fähigkeit und Vaterlandsliebe würdige Mütter, Töchter und Gattinnen seiner
Bürger wurden. Deßhalb war von der Geringschätzung, mit der die Frauen
lange Zeit im übrigen Hellas betrachtet wurden, in Sparta nicht die Rede; im
Gegentheil war ihnen ein selbst nach unsern Begriffen weites Feld des Einflusses
und eine ungemeine Achtung eingeräumt.

Es ist nicht zu verkennen, daß das allgemeine Urtheil in Griechenland
wie anderswo den Frauen nicht gleiche natürliche Anlagen, Eigenschaften und
Rechte mit den Männern zugestand, sie vielmehr für untergeordnete Wesen
erklärte, die weder Fähigkeit noch Anspruch auf Theilnahme an höheren In¬
teressen und Thätigkeiten hätten. Nicht so in Sparta. Hier war man sich des
tiefgreifenden und heilbringenden Einflusses, den das Weib in seiner Sphäre
auszuüben vermochte, hinlänglich bewußt, um die Wirkung dieses Einflusses
auf alle Weise zu unterstützen. Daß diese Sphäre noch immer eine beschränkte
war, wer will es den Alten vorwerfen, da wir ja selbst ans diesem Gebiete
erst sehr schwache Fortschritte gemacht haben! Aber nie hallen sich die sparta¬
nischen Frauen über Mangel an Achtung ihrer Persönlichkeit und Schützung


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/260>, abgerufen am 26.06.2024.