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Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band.

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und Orta-knjn bis zum nächsten Abend erreichen sollte, Wasservorräthe glaubte
man somit für die letztere nicht mitführen zu brauchen.

Das erste Echelon marschirte, wie festgesetzt, am 18. 25 Werst. Doch ließ
die entsetzliche Hitze die Leute und Pferde kaum noch vorwärts kommen, und
-- worauf man gar nicht gerechnet hatte -- das in den Wasserbehältern mit¬
genommene Trinkwasser fing in Folge der ganz ungewöhnlichen Trockenheit
der Luft zu verdunsten an. Schon war es um ein Viertel geschwunden, --
ein Umstand, welcher das Schlimmste befürchten ließ, zumal man noch 2 Tage¬
marsche bis Orta-kuju hatte.

Mit der Morgendämmerung des 19. trat das Echelon den Marsch wieder an.
Nach kurzer Zeit wurde es von der Kavallerie eingeholt. Oberst Markosow ritt mit
letzterer voraus, um möglichst bald Orta-kuju zu erreichen, und von da aus,
wenn irgeud möglich, den nachfolgenden Truppen Wasser entgegen schicken zu
können. Die Kasaken waren aber nur im Stande, von 3--10^ Uhr Morgens
25 Werst zurücklegen. Die Hitze war so groß, daß ein 55 theiliges Reaumur-
Termometer 52° zeigte, und schließlich zersprang. An ein geschlossenes Reiten
war nicht mehr zu denken; zum Theil mußten die Pferde geführt werden; --
es war ein ungeordneter Zug von 10 Werst Länge. -- Dennoch brachen die
Kasaken um 4 Uhr Nachmittags wieder auf; -- sie schleppten sich aber nnr
mühsam fort: der Sand war zum feinsten, glühend heißen Staube geworden.
Die Zahl der Maroden wurde immer größer: Offiziere mußten zurückbleiben,
um sie zu sammeln. Um Mitternacht wurde nothgedrungen Halt gemacht,
ohne daß das sehr ersehnte Wasser des Brunnen Orta-kuju erreicht war.

An ein weiteres Vordringen, ohne genau zu wissen, wie weit der Brunnen
Orta-kuju noch sei, durfte der Oberst Markosow nicht denken. Und da eine
zur Rekognoscirung ausgeschickte Patrouille nicht zurückkehrte, so entschloß sich
der Oberst zu dem so schweren Kommando "Kehrt!" Um den Leuten Wasser
zu verschaffen, wurde eine Abtheilung Kasaken zu dem 1. Echelon zurückgeschickt;
letzteres solle den zu Tode erschöpften Mannschaften die noch gefüllten Wasser¬
behälter entgegenbringen, dann mit den leeren Fässern nach dein östlich der
bisherigen Route gelegenen etwa 15 Werst vom letzten Lagerplatze der In¬
fanterie entfernten Brunnen Baka-ischem abbiegen und dieselben wieder füllen.

Die Infanterie war am Morgen unter den größten Strapazen -- wenn
es ihr auch noch nicht ganz an Wasser fehlte -- 12 Werst, am Nachmittage
7 Werst weiter marschirt. Am 20. hatte aber auch sie nach einem Marsche
von nur 7 Werst liegen bleiben müssen. Sowie die Boten des Obersten ein¬
trafen, wurde der Befehl desselben unverzüglich ausgeführt. Es ging sofort
ein Wassertransport an die Kasaken ab, und die Kameele mit den bereits leeren
Fässern wurden nach Baka-Jschem geschickt. Bis 9 Uhr Abends waren schon
1300 Eimer Wasser in das Infanterie-Lager geschafft, auch hier als Hülfe in


Grenzboten I. 1877. 7

und Orta-knjn bis zum nächsten Abend erreichen sollte, Wasservorräthe glaubte
man somit für die letztere nicht mitführen zu brauchen.

Das erste Echelon marschirte, wie festgesetzt, am 18. 25 Werst. Doch ließ
die entsetzliche Hitze die Leute und Pferde kaum noch vorwärts kommen, und
— worauf man gar nicht gerechnet hatte — das in den Wasserbehältern mit¬
genommene Trinkwasser fing in Folge der ganz ungewöhnlichen Trockenheit
der Luft zu verdunsten an. Schon war es um ein Viertel geschwunden, —
ein Umstand, welcher das Schlimmste befürchten ließ, zumal man noch 2 Tage¬
marsche bis Orta-kuju hatte.

Mit der Morgendämmerung des 19. trat das Echelon den Marsch wieder an.
Nach kurzer Zeit wurde es von der Kavallerie eingeholt. Oberst Markosow ritt mit
letzterer voraus, um möglichst bald Orta-kuju zu erreichen, und von da aus,
wenn irgeud möglich, den nachfolgenden Truppen Wasser entgegen schicken zu
können. Die Kasaken waren aber nur im Stande, von 3—10^ Uhr Morgens
25 Werst zurücklegen. Die Hitze war so groß, daß ein 55 theiliges Reaumur-
Termometer 52° zeigte, und schließlich zersprang. An ein geschlossenes Reiten
war nicht mehr zu denken; zum Theil mußten die Pferde geführt werden; —
es war ein ungeordneter Zug von 10 Werst Länge. — Dennoch brachen die
Kasaken um 4 Uhr Nachmittags wieder auf; — sie schleppten sich aber nnr
mühsam fort: der Sand war zum feinsten, glühend heißen Staube geworden.
Die Zahl der Maroden wurde immer größer: Offiziere mußten zurückbleiben,
um sie zu sammeln. Um Mitternacht wurde nothgedrungen Halt gemacht,
ohne daß das sehr ersehnte Wasser des Brunnen Orta-kuju erreicht war.

An ein weiteres Vordringen, ohne genau zu wissen, wie weit der Brunnen
Orta-kuju noch sei, durfte der Oberst Markosow nicht denken. Und da eine
zur Rekognoscirung ausgeschickte Patrouille nicht zurückkehrte, so entschloß sich
der Oberst zu dem so schweren Kommando „Kehrt!" Um den Leuten Wasser
zu verschaffen, wurde eine Abtheilung Kasaken zu dem 1. Echelon zurückgeschickt;
letzteres solle den zu Tode erschöpften Mannschaften die noch gefüllten Wasser¬
behälter entgegenbringen, dann mit den leeren Fässern nach dein östlich der
bisherigen Route gelegenen etwa 15 Werst vom letzten Lagerplatze der In¬
fanterie entfernten Brunnen Baka-ischem abbiegen und dieselben wieder füllen.

Die Infanterie war am Morgen unter den größten Strapazen — wenn
es ihr auch noch nicht ganz an Wasser fehlte — 12 Werst, am Nachmittage
7 Werst weiter marschirt. Am 20. hatte aber auch sie nach einem Marsche
von nur 7 Werst liegen bleiben müssen. Sowie die Boten des Obersten ein¬
trafen, wurde der Befehl desselben unverzüglich ausgeführt. Es ging sofort
ein Wassertransport an die Kasaken ab, und die Kameele mit den bereits leeren
Fässern wurden nach Baka-Jschem geschickt. Bis 9 Uhr Abends waren schon
1300 Eimer Wasser in das Infanterie-Lager geschafft, auch hier als Hülfe in


Grenzboten I. 1877. 7
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 36, 1877, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341825_157640/57>, abgerufen am 23.07.2024.