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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band.

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dem ist es anders geworden, und die Vermischung politischer Fragen mit
kirchlichen hat unheilvolle Fortschritte gemacht. Mag aber der kalvinische
Klerikalismus, mit dem wir es bei den Antirevolutivnären zu thun haben, sich
heute noch darauf verlassen, daß er der Zahl nach der stärkere ist -- auch in
Holland werden die Fazy nicht ausbleiben, welche die kalvinischen Mittel der
römischen Tendenz dienstbar machen.

So unser Buch über die heutigen politischen Parteien in Holland. Daß
eine jede von ihnen den Ultramontanen die Kastanien aus dem Feuer holen
mußte, bedarf jetzt kaum noch der Erklärung. Auch von der Meisterschaft der
ultramontanen Führer, sich Bundesgenossen für die oder jene Bestrebung zu
verschaffen und dafür bald den saloppen Freiheitsbegriff, bald die Annexions¬
furcht, bald die Wahlverwandtschaft der aristokratischen Allüren oder- die Soli¬
darität der konservativen Interessen, bald das Staatsmonopol der modernen
Sektenschule oder die Uebereinstimmung zwischen dem römischen Original und
dem genser Abklatsch Kalvin zu verwenden, braucht nicht ausführlich gehandelt
zu werden. Wir konstatiren nur, daß ihr Einfluß in den Kammern geradezu
auf ihren Bundesgenossen beruht. Unter den achtzig Mitgliedern der zweiten
Kammer saßen im Jahre 1875 allerdings nur sechzehn Ultramontane, aber
zwanzig andere Abgeordnete waren durch die Unterstützung der katholischen
Geistlichkeit gewählt und mußten ihr in den wichtigsten Fragen Heeresfolge
leisten. Und das war schon, ehe Groen diese Bundesgenossenschaft öffentlich
gutgeheißen hat.

Wie weit die Ansprüche der päpstlichen Partei in Holland heute bereits
gehen, das hat sich u. A. bei der Frage der römischen Zuaven und bei dem
Sturz der weltlichen Herrschaft des Papstes gezeigt. "Die zahlreichen Holländer,
die in päpstliche Kriegsdienste getreten waren, hatten dies meist gethan, ohne
die vom Gesetz vorgeschriebene königliche Erlaubniß einzuholen, und dadurch
ihre staatsbürgerlichen Rechte verwirkt. Als aber diese Schlüsselsoldaten nach
der Besetzung Roms durch die italienischen Truppen in ihre Heimat zurück¬
gesandt wurden, verlangten die klerikalen Blätter trotzdem die Absendung eines
holländischen Kriegsschiffes zu feierlicher Abholung derselben. Für die einge-
gangne weltliche Macht aber, die der Statthalter Christi nun nicht mehr durch
fremde Söldner vertheidigen konnte, sollte sogar, wie massenhafte Adressen ver¬
langten, der König selbst eintreten. Und nicht genug damit wurde durch eine
Jnterpellation in der zweiten Kammer, und zwar mit Unterstützung der Anti¬
revolutionären, die gleiche Politik angeregt."

Solche Ansprüche der den Staat untergrabenden Partei an den Staat
felbst sind aber durchaus nicht so aussichtslos, als man meinen sollte. "Sind
doch gerade die Kreise, aus welchen sich die Umgebung des Hofes sowie spe-


dem ist es anders geworden, und die Vermischung politischer Fragen mit
kirchlichen hat unheilvolle Fortschritte gemacht. Mag aber der kalvinische
Klerikalismus, mit dem wir es bei den Antirevolutivnären zu thun haben, sich
heute noch darauf verlassen, daß er der Zahl nach der stärkere ist — auch in
Holland werden die Fazy nicht ausbleiben, welche die kalvinischen Mittel der
römischen Tendenz dienstbar machen.

So unser Buch über die heutigen politischen Parteien in Holland. Daß
eine jede von ihnen den Ultramontanen die Kastanien aus dem Feuer holen
mußte, bedarf jetzt kaum noch der Erklärung. Auch von der Meisterschaft der
ultramontanen Führer, sich Bundesgenossen für die oder jene Bestrebung zu
verschaffen und dafür bald den saloppen Freiheitsbegriff, bald die Annexions¬
furcht, bald die Wahlverwandtschaft der aristokratischen Allüren oder- die Soli¬
darität der konservativen Interessen, bald das Staatsmonopol der modernen
Sektenschule oder die Uebereinstimmung zwischen dem römischen Original und
dem genser Abklatsch Kalvin zu verwenden, braucht nicht ausführlich gehandelt
zu werden. Wir konstatiren nur, daß ihr Einfluß in den Kammern geradezu
auf ihren Bundesgenossen beruht. Unter den achtzig Mitgliedern der zweiten
Kammer saßen im Jahre 1875 allerdings nur sechzehn Ultramontane, aber
zwanzig andere Abgeordnete waren durch die Unterstützung der katholischen
Geistlichkeit gewählt und mußten ihr in den wichtigsten Fragen Heeresfolge
leisten. Und das war schon, ehe Groen diese Bundesgenossenschaft öffentlich
gutgeheißen hat.

Wie weit die Ansprüche der päpstlichen Partei in Holland heute bereits
gehen, das hat sich u. A. bei der Frage der römischen Zuaven und bei dem
Sturz der weltlichen Herrschaft des Papstes gezeigt. „Die zahlreichen Holländer,
die in päpstliche Kriegsdienste getreten waren, hatten dies meist gethan, ohne
die vom Gesetz vorgeschriebene königliche Erlaubniß einzuholen, und dadurch
ihre staatsbürgerlichen Rechte verwirkt. Als aber diese Schlüsselsoldaten nach
der Besetzung Roms durch die italienischen Truppen in ihre Heimat zurück¬
gesandt wurden, verlangten die klerikalen Blätter trotzdem die Absendung eines
holländischen Kriegsschiffes zu feierlicher Abholung derselben. Für die einge-
gangne weltliche Macht aber, die der Statthalter Christi nun nicht mehr durch
fremde Söldner vertheidigen konnte, sollte sogar, wie massenhafte Adressen ver¬
langten, der König selbst eintreten. Und nicht genug damit wurde durch eine
Jnterpellation in der zweiten Kammer, und zwar mit Unterstützung der Anti¬
revolutionären, die gleiche Politik angeregt."

Solche Ansprüche der den Staat untergrabenden Partei an den Staat
felbst sind aber durchaus nicht so aussichtslos, als man meinen sollte. „Sind
doch gerade die Kreise, aus welchen sich die Umgebung des Hofes sowie spe-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157642/107>, abgerufen am 03.07.2024.