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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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Hessen herauskommende und hierher gehörige Zeitschriften sind "Der Ka¬
tholik" und das "Archiv für katholisches Kirchenrecht", die beide in Mainz
erscheinen. "Der Katholik", von I. B. Heinrich und dem bekannten Moufang
geleitet, ist eine theologische Monatsschrift und hat eintausend zweihundert
Abonnenten, die größtentheils aus Geistlichen bestehen; das "Archiv", ur¬
sprünglich in Innsbruck (von den Jesuiten?) herausgegeben, jetzt von Professor
Bering in Czernowitz redigirt, hat nur eine Auflage von achthundert Exem¬
plaren. Endlich hat die ultramontane Partei in Hessen in den zu Mainz ge¬
druckten "Humoristischen Blättern", die zweitausend Abonnenten zählen, auch
ihren kleinen Kladderadatsch.

In Baden gründete 1857 Professor Alzog das "Freiburger Katholische
Kirchenblatt", welches nach einigen Jahren in die Redaktion von Dr. Stephan
Braun überging und noch jetzt eristirt. Von Zeit zu Zeit werden ihm die in
der erzbischöflichen Kanzlei redigirten "Kirchlichen Anzeigeblätter" und die
"Christlichen Kunstblätter" beigelegt. Es enthält Aufsätze über "kirchapolitische
Tagesgeschichte" und dahin gehörende Mittheilungen aus allen Ländern der
Erde. Eine Spezialität des derzeitigen Redakteurs bildet das ironisch-satirische
Gebiet. Wehe dem, über welchen die Lauge des Witzes in vollen Schläuchen
ausgegossen wird, wovon besonders die Freimaurer (die armen Harmlosen!)
zu erzählen wissen. Als in Baden 1853 der Kirchenstreit ausgebrochen war,
dem die neue Aera der Ermannung von Regierung und Land vor den An¬
maßungen der Kurie folgten, traten 1859 einige katholische Reaktionäre mit
protestantischen zusammen, um, in dem "Karlsruher Anzeiger" ein Oppositions¬
blatt zu gründen, welches später den Namen "Badischer Beobachter" annahm.
Dasselbe begegnete, als es 1865 mit allzuviel Eifer gegen die Schulreform
zu Felde zog, energischer Abwehr von Seiten der Regierung. Nach Freiburg
übergesiedelt, wollte es nicht recht gedeihen, und so verpflanzte man es wieder
nach Karlsruhe, wo der damalige Redakteur Dr. Bissing ihm eine "liberali-
sirende", d. h. eine maßvolle und verstündige Färbung gab. Infolge dessen
mußte er die Leitung des Blattes niederlegen, und jetzt stellt unsere Schrift
dem "Beobachter" das Zeugniß "korrekter katholischer Haltung" aus, nur ver¬
mißt sie die "nöthige Festigkeit und Konsequenz", Ausdrücke, die wir nicht aus
dem Ultramontanen ins Deutsche zu übersetzen brauchen. Der "Beobachter"
konnte es, namentlich bei seiner maßvollen Haltung, nicht allein thun, und so
wurde 1864 in Konstanz die "Freie Stimme vom See" gegründet. Als sich
in Baden kein Drucker dafür faud, ließ mau das Blatt in dem schweizerischen
Orte Kreuzungen drucken. Seit dem 1. Juli 1865 aber erscheint es in
Radolfszell. Es hat jetzt die stattliche Anzahl von sechstausend Abonnenten.
Andere kleine Blätter, die der ultramontanen Sache dienen, sind in Südbaden


Hessen herauskommende und hierher gehörige Zeitschriften sind „Der Ka¬
tholik" und das „Archiv für katholisches Kirchenrecht", die beide in Mainz
erscheinen. „Der Katholik", von I. B. Heinrich und dem bekannten Moufang
geleitet, ist eine theologische Monatsschrift und hat eintausend zweihundert
Abonnenten, die größtentheils aus Geistlichen bestehen; das „Archiv", ur¬
sprünglich in Innsbruck (von den Jesuiten?) herausgegeben, jetzt von Professor
Bering in Czernowitz redigirt, hat nur eine Auflage von achthundert Exem¬
plaren. Endlich hat die ultramontane Partei in Hessen in den zu Mainz ge¬
druckten „Humoristischen Blättern", die zweitausend Abonnenten zählen, auch
ihren kleinen Kladderadatsch.

In Baden gründete 1857 Professor Alzog das „Freiburger Katholische
Kirchenblatt", welches nach einigen Jahren in die Redaktion von Dr. Stephan
Braun überging und noch jetzt eristirt. Von Zeit zu Zeit werden ihm die in
der erzbischöflichen Kanzlei redigirten „Kirchlichen Anzeigeblätter" und die
„Christlichen Kunstblätter" beigelegt. Es enthält Aufsätze über „kirchapolitische
Tagesgeschichte" und dahin gehörende Mittheilungen aus allen Ländern der
Erde. Eine Spezialität des derzeitigen Redakteurs bildet das ironisch-satirische
Gebiet. Wehe dem, über welchen die Lauge des Witzes in vollen Schläuchen
ausgegossen wird, wovon besonders die Freimaurer (die armen Harmlosen!)
zu erzählen wissen. Als in Baden 1853 der Kirchenstreit ausgebrochen war,
dem die neue Aera der Ermannung von Regierung und Land vor den An¬
maßungen der Kurie folgten, traten 1859 einige katholische Reaktionäre mit
protestantischen zusammen, um, in dem „Karlsruher Anzeiger" ein Oppositions¬
blatt zu gründen, welches später den Namen „Badischer Beobachter" annahm.
Dasselbe begegnete, als es 1865 mit allzuviel Eifer gegen die Schulreform
zu Felde zog, energischer Abwehr von Seiten der Regierung. Nach Freiburg
übergesiedelt, wollte es nicht recht gedeihen, und so verpflanzte man es wieder
nach Karlsruhe, wo der damalige Redakteur Dr. Bissing ihm eine „liberali-
sirende", d. h. eine maßvolle und verstündige Färbung gab. Infolge dessen
mußte er die Leitung des Blattes niederlegen, und jetzt stellt unsere Schrift
dem „Beobachter" das Zeugniß „korrekter katholischer Haltung" aus, nur ver¬
mißt sie die „nöthige Festigkeit und Konsequenz", Ausdrücke, die wir nicht aus
dem Ultramontanen ins Deutsche zu übersetzen brauchen. Der „Beobachter"
konnte es, namentlich bei seiner maßvollen Haltung, nicht allein thun, und so
wurde 1864 in Konstanz die „Freie Stimme vom See" gegründet. Als sich
in Baden kein Drucker dafür faud, ließ mau das Blatt in dem schweizerischen
Orte Kreuzungen drucken. Seit dem 1. Juli 1865 aber erscheint es in
Radolfszell. Es hat jetzt die stattliche Anzahl von sechstausend Abonnenten.
Andere kleine Blätter, die der ultramontanen Sache dienen, sind in Südbaden


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[0022] Hessen herauskommende und hierher gehörige Zeitschriften sind „Der Ka¬ tholik" und das „Archiv für katholisches Kirchenrecht", die beide in Mainz erscheinen. „Der Katholik", von I. B. Heinrich und dem bekannten Moufang geleitet, ist eine theologische Monatsschrift und hat eintausend zweihundert Abonnenten, die größtentheils aus Geistlichen bestehen; das „Archiv", ur¬ sprünglich in Innsbruck (von den Jesuiten?) herausgegeben, jetzt von Professor Bering in Czernowitz redigirt, hat nur eine Auflage von achthundert Exem¬ plaren. Endlich hat die ultramontane Partei in Hessen in den zu Mainz ge¬ druckten „Humoristischen Blättern", die zweitausend Abonnenten zählen, auch ihren kleinen Kladderadatsch. In Baden gründete 1857 Professor Alzog das „Freiburger Katholische Kirchenblatt", welches nach einigen Jahren in die Redaktion von Dr. Stephan Braun überging und noch jetzt eristirt. Von Zeit zu Zeit werden ihm die in der erzbischöflichen Kanzlei redigirten „Kirchlichen Anzeigeblätter" und die „Christlichen Kunstblätter" beigelegt. Es enthält Aufsätze über „kirchapolitische Tagesgeschichte" und dahin gehörende Mittheilungen aus allen Ländern der Erde. Eine Spezialität des derzeitigen Redakteurs bildet das ironisch-satirische Gebiet. Wehe dem, über welchen die Lauge des Witzes in vollen Schläuchen ausgegossen wird, wovon besonders die Freimaurer (die armen Harmlosen!) zu erzählen wissen. Als in Baden 1853 der Kirchenstreit ausgebrochen war, dem die neue Aera der Ermannung von Regierung und Land vor den An¬ maßungen der Kurie folgten, traten 1859 einige katholische Reaktionäre mit protestantischen zusammen, um, in dem „Karlsruher Anzeiger" ein Oppositions¬ blatt zu gründen, welches später den Namen „Badischer Beobachter" annahm. Dasselbe begegnete, als es 1865 mit allzuviel Eifer gegen die Schulreform zu Felde zog, energischer Abwehr von Seiten der Regierung. Nach Freiburg übergesiedelt, wollte es nicht recht gedeihen, und so verpflanzte man es wieder nach Karlsruhe, wo der damalige Redakteur Dr. Bissing ihm eine „liberali- sirende", d. h. eine maßvolle und verstündige Färbung gab. Infolge dessen mußte er die Leitung des Blattes niederlegen, und jetzt stellt unsere Schrift dem „Beobachter" das Zeugniß „korrekter katholischer Haltung" aus, nur ver¬ mißt sie die „nöthige Festigkeit und Konsequenz", Ausdrücke, die wir nicht aus dem Ultramontanen ins Deutsche zu übersetzen brauchen. Der „Beobachter" konnte es, namentlich bei seiner maßvollen Haltung, nicht allein thun, und so wurde 1864 in Konstanz die „Freie Stimme vom See" gegründet. Als sich in Baden kein Drucker dafür faud, ließ mau das Blatt in dem schweizerischen Orte Kreuzungen drucken. Seit dem 1. Juli 1865 aber erscheint es in Radolfszell. Es hat jetzt die stattliche Anzahl von sechstausend Abonnenten. Andere kleine Blätter, die der ultramontanen Sache dienen, sind in Südbaden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/22>, abgerufen am 03.07.2024.