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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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und in großen Städten könnten bei der Annahme obigen Prinzips Tausende
und aber Tausende gespart werden. Wenn z. B. eine Bahn einer sich mächtig
entwickelnden Großstadt durch Vorland und Vorstädte sich nähert, um in das
Innere einzudringen, so ist das Interesse der Stadt an der Anlage möglichst
vieler Wegebrücken, um die Entwickelung der Stadt nicht zu hemmen, zu groß,
als daß nicht auf der Anlage dieser Brücken bestanden werden sollte. Auch
die Bahn hat ein sehr großes Interesse daran, in das Innere der Stadt ein¬
zudringen, aber wenn schließlich alle die Bauten -- die doch in erster Linie im
Interesse der Stadtgemeinde ausgeführt werden müßten -- um ins Innere ein¬
zudringen, so kostspielig werden, daß die Rentabilität des Unternehmens in
Frage gezogen werden muß, so wird man schließlich zum Schaden der Stadt
auf das. Eindringen in diese verzichten. Erklärt sich aber die Stadtgemeinde
auch nur zu einem verhältnißmäßig geringen Beitrag bereit, resp, würde sie
hierzu verpflichtet, so wird ein für beide Theile ersprießliches und nutzbringendes
Abkommen erreicht werden können.

Man wende diesen Ausführungen gegenüber nicht ein, daß bei der Durch¬
führung solcher Grundsätze keine Gemeinde mehr von einer Eisenbahn beglückt
sein möchte, denn gerade so gut wie jetzt freier Grunderwerb in Aussicht ge¬
stellt wird, wie heutzutage Städte Kasernen und Exerzirplätze für Garnisonen,
Gebäude für Seminare, Lokale für Gerichte und dergl. mehr zur Verfügung
stellen, fo werden sie auch ferner Beiträge in baarem Gelde für Eisenbahnen
leisten, wenn sie nur unter dieser Bedingung solche erhalten können, und die
Allgemeinheit wird sich dabei wohl befinden und gut und billig fahren.

Besonders für den fo dringend nothwendigen Bau von Sekundärbahnen
ist diese Beitragspflicht der betheiligten Gemeinden eine Lebensfrage, denn
wenn, selbst unter Berücksichtigung des sekundären Charakters der Bahnen,
nach ähnlichen Grundsätzen beim Eisenbahnbau verfahren wird, wie bis jetzt
bei den Hauptbahnen, so ist an die Herstellung solcher Lokalbahnen überhaupt
nicht zu denken, weil eine Verzinsung des Anlagekapitals ganz unmöglich ist.

Es ist in letzterer Zeit von verschiedenen Eisenbahnfachmännern der Vor¬
schlag gemacht worden, nach entsprechender Vervollständigung resp. Umänderung
der Gesetze im obigen Sinne zur Entscheidung aller dieser Fragen, die beim
Prüfen und Feststellen eines Eisenbahnprojektes zum Austrage gebracht werden
müssen, besondere Eisenbahnfachgerichte zu bilden. Diese Gerichte müßten aus
Richtern, Verwaltungsleuten, Technikern und je nach den Distrikten aus Land¬
leuten, Fabrikanten, Kaufleuten :c. zusammengesetzt sein. Es wäre ihre erste
Aufgabe, die einschlagenden Verhältnisse des ihnen zugewiesenen Distriktes, be¬
sonders hinsichtlich der lokalen Anforderungen, genau zu prüfen, um im Stande
zu sein, die nach wie vor immer zu erwartenden Forderungen in lediglich


und in großen Städten könnten bei der Annahme obigen Prinzips Tausende
und aber Tausende gespart werden. Wenn z. B. eine Bahn einer sich mächtig
entwickelnden Großstadt durch Vorland und Vorstädte sich nähert, um in das
Innere einzudringen, so ist das Interesse der Stadt an der Anlage möglichst
vieler Wegebrücken, um die Entwickelung der Stadt nicht zu hemmen, zu groß,
als daß nicht auf der Anlage dieser Brücken bestanden werden sollte. Auch
die Bahn hat ein sehr großes Interesse daran, in das Innere der Stadt ein¬
zudringen, aber wenn schließlich alle die Bauten — die doch in erster Linie im
Interesse der Stadtgemeinde ausgeführt werden müßten — um ins Innere ein¬
zudringen, so kostspielig werden, daß die Rentabilität des Unternehmens in
Frage gezogen werden muß, so wird man schließlich zum Schaden der Stadt
auf das. Eindringen in diese verzichten. Erklärt sich aber die Stadtgemeinde
auch nur zu einem verhältnißmäßig geringen Beitrag bereit, resp, würde sie
hierzu verpflichtet, so wird ein für beide Theile ersprießliches und nutzbringendes
Abkommen erreicht werden können.

Man wende diesen Ausführungen gegenüber nicht ein, daß bei der Durch¬
führung solcher Grundsätze keine Gemeinde mehr von einer Eisenbahn beglückt
sein möchte, denn gerade so gut wie jetzt freier Grunderwerb in Aussicht ge¬
stellt wird, wie heutzutage Städte Kasernen und Exerzirplätze für Garnisonen,
Gebäude für Seminare, Lokale für Gerichte und dergl. mehr zur Verfügung
stellen, fo werden sie auch ferner Beiträge in baarem Gelde für Eisenbahnen
leisten, wenn sie nur unter dieser Bedingung solche erhalten können, und die
Allgemeinheit wird sich dabei wohl befinden und gut und billig fahren.

Besonders für den fo dringend nothwendigen Bau von Sekundärbahnen
ist diese Beitragspflicht der betheiligten Gemeinden eine Lebensfrage, denn
wenn, selbst unter Berücksichtigung des sekundären Charakters der Bahnen,
nach ähnlichen Grundsätzen beim Eisenbahnbau verfahren wird, wie bis jetzt
bei den Hauptbahnen, so ist an die Herstellung solcher Lokalbahnen überhaupt
nicht zu denken, weil eine Verzinsung des Anlagekapitals ganz unmöglich ist.

Es ist in letzterer Zeit von verschiedenen Eisenbahnfachmännern der Vor¬
schlag gemacht worden, nach entsprechender Vervollständigung resp. Umänderung
der Gesetze im obigen Sinne zur Entscheidung aller dieser Fragen, die beim
Prüfen und Feststellen eines Eisenbahnprojektes zum Austrage gebracht werden
müssen, besondere Eisenbahnfachgerichte zu bilden. Diese Gerichte müßten aus
Richtern, Verwaltungsleuten, Technikern und je nach den Distrikten aus Land¬
leuten, Fabrikanten, Kaufleuten :c. zusammengesetzt sein. Es wäre ihre erste
Aufgabe, die einschlagenden Verhältnisse des ihnen zugewiesenen Distriktes, be¬
sonders hinsichtlich der lokalen Anforderungen, genau zu prüfen, um im Stande
zu sein, die nach wie vor immer zu erwartenden Forderungen in lediglich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/251>, abgerufen am 23.07.2024.